Soja, Sushi und Sudoku

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Ein Lexikon als Kulturgeschichte: deutsche Worte aus Japan.

Dieses Baums Blatt, der von Osten Meinem Garten anvertraut,

Gibt geheimen Sinn zu kosten, Wie's den Wissenden erbaut.

Ist es Ein lebendig Wesen,

Das sich in sich selbst getrennt? Sind es zwei, die sich erlesen

Dass man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,

Fand ich wohl den rechten Sinn: Fühlst du nicht an meinen Liedern, Dass ich Eins und doppelt bin?

In Goethes Gedicht "Gingo Biloba" ist die Rede von einem Gingko-Blatt, das zum Symbol wird für die eigene Gespaltenheit und gleichzeitige Einheit. Im "Kleinen Lexikon deutscher Wörter japanischer Herkunft" findet sich folgender Eintrag: "Der Gingko ist botanisch eine Besonderheit, weil er eine Art Zwischenglied zwischen Nadel- und Laubgehölzen bildet." Vielleicht kannte Goethe nur ein einziges japanisches Wort: Gingko.

Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts drangen jene rund 500 Wörter aus Japan in die deutsche Sprache ein, die das kleine Lexikon erklärt. Das Buch wird unversehens zu einer Kulturgeschichte, die erst 1853 beginnt. Denn zwischen 1600 und 1853 hatte sich Japan weitgehend gegen ausländische Einflüsse abgeschottet. 500 Wörter, eine geringe Zahl: Der deutsche Wortschatz wird auf 500.000 Vokabeln geschätzt, der Fremdwortanteil auf ca. 100.000. Weit über 100 verschiedene Sprachen haben laut Fremdwörterduden das Deutsche bereichert; mit nur 0,3 Prozent steht das Japanische weit unten in dieser Liste. Doch haben diese Wörter eine interessante Besonderheit. Sie kamen, bis auf wenige Ausnahmen, auf direktem Weg vom Japanischen ins Deutsche.

Futon und Manga

Sie essen zum Frühstück eine Kaki, sitzen dabei auf Ihrem Futon-Sofa und lösen nachher ein Sudoku-Rätsel, während sich ihre Kinder an der Comicfigur Pokemon ergötzen, mit ihrem Tamagotchi spielen oder Mangas (Comics, auch für Erwachsene) verschlingen; mittags gehen Sie in eine Sushi-Bar; Sie schauen sich im Fernsehen einen Sumo-Ringkampf an und kaufen sich gegen die Wechselbeschwerden im Reformhaus ein Soja-Produkt. Vielleicht ist Ihnen abends nach einem Nachtlokal mit Karaoke (Playback-Version bekannter Schlager, dazu können Gäste in ein Mikrophon singen) zumute oder Sie vertiefen sich zur Beruhigung der Nerven in ein Buch über Zenbuddhismus. Oder vielleicht lieber in einen Krimi, in dem ein Tycoon durch Harakiri (Bauchaufschlitzen) seiner Lebens-Schande ein Ende macht. Japanische Wörter zuhauf!

Karate und Tsunami

Die Sachen waren zuerst da, dann kamen die Wörter. Der größte Anteil japanischer Wörter stammt aus den Bereichen Religion, Sport und Speisen. Bis 2004 war das bekannteste japanische Wort im Deutschen "Karate". Seit der verheerenden Flutwelle vom Dezember 2004 ist es von der Spitzenposition verdrängt worden durch "Tsunami".

Interessant sind auch jene - wenigen - Wörter, die nicht direkt ins Deutsche übernommen wurden wie "Bonze" und "Tycoon", die zuvor im Portugiesischen bzw. im amerikanischen Englisch beheimatet waren. "Bonze", im Japanischen "bozu", bedeutet buddhistischer Mönch. Es hat sich aus seinem religiösen Umfeld gelöst, bezeichnet bei uns einen Funktionär oder einen Menschen, der seine Macht missbraucht. "Tycoon" hieß in Japan der "Shogun", der weltliche Herrscher. In den USA nennt man mächtige Wirtschaftsbosse Tycoons; von dort kam die Spezies und die Bezeichnung auch zu uns.

Im Japanischen gibt es kein grammatisches Geschlecht. Die japanischen Substantive schwanken daher im Deutschen zwischen der/die/das. Heißt es der oder das Manga? Nichts Genaues weiß man nicht. Das Japanische kommt, erstaunlich, ohne Plural aus. Wie soll man aber im Deutschen sagen: 47 Samurai machten Harakiri - oder machten 47 Samurais 47 Harakiris?

Japan, meinen die beiden Autorinnen, werde in unserer Sprache gegenwärtig bleiben, doch nicht mehr viele neue Wörter liefern. Der Reiz der Geishas sei am Verblassen, das Wirtschaftswunder hat nachgelassen.

KLEINES LEXIKON DEUTSCHER WÖRTER JAPANISCHER HERKUNFT

Von Barbara Haschke und Gothild Thomas. C. H. Beck, München 2008

181 Seiten, brosch., € 12,80

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