6627115-1956_15_05.jpg
Digital In Arbeit

SABEL UND FEDER

Werbung
Werbung
Werbung

.Die schönste Stellung in Welt und Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat“, Iaht Goethe in den .Wahlverwandtschaften“ eine seiner geistreichsten Frauengestalten sagen.

Etwas von der Wahrheit dieser Erkenntnis mag mir aufgedämmert sein, als mein Vater mir die „Schwarzgeiben Reitergeschichten“ in die Hand drückte und ich vom Tode Kropatsch', des echten Kavalleristen las. Bewufjf begann ich damals, mich in die Wunderwelt der alten Armee zu versenken.

Das ist nun über ein halbes Jahrhundert her. Das grofje Reich ist zerfallen und von Soldaten spricht man nur ungern. Der Oesterreicher von heute tut als hätte er mit seiner Vergangenheit gebrochen, in der sein Eigenstes wurzelt, von dersn Reichtum und geistiger Ueberlegenheit er noch immer zehrt...

„Für einmal den Säbel ziehen muh der Soldat hundertmal und mehr die Feder führen“, sagte einst FML. Carl von Schönhals, Radetzkys Waffengefährfe. Das pafjt so recht auf die kaiserliche Armee, die stets vor allem ein Werkzeug zum Schutz der Kultur, ja selbst Kultuischöpferin war. In drei Jahrhunderten seines Bestandes hat dieses Heer den Spruch .inter arma silent Musae“ Lügen gestraff, hat es nach Möglichkeit rauhe Wirklichkeit zur Schönheit verklärt. Aus seinem Kreis sind der deutschen Literatur viele — und nicht die geringsten — Dichter erstanden: Ayrenhoff, Steigenfesch, Zedlitz, Saar, Milow, Ginzkey. Die Weiträumigkeit der Monarchie, Landschaftsbilder aller Zonen, Sitte und Sprache verschiedenster Völker boten ja reiche Anregung.

Aus diesem Rahmen tritt uns das Bild Torresanis entgegen, wie es Theodor von Sosnosky mir überlieferte, den langjährige Freundschaff mit ihm wie mit mir verband.

In Mailand wurde Carl von Torresani vor 110 Jahren am 19. April 1846 geboren. Mit seinem Grofjvater Carl Justus war die Familie aus der Enge der bergumkränzten Südtiroler Heimat in die Welt hinausgetreten. Kaum einjährig verliert er den Vater; die 48er-Revolution vertreibt die Torresanis aus dem düsteren Palazzo an der Strada Sta. Margherifa. Des Grofjvafers Entkommen im Mantel eines Gendarmen, die abenteuerliche Flucht der Mutter, die eigene und seines Schwesterchens Clelia Rettung, all dies berichtet er uns als Fünfzigjähriger in der Lebensbeschreibung ,V6n der Wasser- bis zur Feuertaufe“.

Der Torresanische Besitz am Gardasee — das heutige Hotel du Lac in Torbole — ward nun das Heim der Familie, bis nach zwei Jahren Carlos Mutfer mif dem Major — nachmals FZM. — Anfon Mollinary eine zweite glückliche Ehe schlofj- Transferierung nach Kloslerneuburg folgte. Im Kommifjmilieu der grofjen Pionierkaserne wächst der Knabe heran. Erziehung im Theresianum zu Wien, dann drei Jahre an der Stella Mafutina. Dann gibt der Stiefvater dem Wunsch des Sohnes statt: er darf die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt beziehen, aus| der er am 1. September 1865 als Leutnant zum Ulanenregimenf Graf Trani nach Verona ausgemustert wird. Im darauffolgenden Feldzug gegen Italien holt er sich im Gefechf bei Cimego das Militärverdienstkreuz. Dann finden wir ihn als Generalstabsoffizier bei der Brigade Taxis in Brzezany; er absolviert die Kriegsschule in Wien, um 1876 den Dienst zu quittieren, an dem er mif jeder Faser des Herzens hing.

In der Novelle „Drei Tage für ein Leben“ — sie erschien auch französisch unfsr dem Titel „Un quart d'heure de gräce“ — einem Meisterstück knapper Erzählungskunst, feiner Milieuschilderung und Charakferzeichnung, gibt er uns Andeutungen über die Gründe dieses Schrittes, dem schwerste innere Kämpfe vorausgingen. An der Seite seines Klings-boof schreiten wir durch die ernsten Eichwälder Galiziens, erleben in dem einsamen Edelhof der Adamöwka-Vorsfadt von Brzezany die Tragödie einer grofjen Liebe.

Das Schöpfen und Gestalfen aus der Fülle eigenen Erlebens hat Torresani mit einem andern Dichter im Soldatenrock gemein, mit Ferdinand von Saar. Er greift in die Wirklichkeit. So steht neben der erwiderten Leidenschaf) Klingsboofs zu Philippa Broniecka die entsagende Neigung ihrer Freundin Mieczyslawa zu ihm, der hählichen „Mongolin“, die einmal sein Leben rettet — ohne dafj er davon weifj — sich aber erst ganz am Schlufj durch plötzliches Erröfen verrät. Ein feiner novellistischer Zug. Erst als Vierzigjähriger findef sich Torresani als Dichter. Der Beruf eines Landwirtes, den er einige Jahre ausübte, Beschäftigung mit der Bildhauerei, besonders der Porfrätbüste — er war Schüler des Florentiners Salvatore Albano — haften durch innere Sammlung wie durch die Uebung im Gestalten wohl als Vorbereifung gedient.

Knapp nach seinem Abschied vom Militär lief} er im „Kamerad“ den Roman .Aus der schönen, wilden Lieutenanfszeit“ erscheinen. Zwölf Jahre später lieh sich ein Freund, Baron Heinrich Hammer-Purgstall das Feuilletonbündel aus und „las eine ganze Nacht lang, bis im Morgengrauen die letzte Zeile gelesen war“. Bald erschien die Buchausgabe. Schon das Erstlingswerk zeigt bei aller losen Führung der Handlung die Vorzüge Torresanis: durchgezeichnete Charaktere, wie gemeihelte Gestalten, tiefe Seelenbeobachtung. Ausgelassener Humor steht neben tiefer Tragik, wie sie auf der Heerstrafje des Lebens sich finden. Dabei eine saftige, gefeilie Sprache, köstliche Dialekfbehandlung, den Personen angepafjf.

Nennen wir noch „Der beschleunigte Fall“, die Geschichte eines jungen Generalstäblers, den eine vergötterte, seiner unwürdige Frau ins Verderben stürzt; den Künstlerroman „Oberlicht“, den Niederschlag von Torresanis Wiener Zeit, zu dem ihm Künstler- und Finanzkreise der Kaisersfadt den Stoff lieferten und Persönlichkeifen wie Hans Canon, Hans Makart, Franz von Dingelstedf, Heinrich Laube, der schrullige Baron Rothschild usw. Modell standen. Es folgten zwei Novellenbände „Ibi ubi“, Soldatengeschichten, aus denen die von Tragik umwitterte Gestalt eines menschenscheuen Artilleriehaupfmanns düster hervorsticht, und „Aus drei Weltstädten“, woraus er die Wiener Geschichte von der „Mikesch-Mafi“ auch erfolgreich dramatisierte. Das Stück gelangte im Deutschen Volkstheater zur Aufführung. „Steirische Schlösser“ behandelt soziale Probleme, gibt eine Darstellung des Kampfes zwischen Geburfs- und Geldaristokratie.

Am 12. April 1907 ist der Dichter gestorben. Im fernen Torbole, das damals noch österreichisch war, liegt sein Grab im Schatten des Monte Brione, am blauen Gardasee.

Der Kulturhistoriker, der einst die Geschichte der francisco-josephinischen Epoche m Oesterreich schreiben mag, wird am Werk Carls von Torresani nicht vorbeigehen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung