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Rundfunk mit Niveau

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Die vergangene Faschingszeit wurde auch vom Rundfunk in heiteren Sendungen gefeiert. Es erwies sich dabei, daß auch der Rundfunk der chronischen Humorlosigkeit der modernen Künste nicht entgehen kann. (Der Mangel an Komödien und auch an wirklichen fdomikern, nicht Possenreißern, ist bekannt, Schwank scheint eine aussterbende Stüdegattung zu werden, Bücher wie „Don Camillo und Peppone“ sind Oasen in der Wüste.) Klamauk, „G'schpaß und Stimmungs- reißerei sind manchmal lustig, selten humorvoll, fast nie ungezwungen, und können das Fehlen einer wirklich aus-gelassenen Stimmung oder des Humors mit Tiefgang nicht verdecken. Um so bemerkenswerter war dJe sehr gelungene Aufführung der Opernparodie „Othello“ von Friedrich Langer (Rot-Weiß- Rot), die sich des seltenen musikalischen Witzes bedient, ohne Längen, mit Geschmadc und Schwung. Die Faschingssendung der Ra- vag, Nestroys „Die verhängnisvolle Faschingsnacht" war ausgezeichnet, heiter und flott — immer wieder erweist sich Nestroy als nicht annähernd erreichter großer Komiker-Dichter, der selbst in der wildesten Posse immer Menschen und nur Menschen schuf, fern jedem Stil — verwunderlich, daß ihn die Avantgarde noch nicht für sich entdeckt hat. über die sonstigen Kabaretts und Rundfunkbretteln ist nichts zu sagen; sie sind auch da. Erfreulich auch hier,eine Ausnahme: „Die Befreiten (Rot-Weiß-Rot) an jedem Montag, sehr gute Kleinkunst, nie schnoddrig, aber schmissig, mit feinem Empfinden für guten Geschmack und einer schon feststehenden Linie, witzig, manchmal sogar sehr menschlich — sie verdienen Beachtung.

So umfangreich und stimmstark der Fasching war, so sang- und klangarm gingen Aschermittwoch und Fastenzeitbeginn vorüber. Rot-Weiß-Rot begnügte sich mit 15 Minuten Aschermittwochgedanken in Nebensendezeit. Ravag verwendete den „Aschermittwoch der Künstler in der Burgkapelle und brachte abends — gut dazu abgestimmt — das altflämische Spiel vom „Mariecken von Nymwegen", das sieben Jahre mit dem Teufel zusammenlebt, an viel Streit und Totschlag mitschuldig ist und schließlich, durch ein Mysterienspiel am Jahrmarkt bewogen, in sich geht und Gnade findet.

Darüber hinaus aber waren in den letzten Wochen gleich drei Aufführungen von Gehalt und Gestalt zu hören, beinahe richtige Sensationen. Ravag sendete „Don Juan kommt aus dem Krieg" von ödön von Horvath, eine moderne Bearbeitung des Don-Juan- Stoffes. Der seltsame Mann, der den Frauen verfällt, weil sie ihm verfallen, kommt aus dem Krieg und sucht eine von früher, der er nun treu bleiben möchte; und als er endlich nach manchen (Frauen-) Wirren in ihre Heimat kommt, lebt sie nicht mehr; er aber will nicht weiter Don Juan sein und folgt ihr nach. Mehr Gestaltung als Interpretation (die Lösung ist geistig unbefriedigend), fand dieses interessante Stück eine ganz vorzügliche Aufführung. — Rot-Weiß-Rot brachte die Welturaufführung des einzigen Dramas von Thomas Wolfe „Das Herrschaftshaus". Zui Zeit des amerikanischen Sklavenkrieges wird eine

Familie gezeigt: der Vater, General, --dt, lebt in den Begriffen seiner Zeit von Tapferkeit, Disziplin, Rechtschaffenheit, Ordnung — eine Ordnung, in der sowohl Sklave wie Gott seinen Platz hat; der Sohn, der traditionsgesättigten, kultivierten Atmosphäre seines Vaterhauses entfremdet, wurzelt nur leicht im Leben überhaupt, oberflächlich und gedankenlos, mehr Militarist als Soldat, wie sein Vater, und eben darum gefährlich; der andere Sohn, mit dem ganzen durch Generationen immer mehr beschwerten Erbteil semes Vaters belastet und gerade deshalb für die zum Untergang verurteilte alte Begriffswelt und für die kommende neue Zeit besonders empfänglich, ohne allerdings die Kraft zu besitzen, aktiv Stellung zu nehmen und der dann auch mit dem Alten zugrunde gehen muß — ein Repräsentant der Jugend auch unserer Zeit, was das Stück so nahe und persönlich machte. Die Sprache des Dichters war gut übertragen (Ingeborg Bachmann), und da das Stüde auch eine Starbesetzung fand (Regie E. Häussermann), war die Aufführung großartig.

Und schließlich muß noch das Hörspiel „Geschäft mit Träumen" von Ingeborg Bachmann erwähnt werden. Das Thema: die Wirklichkeit, die einer wünscht, in Träumen gezeigt — alle Träume sind möglich, aber kaum einer entspricht wirklich den Wünschen, die sich so auf lösen; Hauptperson ein kleiner Angestellter. Es gibt literarischere und dichterischere Stücke — es gab aber schon sehr lange keines, das so sehr rundfunkmäßig war und in diesem Sinn speziell künstlerisch. Wobei sich wieder ergibt, daß für den Rundfunk als Kunst ein gutes, echtes Hörspiel immer noch besser ist, als die Rundfunkbearbeitung eines Klassikers.

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