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SOS ruft…

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Im Weihnachtsmonat herrschte eine Gebefreudigkeit wie noch nie. Bis zu dreißig Pakete brachte die Post manchen Tag. Ungezählte Helfer kamen in die Herrengasse, um Geld, Textilien und Lebensmittel abzugeben. Ganze Schulklassen besuchten die SOS-Gemeinschaft und brachten ihre Gaben. In Kärnten und Vorarlberg wurde genau so wie in Wien, in vielen Schulen gesammelt. Auch einige Firmen haben kräftig geholfen. Hunderte von Briefen mit Geldspenden sind wieder eingelangt, von kleinsten Opfergroschen bis zu hohen Summen. Ein Brief enthielt zehn Tausend- Schilling-Noten. Der unbekannte Spender schrieb, mit diesem Betrage sei ihm einmal geholfen worden und er wünsche nur, der Empfänger des Geldes müge den Betrag ebenfalls wieder weitergeben, sobald er dazu in der Lage set So konnte SOS vor Weihnachten in mehreren hundert Fällen gründliche Hilfe vermitteln, die Not lindern und Freude bereiten. Insgesamt sind in diesem letzten Monat des alten Jahres rund 1000 zum Teil sehr umfangreiche und wertvolle Sachspenden «und 199.365.75 Schilling in Geld eingegangen. Die SOS- Gemeinschaft hofft, im neuen Jahre wieder neue Freunde und Helfer zu gewinnen und ruft allen Lesern zu: „Tut etwasT

SOS-Rufe

SOS 789: 45Jährige Flüchtlingsfrau, deren Mann 1949 starb, steht mit ihrem 13jäh- rigen Kind ohne Jedes Einkommen da. Da der Mann noch nicht fünf Jahre in Österreich gearbeitet hat, erhält sie keine Rente nach ihm. Sie ist gesundheitlich derart geschwächt, daß sie jetzt nicht arbeitsfähig ist. Die 13jährige Tochter 1st unterernährt und tuberkulosegefährdet. Sie wohnen in einem Lager der Gemeinde Wien zu elft in einem Raum. Wir bitten um Frauenkleidung (Größe 2), um Mädchenkleidung, Lebensmittel und Geldspenden.

SOS 790: Ein Arzt. Im Kriege kamen viele zu ihm, auch solche, denen er nicht hätte helfen dürfen. Obwohl selbst gefährdet, hat er Immer wieder alles getan, um zu retten, zu helfen. Er verlor seine Wohnung und die Ordination. Dieser Schlag hat ihn furchtbar getroffen. Erspartes war rasch aufgezehrt. Seine Frau wurde schwer krank. Seit zwei Jahren schon lebt er mit ihr in einem finsteren Kabinett in Untermiete. In den Fensterscheiben hängt Pappe. Sie schlafen in einem Bett, haben zwei alte Sofakissen für den Kopf und eine Plüschdecke zum Zudecken. Ihr gesamtes Geschirr steht auf einem Küchensessel. Sie 1 leben von einer Gabe der Ärztekammer. Wir bitten um finanzielle Hilfe, damit seine Frau eine kleine Erholung antreten kann, um Bettzeug, Bettwäsche und ein besseres Untermietzimmer. Das Ehepaar ist sehr ruhig und von rührender Bescheidenheit. Vom SOS-Ruf wissen sie nichts.

SOS 791: 53jäbrige Frau, schwer lungenkrank, lebt allein von einer minimalen Unterstützung der ungarischen Caritas in Salzburg. Sie ist laut ärztlichem Gutachten völlig arbeitsunfähig. Als Flüchtling hat sie alles verloren. Vor wenigen Wochen wurde sie verständigt, daß die Unterstützung infolge allgemeinen Geldmangels eingestellt werden muß. Sie hat alle Zähne verloren und wurde dadurch auch schwer magenleidend. Wir bitten um finanzielle Hilfe für die Zahnprothese und für Medikamente sowie um Lebensmittelspenden.

SOS 793: 66jähriger alleinstehender Mann, ehemaliger Offizier, 1st bei einem Kriegseinsatz in Norwegen schwer verunglückt. Er 1st am rechten Auge erblindet, am linken hat er grünen Star und Verwachsungen. Er war Kreisamtsleiter des NS-Kriegsopferverbandes. Nach seiner Heimkehr wurde er nach dem Kriegsverbrechergesetz verurteilt. Vor drei Monaten ist er aus der Haft entlassen worden. Vor dem Krieg war er durch 32 Jahre Bäckermeister. Er hat durch Bombeneinwirkung alles verloren. Der Rentenantrag ist bereits gestellt, doch dauert die Erledigung längere Zeit. Der Mann wohnt inzwischen in einem Obdachlosenheim. Wir bitten um finanzielle Überbrückung für die Zeit, da er ohne jedes Einkommen ist

Alle Hilfe nicht an die Redaktion des Blattes, sondern direkt an SOS-Gemeinschaft für Soforthilfe, Wien I, Herrengasse 14 1. Tel. U 20 416. Postscheckkonto: SOS 94.206. Erlagscheine werden auf Wunsch zugeschickt Wir bitten auch um Spesenbeiträge.

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