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Salzburger Premieren

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Im Zusammenhang mit einer Neuinszenierung der „Zauberflöte“, die das Salzburger Landestheater zur Mozart-Woche darbot, wurde die Frage aufgeworfen, ob man sich an diese so selten in vollkommener Verwirklichung erscheinende Mozart-Oper mit den Mitteln einer Provinzbühne überhaupt heranwagen darf. Die Salzburger Aufführung antwortete mit einem bündigen Ja. Die theatralische Substanz der „Zauberflöte“, die opern-hafte wie die komödiantische, ist in ihrer naiven Ursprünglichkeit so stark, daß sie auch ohne Perfektion zu voller Wirkung gelangen kann, wenn man sich ihrer mit Ehrfucht und Spielfreude annimmt. Das war in Salzburg der Fall. Das Ergebnis war ausgezeichnet und hätte sich — mit den Mitteln des Landestheaters — da und dort sogar noch steigern lassen. Dieser Nachsatz ist indes nicht als Einschränkung des Lobes aufzufassen, das dem Ensemble wie dem Mozarteum-Orchester in gleicher Weise gebührt. Es mag an der sonst sehr klugen Spielführung des Gastregisseurs Andre Diehl liegen, daß etwa die Papageno-Szenen sich nicht so heiter entfalteten, wie es bei einem Interpreten vom Humor Robert Granzers möglich gewesen wäre. Bewährte sich die Regie durch Takt und Kunstverstand in der Gestaltung des mythischen Elements, indem sie, den begrenzten Möglichkeiten Rechnung tragend, Solisten und Chor zu maßvoller Bescheidenheit verhielt, war sie in der Übertragung dieses Prinzips auf die komödiantischen Partien nicht so glücklich. Hier hätte der Spiellaune, die Granzer zu jeder komischen Rolle mitbringt, kein Dämpfer aufgesetzt werden dürfen. Zumindest schien der vortreffliche Sänger in einem Zwiespalt und dadurch gehemmt. Weniger berührt von dem Regiekonzept war Marianne Vockes Papagena; sie entzückte durch eine vogelleichte Stimme und unbefangene Lustigkeit. Als Pamina von edler Größe wußte die von langer Krankheit wiedergenesene Karin Hurdström zu ergreifen. Helga Baller aus Wiesbaden, für die erkrankte Frau Har-vey einspringend, konnte als Königin der Nacht nur teilweise zufriedenstellen. Im Stil eines Bonvivants agierte der angenehm, aber im Grund doch unmozartisch singende Tamino /<zco6 Soltermanns. Ein imponierender Sarastro wird der junge Nikolai Hantoff einmal sein, wenn er erst die nötige Tiefe hat. Ganz ausgezeichnete Leistungen boten Walter Ranninger (Sprecher) und Edmund Kuhn (Mono-statos). Allen anderen ein Pauschallob. Mladen Basic am Pult vermochte eine enge Beziehung zu Mozart glaubhaft zu machen. Erfreulich die Bühnenbilder Eugen Wintterles. Alles in allem eine Leistung, die dem Salzburger Landestheater zur Ehre gereicht.

Ein gleiches ist von der letzten Schauspielpremiere zu sagen. Molieres „Misanthrop“ erfuhr in der funkelnd witzigen Übertragung von Hans Weigel eine bemerkenswerte Aufführung. Hier verdient vor allem die Regieleistung Rudolf Kau-teks höchstes Lob. Was er aus den Schauspielern, besonders aus solchen von spröderem Stoff, herausholt, ist staunenswert. Seine Wortregie ist bis in den leisesten Tonfall durchdacht, die Blitzdialoge haben das Tempo und die Präzision eines Säbelduells, das geht Schlag auf Schlag, und dabei wird so gut und klar gesprochen, wie man es an den repräsentativen Großstadtbühnen oft vergebens erwartet; unter Kauteks Führung gewinnt das Ensemble Leben aus dem Geist des Dichters und seiner Zeit. Zwingend in jedem Wort, in jeder Geste und Bewegung, eine mit hoher schauspielerischer Intelligenz angelegte Figur war Gerhard Mortis Philinte; ihm am nächsten kam Gustl Bayrhammer als pompös vitaler Reimeschmied Oronte. Köstlich auch das Duo der gezierten Höflinge Brandauer und Pokorny. Eine sehr konzise Leistung, die beste, die wir bisher von ihm gesehen haben, bot Siegfried Fetscher in der Titelrolle. Es gelang ihm, Teilnahme für den verzweifelten Menschenverächter zu erwecken; leidjer fehlt ihm offenbar das Organ für die Komik dieser Figur, und so konnte er sie auch in ihrer Tragik nicht ganz erfassen. Ilse Lajka als Celimene hatte sehr gute Szenen, bringt aber nicht die Leichtigkeit mit, die ihre Rolle verlangt. Inga Bünsch und Isolde Stiegler boten treffende Charakterskizzen: diese in kraftvollen pastosen Strichen, jene in zarter Aquarelltechnik. Eugen Wintterle fand für das Bühnenbild eine hübsche graphische Lösung; die Kostüme sind indes von malerischer Buntheit, und so wirkt das Ganze wie ein Kupferstich mit kolorierter Staffage.

Das Nachspiel, „Des Menschenfeinds Bekehrung“ von Georges Courteline, bietet Oronte einen zusätzlichen possenhaften Auftritt, dem Freund und der Braut des Menschenfeinds eine Chance, diesen zu betrügen, und der Hauptfigur selbst eine Wandlungsmöglichkeit ins Positive. Zum Schluß annuliert der unausbleibliche Rückfall des Bekehrten den ganzen Epilog, womit er als überflüssig deklariert erscheint.

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