7109252-1995_44_16.jpg
Digital In Arbeit

Ruhe für die Seele

19451960198020002020

Seit 25 Jahren ist das Prämonstratenserstift Geras ein Ort zum Innehalten und zum Ausruhen. Ein beliebtes und gern besuchtes Angebot: Heilfasten.

19451960198020002020

Seit 25 Jahren ist das Prämonstratenserstift Geras ein Ort zum Innehalten und zum Ausruhen. Ein beliebtes und gern besuchtes Angebot: Heilfasten.

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Warum ist die Geraser Kunstakademie für viele Menschen ein Geheimtip?

Joachim Angerer: Es ist für mich schwierig, alle Angebote aufzuzählen. Vom Aquarell-ABC über Töpfern und Keramik bis hin zu den chinesischen Zeichenkursen von Wang Shu finden Kurse aller Art in unserem Stift statt. Jahr für Jahr sind wir bemüht, diese Palette sinnvoll zu erweitern. 1995 feiert unsere Kunstakademie ihr 25jähriges Bestehen. Dies ist Grund genug, stolz, dankbar und fröhlich zu sein.

DIEFURCHE: Wie hat alles angefangen? ANGERER: Am Anfang stand eine Idee, die im ersten Kurs umgesetzt wurde: der Versuch, Hinterglasbilder nach alten, überlieferten Rissen unter der Anleitung eines in dieser Technik erfahrenen Bauern aus dem Mühlviertel weiterzugeben. Aufgrund der großen Nachfrage boten wir bald noch andere Angebote an. 1974 standen für Seminarteilnehmer die ersten Zimmer in dem bis dahin verpachteten Maierhof des Stiftes zur Verfügung. Das Interesse war enorm und erreichte 1980 mit der Eröffnung des Stiftsrestaurants und Hotels „Alter Schüttkasten” einen ersten Höhepunkt. Dieses moderne Komforthotel mit Sauna ist nur fünf behäbige Gehminuten vom Stift entfernt. Ein zweiter Höhepunkt für mich, in meinem „Einsatz am Bau”, wird sein, wenn demnächst das Kloster Pernegg seiner endgültigen Bestimmung übergeben werden kann.

DIEFURCHE: Welchen Schwerpunkt hat das Zentrum in Pernegg? angerer: Dieses Kloster soll als Seminar- und Fastenzentrum dienen. Ein sehr wichtiges Anliegen. Denn forscht man nach dem tieferen Grund der meisten Krankheiten, so entdeckt man als häufigste Ursache: Unmäßig-keit im Essen und Trinken. Wenn eine Maschine immer nur gefettet und geschmiert wird, dann erstickt sie eines Tages im Fett und funktioniert nicht mehr. Der menschliche Körper ist aber keine Maschine, sondern ein feines und wundervolles Getriebe, das wir mindestens so sorgfältig behandeln sollten wie eine Maschine. Da wir uns zu üppig ernähren, bekommt unser Körper zuviel Brenn- und Schmierstoffe. Dagegen helfen keine

Tropfen und keine Pillen. Da hilft nur eine Generalreinigung - vorausgesetzt, der Körper ist überhaupt noch imstande, eine solche über sich ergehen zu lassen. Diese Generalreinigung ist das Fasten.

DIEFURCHE: Hat das Fasten auch eine religiöse Dimension? angerer: Natürlich. Pfarrer Otto Kai -ser lehrte uns das Samariter-Saft-Fasten. Dieses Verfahren schenkt dem Menschen gesundheitliches Wohlbefinden und schützt ihn vor Krankheiten. Ohne feste Nahrung, nur mit Heilkräutertees und frischen Gemüsesäften aus biologischem Anbau werden die Organe des Körpers auf vorzügliche Weise entschlackt und die Selbstheilungskräfte wieder zur Entfaltung gebracht. Dem sich reinigenden Körper folgt die Seele. Sie entdeckt die feinsten Unstimmigkeiten, die das Leben oft so schwer und unerträglich machen. Sie findet in Gebet und Meditation, in Büß- und Eucharistiefeier, die wir ebenfalls den Gästen anbieten, erholsame Ruhe und heilende Gnaden. So wird der ganze Mensch mit Körper und Seele frei von vielem Schweren und Belastenden und erfährt wieder Gesundheit und Harmonie.

Seit einigen Monaten bieten wir zudem das Anti-Streß-Fasten an. Es handelt sich dabei um eine medizinisch begleitete Fastenkur, die.nicht nur eine Gewichtsreduktion bezwecken möchte, sondern zu innerer und äußerer Buhe und Konzentration führen soll.

Man muß tatsächlich erlebt haben, wovon hier die Bede ist. Beschenkt kommt derjenige nach Hause, der sich in aller Offenheit auf das Fasten einläßt. Wieder „heil”, zufriedener, ausgeglichener werden, ein neues Körpergefühl erhalten: all das hat mit Heilfasten zu tun. Eine Tankstelle für die Seele.

DIEFURCHE: Haben diese Angebote das Klosterleben bereichert? angerer: Gewiß. Das in den 25 Jahren Geschaffene und Gewachsene ist ein fester Bestandteil unserer Abtei geworden. In einem größeren Kontext gesehen, nämlich dem der abendländischen Klosterkultur, könnte man unseren Weg sehr wohl als eine zeitgemäße Interpretation, eine Aktualisierung der Idee Kloster verstehen.

DIEFURCHE: Welches Motto haben Sie für das Jahr 1996 gewählt? angerer: Das Motto „Gönne Dich Dir selbst!” Es stammt von Bernhard von Clairvaux. Dieser schreibt: „Wer mit sich selbst schlecht umgeht, wie kann der gut sein? Denke also daran: Gönne Dich Dir selbst. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.”

Diese Sätze sind ungeheuer aktuell. Denn in ihnen liegt das Geheimnis guter Erholung, ganzheitlicher Erneuerung. Denn das „Seele-baumeln-Lassen” gehört genauso dazu wie abschalten, ausruhen, zu sich selber kommen, andere Gesichter sehen, schöne Landschaft genießen und von Alltäglichkeiten befreit sein. Das ist unser Rezept in Geras. Die Gäste vergessen förmlich, um es biblisch zu sagen, was „hinter ihnen liegt”, auch ihre Sorgen. Sie sind primär mit dem Schöpferischen und dem Kreativen beschäftigt, um Kraft für ihre Seele zu tanken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung