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Schnitzler, Sartre, Schiller

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Wenn man an die Aufführungen an Wiens Bühnen in etwa einem Jahrfünft erinnert, dann bleiben einige wenige wirklich haften: sind Gegenwart, unvergeßlich. Eine solche Aufführung wird uns eben jetzt im Akademietheater beschert: Ernst Lothar inszeniert großartig „D as weite Land" von Arthur Schnitzler. Wer in Oesterreich und darüber hinaus noch einmal eine spezifische, einmalige Weltsphäre, eben diese altösterreichische Gesellschaft vor dem ersten Weltkrieg, sehen will, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Diese Aufführung besitzt geschichtlichen Wert. Mehr als in Dutzenden von Büchern fst hier enthalten: die Lebensform, das nur existentiell mitteilbare Fluidum einer Gesellschaft von Menschen, die noch das Unmenschliche, das Brutale, den härtesten Egoismus in einer Weise darzuleben vermochten, daß der Dichter durch sie ergriffen wurde. Der Inhalt dieses Dramas ist düster, mitleidlos, von jener Härte, die im „weichen“ Oesterreicher steckt und die nicht selten das Entsetzen fremder, freundlicher Besucher erregt, wenn sie wahrgenommen wird. Es ist besser, diese bösen Geschichten aus dem Wienerwald, aus dem Dickicht der Leidenschaften und Tücken, nicht zu erzählen: in der Schau sind sie faßbar, wirken mächtig. Als Kriminalstory sind sie unerträglich. Das Burgtheater hat für diese einmalige Aufführung. wirklich alles aufgeboten, was es an Bestem zu bieten hat. Attila Hörbiger gestaltet die Hauptperson, einen Industriellen, Herzensbrecher und Charmetir; dieser Mann fasziniert fast bis zuletzt selbst seine Feinde; ein erzgescheiter Bösewicht, der über die Maßen geliebt wird. Seine unglückliche Frau gestaltet Paula Wessely: diese „Rolle“ ist ein neuer Höhepunkt in der Laufbahn dieser großen Schauspielerin und zugleich ein Kompendium der Lebensweise einiger Generationen von Frauen zwischen 1880 und 1938. Der außerordentlichen Erscheinung dieser Wessely gesellen sich nun auf der Bühne Inge Konradi als junges, liebendes Mädchen, Adrienne Geßner als laut-hilflose Mutter, Alma Seid- ler als verlassene Frau zu: Leistungen von einem Rang und einer Art, die in dieser Weise ihresgleichen .nicht besitzen. Wenn, Tage nach der Aufführung, leuchtend die Bilder der Erinnerung hochsteigen, denkt man unwillkürlich: hier hat sich, am Vorabend von Allerseelen, eine Welt von Verstorbenen eingestellt, um die Nachfahren um Nahsicht und Nachsicht und Liebe zu bitten. Die Herren, geführt von Erich Auer und den Brüdern Thimig; verkörpern mit aller Intensität des Spiels die ihnen zugedachten, mehr statischen RplĮen.. t jedepnosers., Bühnenbild cW Ernte .tmieperts 'Kostüme . fermen den • Zauberkreis im Vo1ksthea fer ! „Das Spieli Status’’“; eine 'Filmnovelle von Sartre, wurde durch Theo von Alst und Günther Fleckenstein für die Bühne eingerichtet. Sehr glücklich hat der .Regisseur Gustav Manker. prächtig unterstützt durch die Traumbilder und Montagen des Bühnenbildners Georg Schmid, dieses Spiel in der Schwebung erhalten, die es will und fordert: wie könnte es auch anders sein bei einem Spiel, in dem mitten zwischen den Lebenden die Toten schreiten, wunderschöne Tote, die in einem Zwischenreich leben, zu dem Madame B. (Dorothea Neff) in einem alten Büro die Papiere ausstellt? Sartre benützt die seit alters her beliebte Verknüpfung von Lebenden und Toten auf der Bühne, um wirksame Modelle für seine Philosophie zu gewinnen: er läßt da also zwei Menschen, die eben gestorben sind, für einen Tag ins Leben zurückkehren. Pierre und Eve scheitern auch in dieser letzten Probe, wie alle Menschen scheitern, und versagen. Eben in diesem Scheitern erfüllt sich aber das Leben des Menschen. Gerade an diesem „leichten" Spiel wird Klar erkennbar, 'wie töricht es ist, Sartre als einen „Nihilisten" abstempeln zu wollen, ihn und etwa auch Camus. Sartre sagt Ja zu eben diesem „absurden“ Leben. Dieses Ja des Jean Paul Sartre, eines Mannes, der doch allerlei Lügen, Verdeckungen und Selbstentfremdungen unserer Zeitgenossen durchschaut, ist beachtenswerter als so manche rosigen oder dunkelfarbigen Nein und Ja der neuromantischen Zeitkritiker und Philosophen unserer Tage. -Sartres Spiel vermag mehr zu geben als es „enthält“. Eben dies ist in ihm selbst angelegt. Von den Spielern sind vorzüglich zu nennen: Paul Trimbur als Pierre, Traute Wassler als Eve, Aladar Kunrad als ihr Gatte (von beklemmender Echtheit, repräsentativ für eine Clique, die gestern oben war, heute oben ist und morgen oben bleiben wird in vielen Ländern, die sich von ihren Henkern nicht zu befreien vermögen), Viktor Gschmeidler als Revolutionär und, nicht zuletzt, Kurt Sowinetz als buckliger Führer der Toten.

Wallenstein I und II im B u r g t h e a t e r, in der Neuinszenierung durch Leopold Lindtberg, wirken stark nach; „Wallensteins Tod“ wurde also mit Spannung, erwartet. Eine Epttäuschung. Hier fehlt alles Hintergründige, das Wehen und Wirken der großen Mächte, verkörpert im Schicksal dieses unheimlichen Mannes, Wallenstein. Der Kontrast zwischen dem, was erwartet, und dem, was da hell und grell als Spektakel auf der Bühne geriert wird, wird peinlich den ganzen langen Abend durch das Bühnenbild wachgehalten. Da schweben sie’ nämlich, dunkel und drohend und verführerisch gleißend, hoch in der Luft des gewitterschwangeren Himmels: die Sternbilder der Planeten, hoch über der Bühne. Diesen „Mächten" entsprechen zwei Personen: Albin Skoda als Butler und Hilde Krahl als Gräfin Terzky. Ewald Balser als Wallenstein ist dieses Mal ein GiscfiäfraÄSin, : ftän ein großes fefd''zw it ifiläfte’ä Geschäft danebenJerSt'.' Erwähninsü'erbP 'Hermähn Thimig als Gordon. Das Liebespaar, Walther Reyer und Aglaja Schmid, kämpft zwischen Schatten um Licht, Liebe. Geltung. Vergebens. Von diesem Paar kann die Aufführung nicht leben. Woher kommt es, daß auch alle Schwächen Schillers in dieser rhetorisch-leeren Aufführung so stark ins Licht treten?

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