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Seid umschlungen, Billionen!

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74 Milliarden Dollar, das sind nahezu zwei Billionen österreichische Schilling, wird der amerikanische Steuerzahler im nächsten Jahr aufbringen müssen. Da heißt es schon dazusehen, wenn man den bisherigen, allerdings sehr hohen Lebensstandard wenigstens einigermaßen aufrechterhalten will.

Längst vorbei ist für den Homo Americanus das goldene Zeitalter, in dem es keine Einkommensteuer gab und die Bundeseinnahmen aus Zöllen und Akzisesteuern und kleineren Sonderumlagen bestanden, während die Einzelstaaten mit Grundsteuern, Erbschaftssteuern und indirekten Abgaben ihr Auslangen fanden. Dann entstiegen die Vereinigten Staaten ihrer vornehmen Isolation und erklommen unaufhaltsam den Gipfel zur Macht. Macht aber kostet Geld, und so machte die Einkommensteuer Anno 1912 dem paradiesischen Zustand, in dem nur jeder sechste Landesbewohner ein direkter Steuerzahler war und die innere Schuld (National Debt) nur 13.21 Dollar pro Kopf betrug, ein Ende. Zwei Weltkriege, die nur Pyrrhussiege ohne wirklichen Frieden brachten, ließen diese innere Schuld auf die ungeheuerliche Summe von 272 Milliarden Dollar oder 1622 Dollar pro Kopf der Bevölkerung (1957) ansteigen. Das Budget des Rechnungsjahres 1956/57 betrug rund 68 Milliarden Dollar, wies aber einen Ueberschuß von 1,7 Milliarden auf. Selbst diese Beträge waren bereits phantastisch und konnten nur durch eine ins Riesenhafte gesteigerte Produktion und das damit verbundene Anwachsen des Volksvermögens auf 324 Milliarden aufgebracht werden.

Schon ein erster Blick auf die Struktur der Bundeseinkommensteuer — die Einzelstaateh haben ihre eigene Einkommensteuer, von den 48 Staaten 31 — ergibt ein klares Bild der

Steuerhärten. Als steuerfreies Existenzminimum gilt der lächerliche Betrag von 600 Dollar pro Jahr und Kopf in der Familie. Ist der Steuerzahler mehr als 65 Jahre, kommen weitere 600 Dollar dazu, ist er blind, ebensoviel. Vom Rest seines Einkommens bis zu 2000 Dollar bezahlt er die noch erträgliche Steuerquote von 20 Prozent. Beträgt sein Einkommen jedoch mehr als 2000 Dollar, so schnellt die Steuer auf 400 Dollar plus 22 Prozent des Betrages über 2000 Dollar hinauf. Von da ab geht es mit raketenartiger Geschwindigkeit in steile Höhen. Ist der Amerikaner auf der Höhe des . finanziellen Erfolges angelangt und bezieht etwa ein Jahresgehalt von 220.000 Dollar (keine Seltenheit), so bezahlt er zunächst einmal 156.820 Dollar plus 91 Prozent des Betrages über 200.000 Dollar! Aus dem verbleibenden Rest beißt ihm noch die Regierung seines Staates ein Stück Geld heraus, und es ist Tatsache, daß so mancher vielbeneidete Großmogul des Erwerbs sieben bis acht Monate im Jahr praktisch für Bund und Staat arbeitet. Allerdings, zu einem ganz angenehmen Leben bleibt ihm immerhin noch genug übrig.

Für den ganz kleinen Steuerzahler, der mit etwa 65 oder 70 Dollar Wochenlohn Frau und Kind ernähren muß, fällt natürlich ein Steuerabzug zwischen 5 und 6 Dollar plus 2,25 Prozent für Alterspenion auch schon ins Gewicht. Der hohe Lebensstandard, der angeblich auch beim kleinen Arbeiter zutrifft, täuscht also, denn die Lebenskosten sind ziemlich hoch, so daß Rücklagen für Notfälle nur schwer zu machen sind und Verschuldung keine Seltenheit ist.

Mit der Einkommensteuer ist es jedoch keineswegs getan, denn an sie schließen sich in buntem Reigen die Akzisesteuern, drüben sehr

treffend „nuisance taxes“, also Unfugsteuern, genannt. Sie fangen bei Lippenstift und Puder an, gehen über Kinokarten (ein Cent Steuer pro zehn Cent Eintrittsgebühr) bis zu den Nobelpelzen der Filmstars. Sie erstrecken sich natürlich auf Benzin, Motoröl, Heizöl und tausend andere Dinge des täglichen Bedarfs. Damit ist aber das Lamm Steuerzahler noch lange nicht bis auf die Haut geschoren, und es bleibt noch genug übrig, um dem Staat, dem Kreis und der Gemeinde Gelegenheit zu geben, die Schur fortzusetzen. Am deutlichsten illustriert diese Schur die Zigarettensteuer. Ein Päckchen „Chesterfield“, „Camel“ oder eine andere Marke kostet im Großhandel zehn Cent. An Tabaksteuer hebt der Bund acht Cent ein, der jeweilige Staat legt noch einmal zwei bis drei Cent Steuer darauf, so daß im Kleinverkauf das Päckchen auf 22 bis 25 Cent zu stehen kommt. Ganz findige Steuerstatistiker haben errechnet, daß der Amerikaner alljährlich 3 5 bis 40 Prozent seines Bruttoeinkommens dem Steuermoloch zu opfern hat. Kein Wunder, daß ganz Amerika in der Vorsputnik-zeit laut nach Steuerermäßigungen rief. Dieser Ruf muß jetzt ungehört bleiben ...

Die zweite große Gruppe der Steuerträger besteht aus den Geschäftsunternehmungen, die „Korporationssteuern“ bezahlen. Mehr als vier Millionen solcher Steuerzahler gibt es, die im Jahre 1956 einen Bruttoprofit von 42,5 Milliarden Dollar auswiesen. Dann kamen die Steuereinnehmer und schöpften im Rahmen dieser Steuer, die nichts anderes als eine Körperschaftssteuer ist, rund 21,5 Milliarden Dollar ab. Aber wehe dem Aktionär dieser

Industrien und Geschäfte I Die Einkommensteuer zwickt ihm etwas von seiner Dividende ab, die bereits- einmal von der Köipetsjahflltsstetier erwischt worden ist. Wie man sieht; sind; die Nettoprofite der „imperialistischen Kriegshetzer“ nicht so fett, wie sie manchmal hin- gestellt werden.

Am empfindlichsten aber trifft die große Masse der Steuerzahler die sogenannte „sales tax“, eine Art Umsatzsteuer, die als Verkaufssteuer oder Verkaufsprivilegsteuer maskiert ist. Sie wird von den meisten Unionsstaaten eingehoben und schwankt zwischen 1 und 3,5 Prozent. Sie ist vom Konsumenten sofort zu entrichten, wobei der Verkäufer nach berühmten Mustern als unbesoldeter Steuereinnehmer fungiert. Beträge unterhalb zehn' Cent sind steuerfrei, besteuert wird jedoch alles, vom Laib Brot angefangen bis zum Damenkleid oder Herrenanzug. Man zahlt centweise und — schimpft.

Man schimpft, aber man zahlt, pünktlicher und ehrlicher, als man es annehmen sollte. Zunächst sieht man in den Steuern trotz allen Geschimpfes eine unumgängliche Notwendigkeit, ja einen Preis für die persönliche Freiheit. Ferner sind Steuerschikanen, über die sich die europäischen Zahler so oft beklagen, in den USA sehr seltene Ereignisse. Mit den Steuerbehörden läßt sich reden, und es kommt kaum jemals vor, daß ein Geschäftsmann durch Steuerrückstände in den Ruin getrieben wird. Steuerhinterziehungen dagegen ' werden mit eiserner Strenge geahndet; je nach dem Grade der Böswilligkeit und der Höhe der Summe verhängen die Gerichte Strafen zwischen zwei und zehn Jahren Zuchthaus, zu denen noch eine saftige Geldstrafe kommt, die im Nichtein-bringungsfalle abzusitzen ist. Den Steuerbehörden selbst stehen keinerlei Strafbefugnisse zu, denn „niemand kann seinem ordentlichen Richter entzogen werden“. Dagegen sind sie dem Steuerzahler in jeder Weise behilflich. Zur Zeit der Einreichung der Steuererklärungen stellen die Aemter Beamte zur Verfügung, die den Steuerzahler beraten, ihm Steuervorteile klarmachen und sehr oft sogar seine Steuererklärung ordnungsgemäß ausfüllen.

Und so wird der Steuerzahler der USA auch die 75 Milliarden Dollar aufbringen, seufzend zwar, aber erkennend, daß auch die schwerste Steuerlast immer noch tragbarer ist als etwa ein dritter Weltkrieg. Er wird dafür, daß seine Kinder und Kindeskinder sich der Freiheit erfreuen und auch in der Zukunft frei atmen können, die geforderten Milliarden aufbringen, erarbeiten, herbeizaubern.

Deutlich wird dieses Bemühen etwa in einem Band, den eben die slowakische Akademie der Wissenschaften über die Wechselbeziehungen zwischen Slowaken und Tschechen herausgab und der neben 12 Beiträgen tschechischer 16 slowakische Autoren enthält. Abgesehen davon, daß manche Kapitel des Werkes auch für Oesterreich interessant sind (etwa die Einschätzung eines Leo Thun oder der Bachschen Aera für die Slowakei), verurteilen die Autoren, die nur „von unseren beiden Völkern“ sprechen, die Theorie von der „Einheit des tschechoslowakischen Volkes“ und des „Tschechoslowakis-mus“, sie wenden sich scharf gegen die Deklaration von St. Martin am Turz vom 30. Oktober 1918 („das slowakische Volk ist ein Teil des sprachlich und historisch einheitlichen tschechoslowakischen Volkes“); mit größter Schärfe wird schließlich über die Zeit von 1918 bis 1938 („tschechischer Imperialismus in der Slowakei“, „Kolonisationsmethoden der Tschechen“) gesprochen. Natürlich ist auch hier die Entwicklung im Fluß; ein Aufeinanderprallen der Gegensätze wird abgelöst von Bemühungen um einen Ausgleich oder zur Verminderung der Gegensätze.

Auch immer neue Probleme beeinflussen diese Entwicklung, etwa die wesentlich höhere Geburtenfreudigkeit der Slowaken, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung bereits 28 Pro-

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