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Schau-Theater

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Das Burgtheater bringt „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua , neu inszeniert von Josef Gielen. Der junge Schiller, in der Enge des schwäbischen Absolutismus, in der Weite seiner Sehnsucht nach „Freiheit", läßt sich faszinieren von Shakespeare, Rousseau und dem Macht- Theaiter, als das sich ihm sin gut Teil der europäischen Geschichte vorstellt. Nicht ganz so fremd und feindlich der Geschichte wie Goethe, der von Gottfried Arnold herkommt, sieht der junge künftige Geschichtspro-fe66or zumeist doch nur Kabale und Liebe, Intrigen und einzelne glänzend-düstere Schauspieler das blutige Schlachtfeld betreten und daselb6t unter langen schwarzen und roten Fahnenwimpeln, auf denen „Freiheit“, „Volk“, „Schicksal" 6teht, agieren. Der Fiesco ist eine nachbarocke theatralische Komödie, in der Masken und Rollen mit Florett, Säbel und Dolchen sich totstoßen. Eine bitter-leere Har- lekinade; leer, weil selbst der Maschinengott des Bärocktheaters fehlt. Inhaltlich bietet dieser Fiesco wenig, theatralisch um 60 mehr. Die auf Glanz und Effekt hergerichtete Aufführung der Burg, mit dem starken Bühnenbild Teo Ottos, mit Aslan, Skoda, Mikulicz,

dürfte den Spielplan um ein Repertoirestück bereichern.

Im Theater am Parkring erschien als Weihnachtspremiere „Ein Phönix zu, viel" von Christopher Fry; hier präludiert durch den Telephoneinakter Jean Cocteaus. Anknüpfend thematisch an eine bekannte antike Erzählung von der schönen jungen Frau, die mit ihrer Sklavin dem geliebten Gatten nachsterben will, sich aber von einem kräftigen und gut gewachsenen Soldaten retten läßt, ©pinnt Fry blitzgescheite seidig-silbrige Humorfäden (in der Aufführung leider überdehnt) zu einer glashellen Ballade von menschlicher Lebensklugheit und Schwäche. Der Mensch erscheint hier wie einte Katze, die, wie immer sie auch fällt, auf ihre Beine zu 6tehen kommt, in einem sehr irdischen napfrunden Leben. Ein gescheites Spiel, gescheit gespielt (Eva Zilcher).

Tennessee Williams kommt nun in der Josefstadt mit einem seiner jüngsten Stücke heraus: „Die sizilianlsche Rose (Rose Tatoo), übertragen von Berthold Viertel. Die innere Verwandtschaft mit Fry oder auch Eliot ist ge- gegeben durch die hohe Intellektualität dieser Dichter-Konstrukteure. (Nichts für ungut: aber, bisweilen muß man hier doch an Stalins bekanntes Wort von den Dichtern als Ingenieuren der Seele denken.) Williams Meisterschaft konzentriert sich, in angestrengtester Arbeit, dahin, ein Spiel zu komponieren, zusammenzusetzen, in dem Figur, Schicksal, Farbe, Wort, Gebärde, Geräusch, Mensch, Tier und Requisit ein magisches, zauberstarkes Bild ergeben, so wie etwa in der Völkerwanderungszeit Schmuckstücke im Schmelzguß sehr heterogene Elemente vereinen. Auch an Mosaiken muß man denken, wenn man hier sieht, wie Kindergreinen, ein schwarzer Ziegenbock, eine junge Witwe, Telegraphenstangen, viele junge buntröckige Mädchen, das Motorengeräusch von Fernlastern eingegossen werden in eine schwerblütige duft- starke Ballade von Frauenledd, Frauenglück. Das Leben in einer sizilianischen Insel in den Vereinigten Staaten gibt alle jene bunten atmosphärischen Reize und Faszinationen her, die der Kbmposdteur braucht. Ein Spiel, ganz in Dunkel und Purpur; magische Lichter weben um die Frau Serafiną, die zwisdien der Madonna, der Urne ihres Mannes, ihren Kleiderpuppen und ihrer Tochter sich in Sehnsucht und Überwindung verzehrt. Die Regie travestiert leider dieses Drama zur Komödie. Die ausgezeichnete Lotte Lang gibt a.ls klinische Studie, was als Sinnbild eines Schicksals gesehen werden will. Demnach: sehr sehenswert; schändlich für Wien die Haltung des kultiviert aussehenden PremierenpubH- kums, dos ©ich bei den ernstesten Momenten in gellen Lachschreien prostituiert.

Die Uraufführung eines jungen österreichischen Talent brachte das Theater im . Palais Esterhazy mit „Sieben Segel im Sturm" (Die Verlorenen) von Margh Malina. Das Schauspiel versucht einen Stoff von Priestley,der sich mit dem Thema der Mitverantwortlichkeit am Geschick des Nächsten befaßt („Ein Inspektor kommt“), mit den Mitteln Thornton Wildere („Unsere kleine Stadt") und Axel von Ambessere („Das Abgründige in Herrn Gerstenberg“) anzupacken und beweist, daß sich die Autorin über die Form eines modernen Dramas Gedanken gemacht hat. Aber mehr nicht. Schon der gute Einfall, eine „Stimme von innen“ die gedachten Monologe sprechen zu lassen, wird durch die störenden Regieanweisungen und Erläuterungen der „Stimme von außen“ beeinträchtigt. Das Stück, das sich — und dieser Umstand bleibt anzuerkennen — aus christlicher Schau mit den Problemen des Menschen unserer Zeit auseinandersetzt, leidet an sprachlichen Unzulänglichkeiten, an Stilbrüchen, an mangelndem Aufbau, es scheitert schließlich an seiner epischen Langatmigkeit. Die „Sieben Segel" gehen darum auch nicht im Sturm, sondern in einem endlosen Wortschwall unter. Übrig bleibt nur das ehrliche Bemühen und der zweifellos gute Wille der jungen Urheberin, der es noch nicht gelungen ist, die dramatische Formel für ihr Anliegen zu finden.

„Das Brettl vor dem Kopf“, das vom Kleinen Theater im Konzerthaus präsentiert wird, ist mehr als treffsicher pointiertes Kabarett und zeitsatirische Revue: es ist der Versuch, versteckt in der Form eines Brettls, einmal eine Diagnose der phänotypischen Krankheiten unserer Zeit zu erstellen. Es ist der Versuch, hinter Scherz und Ironie die tiefere Bedeutung zu sehen. So richteten die Autoren Bronmer, Kehlmann, Merz und Qualtinger ihre Pfeile auch nicht ziellos gegen ihre Opfer, sondern sie wußten sich ihre Zielscheiben wohl zu wählen. Wa6 angeschossen wild, verdient es, einmal ins Braune, Rote oder Altersgraue getroffen zu werden. Kleinkunst: auch im kleinen noch Kunst.

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