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Schiefe Ebenen des Dialogs
Das Gespräch von Christen mit Muslimen verläuft anders als das mit Buddhisten. Alle „Partner" müssen noch lernen, die nötige Achtung voreinander zu entwickeln.
Das Gespräch von Christen mit Muslimen verläuft anders als das mit Buddhisten. Alle „Partner" müssen noch lernen, die nötige Achtung voreinander zu entwickeln.
In der Tat hat der „Dialog" heute scheinbar in allen Lebensbereichen Hochkonjunktur: Vom Friedensdialog im Nahen Osten bis zum bischöflich aufgegriffenen „Dialog für Osterreich", vom parteiinternen Dialog zwischen Führung und Basis bis zu den Talkshows im Fernsehen. Und wer nicht mitspielt, ist „Dialogverweige-rer"; wem es dabei die Sprache verschlägt, der ist „dialogunfähig"; wer es mit Wittgenstein („Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen") hält, ist Verräter am Grunddogma der Informationsgesellschaft. Natürlich macht die mediengerechte Oberflächlichkeit nicht vor der interreligiösen Begegnung halt, im Gegenteil: Personen und Vereine unterschiedlichster Motivation fühlen sich bemüßigt, ihre Veranstaltungen (ob nun Platzkonzert oder Fitneßmarsch) durch ein kleines interreligiöses Happening aufzuwerten, und je bunter die Korona der am Podium Versammelten, je spektakulärer Teint, Bobe und Kopfschmuck, desto größer ist auch die Chance, das Fernsehen dabei zu haben!
Das entscheidende Kriterium für die Ernsthaftigkeit des Dialogs ist aber in seiner Motivation zu suchen. Vordergründige Missionierungsabsichten sind hier ebenso unangebracht wie die (vielleicht gut gemeinte) Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Gelingt es schließ lieh, sowohl der Versuchung der Bequemlichkeit, auf die Ausfahrt gänzlich zu verzichten, als auch den verlockenden Sirenenrufen interreligöser Harmonisierungen zu widerstehen, so tut sich das weite Meer der Begegnung auf - zu einer Fahrt, die nicht nur romantische Abendstimmungen kennt, sondern ebenso die mühevolle Kleinarbeit tagtäglicher Reibung und Wartung. Häfen der Gastfreundschaft laden hier und dort zum Verweilen und zur Stär kung, aber immer wieder heißt es Aufbruch, sich der Orientierung vergewissern, dem Horizont entgegen. Das hier anklingende Bild schließt also auch Irrwege nicht aus; es wird vielleicht öfter als einmal notwendig sein, einäugige Sichtweisen und verzaubernde Vorlieben zu überwinden. Welche Erfahrungen aus dem interreligiösen Dialog können hier angesprochen werden?
Zunächst einmal denke ich an die verzerrte Wahrnehmung des Gesprächspartners, die durch „schiefe Kbenen" des Vergleiches entsteht: So ist es etwa sehr bequem, die hehre Lehre der eigenen Beligion neben die rauhe Wirklichkeitder fremden zu setzen: Wie können etwa die „abergläubischen" Praktiken tibetischer Pilger neben den geistigen Höhenflügen akademischer Theologie bestehen? Dieselbe Ix>gik der „schiefen Ebene" funktioniert übrigens auch umgekehrt: Vor allem zum Islam konvertierte Frauen aus dem Westen sind es, die nicht müde werden zu verkünden, daß die eigentliche Befreiung der Frau (in gesellschaftlicher und in sexueller Hinsicht) gerade im Islam vollzogen sei (Belege aus Koran und Tradition werden hierbei zitiert), wohingegen die westliche (— christliche?!) Frau unter den Zwängen gesellschaftlicher Ausbeutung, erniedrigender Fremdbestimmung und scheinheiliger Leibfeindlichkeit stehe. - Freilich kann die „schiefe Ebene" auch in die Gegenrichtung gebaut werden: Ist es nicht eine ideale Möglichkeit, den eigenen und sehr konkreten Kirchenfrust loszuwerden, indem man den verklärten Blick auf das mild lächelnde oder ewigen Gleichmut ausstrahlende Antlitz des Buddha richtet?
Die verzaubernden Vorlieben sind vielleicht das hartnäckigste Hindernis im interreligiösen Dialog: Vor-Lieben, die anders als echte Liebe - nicht dem realen Partner gelten, sondern der eigenen Vorstellung von ihm: Ich erinnere mich noch gut an jenes höchst befremdliche Religionsgespräch, in dem ein prominenter islamischer Dialogexperte trotz aller Einwände darauf bestand, daß der Hauptunterschied zwischen beiden Religionen im negativen christlichen Menschenbild bestehe, während der Islam hier eine ganz positive Sicht habe.
Hier ist ein wichtiger Punkt der Überlegung erreicht: Welches Bild der anderen Beligionen leitet die am Dialoggeschehen Beteiligten? Welche Bol le spielen andere Religionen für das eigene Selbstverständnis? Wie werden die anderen Beligionen im Binnenraum der eigenen Verkündigung und Praxis dargestellt? Erfolgt die Selbstdarstellung auf Kosten der anderen? In diesen Fragen liegen Vorbedingungen und Früchte des Dialogs: Einerseits ist ein angemessenes (das heißt nicht unbedingt wertfreies) Verständnis eine Voraussetzung, andererseits ist eine ebensolche Darstellung wohl erst als Ergebnis eines gelungenen Dialogs denkbar.
Das Ghristentumsbild der Muslime ist sicherlich in erheblichem Maße von koranischen Vorgaben geprägt, die sich von der Bibel absetzen und somit einen eher engen Bahmen für ein mögliches christliches Selbstverständnis abstecken. Insofern sich der Islam als logische und sogar objektive I jehre versteht, wird von heutigen Muslimen die Kongruenz des Koran mit den modernen Wissenschaften betont und in Gegensatz zu den „unwissenschaftlichen" Aus sagen der Bibel gestellt. Fast schwindelerregende Höhen erreicht dieser Versuch in M. Bucailles Buch „Bibel, Koran und Wissenschaft. Die Heiligen Schriften im Licht moderner Erkenntnisse" (München 1989), das dann auch die (in der christlichen Bibel Wissenschaft übliche) historisch-kritische Methode der Textauslegung gegen den Wahrheitsanspruch der Bibel in den Zeugenstand ruft. Die Vermutung, daß das islamische Interesse am Christentum nur in Einzelfällen über den Horizont derar- ™" tiger Pamphlete hinausgeht, bestätigt sich vielfach. Ein zweites, noch augenscheinlicheres Moment ist die völlig fraglose Identifikation des Christentums mit der westlichen Gesellschaft und all ihren dekadenten Auswüchsen wie Glaubensverlust, Pornographie und neoliberalistischem Kapitalismus in den Augen der Muslime.
Anders präsentiert sich die Ausgangslage für den Buddhismus, der in Europa nicht primär durch Migration, sondern durch Konversion gegenwärtig ist und somit seine apologetischen Motive weniger aus historischen, sondernmehr aus biographischen Zusammenhängen bezieht. Die Zeiten einer aggressiven Polemik ä la Walter Karwath - das Christentum sei im Netz der eigenen Dogmen gefangen, behindere vorurteilsfreies Denken, verabsolutiere willkürlich nur bestimmte Verhaltensweisen als moralisch, sei ein Anzug, dem der Abendländer entwachsen sei (vgl. den Artikel „Buddhismus und Christentum" in der buddhistischen Zeitschrift „Bodhi Baum" 1977, 2/3 Seiten 109-111, der selbst buddhistischerseitsj Widerspruch hervorrief) - sind vergangen, der Ton hat sich geändert. Was ge-, blieben ist, ist die (durchaus verständig che) Tendenz, die eigene Botschaft als die überlegene und zeitgemäßere dar-[ zustellen. Dies geschieht etwa im „Bodhi Baum"-Nachfolgeorgan „Ursache &„ Wirkung", wo 1996 im Artikel „CyberJ sangha" die Medienpräsenz beider Re-: ligionen verglichen wird und darauf folgende Zuordnung getroffen wird;: Das Christentum entspreche dem Femsehen (zentraler Sender, verkündend, offenbaren), der Buddhismus hingegen dem Internet (kein Zentrum, aktiv gestaltend, erfahren).
Wie sieht nun die christliche Darstellung von Islam und Buddhismus aus? Hinsichtlich des Islam sei darauf verwiesen, daß eine 1995 erschienene,) Studie (S. Heine, Hg., Islam zwischen., Selbstbild und Klischee. Eine Religion im österreichischen Schulbuch) als wertvolles Zeichen selbstkritischer,, Einsicht im Dienste des Dialogs gesehen werden kann - auch wenn sie un-j übersehbare Schwächen aufweist. Frei-, lieh sind alte Vorurteile immer noch; wirkmächtig. Dies zeigt hinsichtlich des Buddhismus etwa dessen Charak-; terisierung als negative Religion in, Papst Johannes Paul II. Buch „Diarf Schwelle der Hoffnung überschreiten' (Hamburg 1994, Seiten 112-118).
Im Blick auf alle nichtchristlichenj Religionen muß gesagt werden, daß; gerade die theologische Ausbildung diese wichtige Aufgabe noch weitgehend ignoriert, indem die Studienpläne entsprechende Lehrveranstaltungen nur ganz am Bande oder gar nicht vorsehen. Ebenso muß der Umstand, daß die religionswissenschaftlichen freiwilligen Angebote zum Großteil von Hörerinnen und Hörern anderer: Fakultäten besucht werden, ambivalent gedeutet werden. Immerhin hat die Osterreichische Bischofskonferenx die Bedeutung dieser Thematik insoweit erkannt, als sie 1989 die Kontaktstelle für Weltreligionen rief (siehe Seite 16). In dem Maße, als solche und ähnliche Aktivitäten von allen Gläubigen, Christen und NichtChristen, getragen werden, kann der interreh-giöse Dialog Erfahrungen eröffnen,, die das Zusammenleben schöner und die eigene Identität tiefer machen.
Der Autor ist Assistent am Institut für Religion Wissenschaft der Katholisch - theolop sehen Fakultät in Wien und Mitarbeiter der „Kontaktstellefiir H'eUreügionen der Österreichischen Bischoßkonfererps
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