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Digital In Arbeit

„Selbst die Manager riechen, daß sich die Dinge verändern”

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DIEFURCHE: Arbeit ist in unse-| rem Zeitalter, un Industne-zeitalter, in eine Krise gekommen Was ist Arbeit und wo liegt der Grund der Krise? Matthew Fox: Arbeit ist ihrem Wesen nach die Art und Weise, wie Menschen die Begabung, die ihnen geschenkt ist, an die Gemeinschaft zurückgeben. Es ist ein Ausdruck unserer Gabe und der Dankbarkeit dafür, daß wir ein Teil der Gemeinschaft sind. Die Dimension, die der Arbeit in unserer industriellen Gesellschaft fehlt, ist die Freude. Dies ist ein Angelpunkt der traditionellen Arbeit. Das Tao te king, das heilige Buch der Chinesen, sagt: In der Arbeit lebe deine Freude. Und ich denke, die praktischste Frage, die ich Menschen über ihre Arbeit stellen kann, ist: wie bringt deine Arbeit anderen Freude, wie bringt deine Arbeit dir selbst Freude.

DIEFURCHE: Ist Arbeit für Sie Lohnarbeit^ Oder fällt auch kreatives Tun unter Arbeit?

FOX: Ich unterscheide zwischen Job und Arbeit. Ein Job dient dazu, Geld zu verdienen, um die Rechnungen zu bezahlen. Arbeit dagegen ist ein Ausdruck unseres Herzens, ein Ausdruck unserer tiefsten Werte. Manchmal müssen wir uns während einer gewissen Zeit unseres Lebens mit einem Job zufriedengeben, aber das Ziel sollte sein, Arbeit zu finden, und hoffentlich - im Idealfall - auch für diese Arbeit bezahlt zu werden, dafür, daß wir unsere tiefsten Werte und unsere tiefste Liebe, für das ausdrücken, was wir wertschätzen.

DIEFURCHE: Das ist allerdings der seltene Idealfall Wie müßte eine Tätigkeit beschaffen sein, um wirklich Arbeit - und nicht bloß ein Job - zu sein? FOX: In Amerika hat eine Studie gezeigt, daß 75 Prozent aller amerikanischen Werktätigen nicht mit ihrer Arbeit glücklich sind. Die Spitzenzeit für Herzattacken liegt in den Vereinigten Staaten montags zwischen acht und neun Uhr morgens. Das sagt einiges über die Liebe zur Arbeit und über die

Reaktion des Körpers auf die Arbeit. Ich glaube, ein Grund, warum Men sehen durch ihre Arbeit so sehr Ver letzt werden, ist, daß ihre Seelen viel zu groß für diesen Job sind. Wir müssen beginnen, mehr aus unserer Arbeitszeit zu machen, sodaß unsere Seelen bei der Arbeit erfüllter sind.

DIEFURCHE: Es müßte also eine Rückkehr der Seele geben?,

Fox: Ich denke, daß unsere Kosmologie sich heute wandelt. Die Kosmologie, die in den letzten 400 Jahren gegolten hat, hat uns gelehrt, daß wir in einem Universum leben, das wie eine Maschine funktioniert. Das hat es den Arbeitgebern erlaubt, die Arbeitnehmer wie Rädchen in einer Maschine zu be-Brauchen wir eine Revolution der Arbeit?

Ausführlicher hören können Sie Matthew Fox über sein neues Buch „Revolution der Arbeit” am Samstag, 13. Juli, in LOGOS, Öl, 19.05 bis 19.30 Uhr. handeln. Und das funktioniert nicht mehr. Man kann das an der jüngeren Generation sehen, aber es funktioniert nirgends. Es ist einfach nicht die Art, wie Menschen über die Welt denken. Die neue Kosmologie sieht die Welt nicht mehr als Maschine, sondern als einen unendlich großen Organismus, als ein wachsendes Wesen, das vor 15 Millionen Jahren begonnen hat, kleiner als ein Stecknadelkopf, und nun ist es eine Trillion Galaxien groß. Und unsere Arbeit sollte mit dieser Arbeit verknüpft sein, diesem Werk der Schöpfung. Das Große Werk, das ist die Entfaltung der Schöpfung. Es gibt nur eine einzige Arbeit im Universum. Und die Menschen sollten sich damit verbinden.

Aber wir haben diese Feindschaft zwischen unserer täglichen Arbeit und dem Großen Werk, das ist der

Grund, warum wir bei der Arbeit unglücklich sind und warum es Arbeits-losigkeit gibt.

DIEFURCHE: Ist so eine Sicht nicht etwas abgehoben und unrealistisch? Die Wirtschaft gehorcht doch anderen Gesetzen

FOX: Eine der Gruppen, die besonders stark auf mein Buch über Arbeit reagiert, sind Wirtschaftsleute. Denn sie sind sehr klug, und sie riechen, daß sich die Dinge ändern. Erstens nehmen viele von ihnen die ökologische Krise wahr und verleugnen sie nicht länger. Zweitens merken sie, daß vor allem die jungen Leute, die für sie arbeiten, nicht mehr dieselbe Haltung, dieselbe Hingabe für eine Firma oder Organisation haben, die frühere Generationen hatten. Und warum sollten sie - wenn diese Firmen doch zusammenpacken und den Ort wechseln, wann immer sie das wollen. Und so muß es am Arbeitsplatz eine andere Haltung geben.

DIEFURCHE: Es gibt weltweit ungefähr 800 Millionen Arbeitslose. Wo werden diese Menschen Arbeit finden? FOX: Wir brauchen Umweltarbeit, Menschen, die Bäume pflanzen, die organische Landwirtschaft betreiben, wir brauchen Menschen, die aus dem Wind und dem Sonnenlicht und dem Wasser Energie gewinnen, wir brauchen heute alle jene Arten von Arbeit, die nicht bezahlt und nicht geehrt werden. Wir müssen uns erst von der industriellen Revolution zur Umweltsrevolution bewegen. Und das heißt, wir müssen all unsere Arbeit auf eine neue Weise tun, denn niemand heute - weder die Juristen noch die Politiker oder die Banker und die Leute in der Wirtschaft, auch nicht die Theologen oder die Naturwissenschaftler - sind den wirklichen Nöten unserer Zeit verpflichtet genug. Das sind Nöte der Umwelt und die Nöte des Herzens. Die wirkliche Arbeit der Zukunft ist, das menschliche Herz zu heilen.

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