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Hugo Loetschers leidenschaftliche Hinführung zur Schweizer Literatur.

Es ist immer ein Gewinn, die Bücher Hugo Loetschers zu lesen. Denn der Schweizer Schriftsteller, wie Walter Kempowski, Heiner Müller und Christa Wolf im Jahre 1929 geboren, ist nicht nur ein raffinierter Stilist und ein blendender Erzähler, er besitzt zudem viele verschiedene Talente.

Loetscher, ein gleichermaßen politisch wie literarisch gebildeter Autor, studierte Ende der vierziger Jahre in Paris und Neapel Wirtschaftsgeschichte, Soziologie und Politologie und war einige Jahre Literaturredakteur der renommierten Schweizer Kultur-Zeitschrift "Du". Ende der sechziger Jahre avancierte er in die Chefredaktion der "Weltwoche", und bestimmte maßgeblich ihre Geschicke, zu einer Zeit, da sie noch eine lesbare Zeitung war. Dass - nur ein Beispiel - der damals junge Journalist Niklaus Meienberg regelmäßig für diese Wochenzeitung schreiben konnte, ist nur einer von vielen Verdiensten Loetschers.

Meister der Recherche

Geschichtsdarstellung, wissenschaftliche Recherche und Journalismus sind ihm keine FremdGegenstände, und da er mehrere Male Lateinamerika, insbesondere Brasilien, bereist hat, kann er auch beeindruckende Reise-Reportagen aus dieser Welt anbieten, wie er ebenso phantastische Tierfabeln zu erfinden, Essays und Theaterstücke zu schreiben weiß. Und in der Dezember-Nummer der Münchner Literaturzeitschrift "Akzente" veröffentlichte der Autor erstmals eigene Lyrik.

In der Schweiz wird er aber vor allem als Romancier geschätzt, der wohl bekannteste Roman "Der Immune" erschien 1975.

Nun hat Loetscher, der bis zu deren Tod immer im Schatten der beiden großen Figuren der Schweizer Literatur, Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt, gestanden hatte, im Diogenes-Verlag ein neues Buch herausgebracht, das schon auf seinen 75. Geburtstag am 22. Dezember 2004 vorbereiten soll. Und das ist Autor und Verlag glänzend gelungen - man merkt, der Schatten ist weg.

Lesegenuss

Auch wer Loetscher noch nicht kennt, aber eine gewisse Neigung zur Schweiz und ihrer bemerkenswerten Literatur empfindet, wird Freude an diesem Band haben. Und etwa dem unglaublichen Bericht über die grotesken Zeremonien folgen, die nach dem Tod Friedrich Dürrenmatts auf Geheiß seiner Witwe im Wohnhaus in NeuchaÆtel abgehalten wurden.

Oder den kühn, sprunghaft und assoziativ hingeworfenen Text "Im Helvetischen Chatroom" studieren. Hier setzt sich Loetscher unter Zuhilfenahme einiger markanter Zitate in Beziehung zu den lebenden Kollegen im Land, er skizziert nicht ohne Polemik sein schwieriges Verhältnis zu Adolf Muschg oder Thomas Hürlimann, gibt seine Abneigung gegen das schweizerische Ghetto der "Literatur schreibender Frauen" zu erkennen oder erinnert voller Sympathie die gemeinsamen Wege mit Niklaus Meienberg im Paris von 1968.

Dabei reflektiert er wie nebenbei die Rolle des Intellektuellen in der Schweiz, denkt über den literarischen Schweiz-Mythos der "Enge" nach und versucht das "Literarische" in der Literatur zu bestimmen.

Sehr persönlich

Loetschers neues Buch "Lesen statt klettern" hat mehr als 400 Seiten, es ist ein ganz und gar unkämpferisches Buch. Es bietet eine sehr persönliche Schweizer Literaturgeschichte in ausgewählten Porträts an, und zwar vom 18. Jahrhundert bis - ja eben bezeichnenderweise bis zu Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt.

Neben einigen älteren Aufsätzen, die in diesem Band wieder veröffentlicht werden, hat Hugo Loetscher für dieses Buch viele Texte neu geschrieben: Albrecht von Haller, Salomon Geßner, Jeremias Gotthelf, Friedrich Glauser, Max Rychner, Konrad Farner und Ludwig Hohl sind nur die bekanntesten Figuren in dieser eigenwilligen Galerie. Sie ist auch deswegen so bemerkenswert, weil sie zum Beispiel die beiden bedeutendsten französischsprachigen Autoren der Schweiz, Maurice Chappaz und Jacques Chessex, vorstellt, die hierzulande wohl keiner kennt.

Auch in diesem Sinne gilt: es ist immer ein Gewinn, die Bücher Hugo Loetschers zu lesen!

Lesen statt klettern

Aufsätze zur literarischen Schweiz von Hugo Loetscher

Diogenes Verlag, Zürich 2003

416 Seiten, geb., e 23,60

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