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Simenon und Goetz

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Der bekannte französische Kriminalschriftsteller Georges Simenon ist ein Meister des feingesponnenen Kriminalromans. Er hat allerdings auch eine Menge von Romanen verfaßt, in denen die reine Kriminalhandlung durch die minutiöse Schilderung seelischer Konflikte der agierenden Personen stark in den Hintergrund gedrängt wird. So auch bei seinem Werk „Der Fremde im Haus“, das Pierre Rouve nun in England verfilmte. Leider stellt sich bald nach Beginn des Streifens heraus, was der Simenon-Kenner schon vorher befürchtete: Daß nämlich der Reiz der psychologisch sehr fundierten Romane durch die Verfilmung stark gemindert wird. Die Vorzüge des Films liegen vor allem in der ausgezeichneten Kameraarbeit von Ken Higgins und in der routinierten Darstellerleistung von James Mason. Leider aber bleibt vieles, was der Film ausdrücken möchte, in Ansätzen stecken. Immerhin wird hier ein interessanter Fall aufgerollt, der sich mehr auf die Schilderung der seelischen Not eines herabgewirtschafteten Staranwalts konzentriert als auf die Entlarvung eines Mörders, der sich hinter einer Maske von Scheinheiligkeit und bürgerlichem Pharisäertum verbirgt. Doch die beabsichtigte Gesellschaftskritik wirkt hölzern und oberflächlich, die Ziel- und Stilsicherheit von Filmen wie „Privilege“ und „Blow up“ fehlt dem Regisseur auf allen Linien.

In Deutschland sind Curt-Goetz-Verf ilmungen zur Zeit Sehr en vogue, und seit Kurt Hoffmanns waghalsigem Remake von „Hokuspokus“ ist auf diesem Gebiet stilistisch scheinbar alles erlaubt. Das beweist erneut die Verfilmung von Goetz' Dreiakter „Der Lügner und die Nonne“, einer zwar sehr pikanten aber ebenso poesievollen Dialogkomödie, deren heikle Situationen — zumindest im Original — immer noch mit eleganter Nonchalance serviert werden und wehmütige Erinnerungen daran wachrufen, wie unnachahmlich Curt Goetz früher oft selbst die Hauptrollen seiner Stücke interpretierte. Es war zu erwarten, daß Rolf Thiele

— auf dem Sexsektor nach wie vor Deutschlands unangefochtener Spezialist — weit weniger Wert auf Witz und Esprit der Bühenvorlage legen werde als auf duftige Sexpointen in Bild und Dialog. Die sind deutlich und eindeutig bis zur Peinlichkeit geraten. Und dies, obwohl Thiele versuchte, seinen Film auf die Ebene der Irrealität zu verlagern, indem er dem Ganzen den Anstrich einer skurillen Komödie ä la Richard Lester zu verleihen versuchte. Aber dazu gehört eben einiges mehr und

— vor allem — guter Geschmack. Wenigstens ist die zweite Hälfte des Streifens, die inhaltlich ziemlich genau mit dem zweiten Akt des Goetz-Stückes zusammenfällt, die optisch und im Dialog dezentere und geschlossenere, da man den Originaltext auf weite Strecken beibehalten hat.

Es war eine Woche der Fernsehspiele eigener und fremder Produktion, Singspiele, Schauspiele au* österreichischen und deutschen Theatern. Beginnen wir mit der österreichischen Produktion. Walter Davy zeigte ein englisches Gruselstück: „Der Mieter“. Es handelt sich — man hatte darüber auch immer wieder in den Zeitungen gelesen — wm geheimnisvolle Morde an Londoner Prostituierten. Es war ein Kriminalstück, bei dem der Täter, der geheimnisvolle Mieter, von Pin-kas Braun dargestellt, feststand. Man konnte also nur gespannt sein, wie der Mörder überführt wurde. Es gab viel englische Stimmung in dem Stück, viel Nebel und viel Regen, es gab auch englische Milieuschilderung, das Dienerehepaar, das sich nach einem Leben harter Arbeit ein eigenes Haus erwirtschaftete und nun auf die Einkünfte aus der Vermietung angewiesen war. Daß trotzdem keine echte Spannung aufkommen konnte, lag vielleicht mehr am Buch als an der Regie. Eva Zilcher bot als verbitterte, verhärmte Frau, die das geheimnisvolle Doppelleben ihres dunklen Mieters wohl ahnt, die Einnahmsquelle aus der Vermietung aber nicht verlieren will, eine hervorragende Leistung.

Das deutsche Fernsehspiel „D e r Querkop f“, auch nach einem englischen Buch gedreht, zeigte uns einen Rappelkopf von Mann, der Familie und Umwelt tyrannisiert und der dann plötzlich erkennen muß, daß er sowohl zu seiner Frau als auch zu seinen Kindern kein Verhältnis mehr hat. Das alles ist sehr oberflächlich erzählt, bietet aber Paul Dahlke Gelegenheit zu einer Paraderolle.

★

Wirklich gut amüsiert werden sich wahrscheinlich sehr viele Fernseher am Dienstag haben, als die Aufzeichnung einer schon lange zurückliegenden Aufführung des Theaters in der Josef Stadt: „Ein schöner Herbs t“, auf dem Programm stand. Aus Bruno Schuplers Komödie „Junger Herr von 40 Jahren“ hat Hans Weigel ein Lustspiel geschaffen, äas Robert Stolz musikalisch untermalte. Den jungen Herrn von 40 Jahren hat Leopold Rudolf als einen jungen Herrn von 60 Jahren gespielt, dem sein Diener (Erich Nikowitz) am Geburtstag die Amou-ren der vergangenen Zeit präsentierte. Als wienerisch-pariserische Demimondaine zog Elfriede Ott alle Register ihres mitreißenden Komödiantentums.

*

Wen es nicht stört, daß mitten in einer reizenden Komödie die Schauspieler ohne jeden sichtbaren Grund zu singen beginnen oder besser gesagt beginnen, Gesang zu mimen, der mag sich auch an dem musikalischen Spiel „Zur blauen Palette“ ergötzt haben und an dem Schicksal des armen Malers Florian, der plötzlich berühmt wurde, als es hieß, er sei gestorben. Nach langer Zeit gab's ein Wiedersehen mit der reizenden Guggi Löwinger.

+

Als Aufzeichnung aus dem Hamburger Schauspielhaus sahen wir Sonntag in einer Inszenierung von Otto Fritz Schuh J. W. von Goethes „Egmont“ mit dem Burgtheaterschauspieler Walter Reyer in der Titelrolle. Nicht nur die Freunde der klassischen Dichtung werden auf diesen Abend gewartet haben. Im österreichischen Fernsehen war unseres Wissens Goethes Egmont noch nicht zu sehen gewesen. Nach der Aufführung konnte man vielleicht auch ahnen, warum. Vielleicht ist Goethes Egmont heute besonders schwer zu spielen, vielleicht ist gerade dieses Trauerspiel dem Medium Fernsehen am wenigsten zugänglich. Die Mischung zwischen politischem Freiheitsdrama und der Romanze des Grafen mit dem Bürgerstöchterlein sagt uns kaum mehr zu. Das politische Schauspiel dominiert hier eindeutig. Die Auseinandersetzungen zwischen dem etwas sorglosen Genießer und Freiheitskämpfer Egmont und dem Herzog Alba als dem Vertreter einer eiskalten Staatsräson haben ihren gültigen Wert behalten. Die lyrischen Klärchenszenen, von Goethe vielleicht als Aufhellung der politischen Tragödie gedacht, verblassen demgegenüber. Der opernhafte Schluß kann wahrscheinlich nur in einer opern-haften Inszenierung glaubhaft gemacht werden. Im Fernsehen jedenfalls wirkte er eher peinlich.

—b

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