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Gert Jonkes Texte über Händel, Webern und da Ponte begeisterten die Rezensentin Sylvia M. Patsch nicht.

Der österreichische Autor Gert Jonke liebt die Musik und er versteht etwas davon. Außerdem weiß er viel über das Leben von Musikern. Ideale Voraussetzungen also, um Musik und Musiker dem Leser nahe zu bringen - durch eine unverwechselbare "musikalische" Sprache. In seinem neuesten Buch "Strandkonzert mit Brandung" sind drei Erzählungen zusammengefasst, deren Urformen nicht für das Auge geschrieben wurden, sondern für das Ohr: "Der Kopf des Georg Friedrich Händel" war das Drehbuch für den TV-Film "Händels Auferstehung"; die Novelle "Anton Weberns Tod" hat als Ausgangspunkt ebenfalls ein Drehbuch; und "Seltsame Sache", ein Melodram für Lorenzo da Ponte, wurde 2005 bei der Ruhr-Triennale aufgeführt. Jonke-Texte hören - ein überwältigendes Erlebnis. Die Sprachartistik dieses Mannes, aus dem Munde von Schauspielern und Sängern, versetzt den Hörer in einen Ausnahmezustand der Wortberauschtheit.

Gewaltige Satzbögen?

Ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, ein Mensch, der in der Buchhandlung ein schmales Buch sieht, das auf dem Umschlag die Bilder und Namen von Händel, Anton Webern und Lorenzo da Ponte zeigt, kauft sich das Buch. Er weiß nicht, dass der Autor mit vielen Preisen ausgezeichnet ist. Er hat nie ein Sprachkunstwerk von Jonke gehört. Er will lesend etwas über Händel, Webern und da Ponte erfahren. Im Händel-Text begegnet er dem Komponisten, der eben von einem Schlaganfall gefällt, düster, mutlos in die Zukunft blickt, die ihm ein anderer stehlen will, der freche John Gay, Komponist der "Beggar's Opera": "Denn zu einem bedeutenden Anteil hatte er seinen Niedergang jener Betteloper des John Gay zu verdanken, welche das Publikum stürmte, und mit der steigenden Begeisterung der Leute an jener schien das Interesse an Händel zu versiegen angesichts eines Theaters, in dem die adelige Hochnäsigkeit verkommener Grafen die Verschlagenheit heruntergekommener Gassenprostitutierter ehelichte und nebenbei auch einige seiner Melodien, klug verstümmelt zu Gassenhauern, über die Bühne geworfen wurden mit derart bewundernswert hinterhältiger Aufrichtigkeit, dass selbst er daran noch einigen kurzweiligen Gefallen zu finden vermochte." Gewaltige Satzbögen, als wolle der Autor Händels herrliche Koloraturen sprachlich nachbilden. So schreiben die Bewunderer Jonkes. Könnte es sein, dass der unbefangene Leser solche Sätze als mühsam empfindet? Ihre Komplexität als Lese-Hindernislauf?

Meister der Überwindung?

Im September 2006 erhielt Jonke den Schnitzler-Preis. Das Jury-Mitglied Franzobel schrieb in der Begründung: "Gert Jonke ist ein Meister der Überwindung, einer, der seinen Themen, Figuren und seiner Sprache nicht nachgibt, sie unerbittlich schraubt, bis ihre Überdrehtheit als Normalzustand erscheint." Wem ist mit solcher Überdrehtheit gedient? Schreiben scheint hier selbst-und wortverliebt glänzen zu wollen.

Wenn behauptet wird, Jonke bilde Musik in seinen Sätzen nach, gilt dies nicht für seinen 88 Seiten umfassenden Text über das tragische Ende des Komponisten Anton von Webern. Dieser wurde bekanntlich nach Kriegsende in Mittersill von einem amerikanischen Soldaten "irrtümlich" erschossen, als er sich in der Dunkelheit eine Zigarre anzündete, während der betrunkene Amerikaner glaubte, jemand eröffne auf ihn das Feuer.

Musik im Wort?

Weberns Musik ist gekennzeichnet von extremer Konzentration und Kürze. Jonkes Wortmonster hingegen wie "Militärgetriebewindhosenüberlandverwirbelwind-detonationssprengstoffzerstörungsfanaktiker" oder "Schweißgeruchvernebelungsbewölkungsschwaden" bringen den Leser nur zum Stolpern, während Gehässigkeiten gegen die Wiener Konzertbesucher ("Bestuhlungsabonnenten", "Trommelfellsyphilitiker") nicht von einem Musikbegeisterten zeugen, der anderen den Weg zur Musik eröffnen will, sondern von Arroganz.

Strandkonzert mit Brandung

Von Gert Jonke

Verlag Jung und Jung, Salzburg, 2006

164 Seiten, geb., e 19,50

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