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Saisonbeginn in Graz

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Die erfreuliche Aktivität des Kulturreferats der Steiermärkischen Landesregierung zeigte sich gleich in den ersten Nachsommertagen: mit der „Steirischen Akademie“ im Schloß Eggenberg begann atßh Häüei die kultufelle Sälsen in Graz. Der erste Tag'War dw Klänlfig des- Begriffes TįNutlbn“ gewidmet (wobei die stärkste Beachtung dem ausgezeichneten Vortrag von Dr. Kurt Skalnik über „Das nationale Selbstbekenntnis Österreichs“ galt), der zweite Tag behandelte den Komplex Reformation-Gegenreformation, der dritte und letzte befaßte sich mit naturwissenschaftlichen wirtschaftspolitischen Fragen. Daneben zieht seit Monaten die Ausstellung „Graz als Residenz — Innerösterreich“ immer neue Besucherscharen an, wobei die Abendführungen stärksten Zuspruch fanden (in den ersten vier Monaten hatten nicht weniger als 26.000 Personen aus dem In- und Ausland und aus allen Schichten der Bevölkerung diese in ihrer Art einzigdastehende Schau besichtigt).

Der Einsatz der Theatersaison kam eher zögernd. Die Oper war zufolge ihres Ensemblegastspiels beim Flandern-Festival in Gent erst im Oktober in der Lage, eine Neuinszenierung herauszubringen. So konzentrierte sich das Interesse zunächst auf das Schauspielhaus, das mit Schillers „Kabale und Liebe“ seine Pforten öffnete. Die Intendanz glaubte, es sich leisten zu können, auf Fritz Zecha, einen der begabtesten Köpfe unter den jüngeren Regisseuren Österreichs, von der nächsten Spielzeit an verzichten zu können. Nach seiner Schillerinszenierung wurde er auch prompt als Erster Spielleiter nach Hannover engagiert: ein Verlust, der für Graz um so mehr zu bedauern ist, als die wichtigsten und markantesten theatralischen Ereignisse des letzten Jahrzehnts im Grazer Schauspiel fast ausschließlich Zecha zu danken sind. In seiner Inszenierung von „Kabale und Liebe“ bemühte sich der Regisseur um einen nüchternen, dennoch aber das Poetische nicht ausklammernden Darstellungsstil, der das gefährliche Pathos der „Sprechoper“ geschickt vermied: eine moderne, den sozialkritischen Aspekt des Werkes betonende Interpretation, der Interesse gebührt, die aber dennoch nicht immer fesseln konnte. — Der zweite Premierenabend im Schauspielhaus brachte Schnitzlers „Weites Land“: ein kühnes Unternehmen, wenn man bedenkt, daß die in kaum vorstellbarem Maße authentische Interpretation dieses bitteren Stückes im Akademietheater über den Fernsehschirm auch dem Theaterfreund in der Provinz zugänglich war. Dazu kommt noch, daß die Bühnenbilder Otto Niedermosers und die Kostüme Erni Knieperts in die Grazer Aufführung übernommen wurden. Die Besorgnis, das Experiment könnte schiefgehen, erwies sich jedoch als unbegründet. Der Regisseur Klaus Gmeiner, der den Ensembleszenen noch etwas hilflos gegenüberstand, erreichte immerhin an manchen Stellen Schnitzlerische Atmosphäre, die als „hübsche Formel“ auch noch „böse Dinge“ in einen zarten Schleier aus weh mütiger Grazie zu hüllen versteht. Sieht man davon ab, daß der spezifische Ton des Wiener Fih de siėcle von einem Grazer Ensemble nur in Ansätzen getroffen werden kann, so haben die Hauptdarsteller (Krußnüzer, Höger, Casapiccola) doch ein ’Maximum des hierzulande Mög- :liehen,erreichw/bsM mb

In der Oper dominierte zunächst die leichte Muse mit einer spritzigen Aufführung von „Wiener Blut“, dann gab es einige Reprisen, unter denen sich eine aufgefrischte „Boheme“ recht stattlich ausnahm, weil sie ihren Glanz erhielt von der hübschen, schönstimmigen Amerikanerin Valory Goodall (Mimi) und dem strahlenden Tenor Jose Maria Perez (Rudolf). Mit der eigentlichen Eröffnungspremiere gedachte die Grazer Oper des 250. Geburtstages Christoph Willibald Glucks und reihte sich so unter die wenigen Institute ein, die sich dieses Gedenktages besonnen hatten. Man hatte hiefür das selten gespielte, aber reifste Werk des Meisters gewählt, die „Iphigenie auf Tauris“, und ihrer Wiedergabe alle jene Sorgfalt angedeihen lassen, die zu einer solchen kulturellen Tat erforderlich ist. Das Werk stellt in seiner textlichen und musikalischen Konzeption eine der reinsten Ausprägungen des klassischen Humanitätsbegriffes dar und ist in seiner Gesamtwirkung von einem Adel und einer reinen Schönheit, die auch den heutigen Beschauer tief beeindrucken. Der Dirigent Berislav Klobutar hat den Reichtum der kostbaren Partitur in vornehmer, unpathetischer Schlichtheit zum Klingen gebracht; der Regisseur Fritz Zecha stilisierte die Bühnenaktion im Geist der Musik, indem er sie auf ein wohlüberlegtes Minimum an gestischem Aufwand reduzierte, ohne daß daraus ein szenisches Oratorium geworden wäre; die Bühnenbilder Wolfram Skalickis sind dazu der ideale Rahmen in edler, aber durchaus nicht musealer Klassizität. Matt und konventionell hingegen die Chore- graphie Edith Kauers, sehr befriedigend die Leistungen der Solisten Gertraud Hopf (Iphigenie), Claude Hector (Orest), Rolf Polke (Thoas) und Jose M. Perez (Pylades).

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