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Stiller Advent an kleinen Bühnen

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Still und doch nicht langweilig, besinnlich und doch nicht sentimental geht es am Theater im Zentrum zu, wenn Andrė Obeys Weihnachtsspiel ,.U m Mitternacht" (übrigens fast immer vor ehrlich ausverkauftem Haus) aufgeführt wird. Das liegt nicht zuletzt am Stück selbst, das eine weitere Perspektive erkennen läßt, als sie die vordergründige Handlung auf den ersten Blick zu bieten scheint. Die von der Mißgunst und Herzenskälte der Umwelt bedrohte Laienaufführung eines Krippenspiels, das sich am Ende auf das stille Atmen und Hauchen von Ochs und Esel beschränken muß, verlegt Obey nicht ohne tieferen Sinn in das England der Wende zum 16. Jahrhundert, in die geistig-gesellschaftliche Entstehungswelt dessen, was wir einst den „modernen“ Geist nannten. Das Wort, das spöttische, drohende, lockende, zerstörende Wort gehört denen, die es zu manipulieren wissen. Dem Gebet der Gottverbundenheit bleibt das Stammeln, und schließlich nur noch das ergriffene Schweigen. Fritz Peter Buch hat das sehr eindrucksvoll und ohne jeden falschen Ton inszeniert; daß die Szenen des Laienspiels für Berufsschauspieler am schwersten zu bewältigen sind, mußte auch er mit seinen Darstellern erfahren. Unter ihnen war Ernst Gegenbauer am intensivsten, Karl Augustin charakterisierte das Zwielicht der Nachtwächterfigur sehr nuancenreich. Elfi Lutz macht die Maria und die Magdalena ihrer Gestalt glaubhaft.

Von eigenartigem, wenn auch weniger dra matischem als stimmungsmäßig epischem Reiz ist die im Theater der Courage uraufgeführte Komödie „R e g e n z a u b e r“ von Lida W i n i e w i c z. Auch dieser Text schließt mehr an Hintersinn ein, als er beim flüchtigen Anhören preisgibt. Er erweckt den Wunsch, gelesen zu werden. (Und das kommt bei heutigen Stücken nur sehr selten vor.) Die Autorin macht das, was erfahrene Psychologen und sogar Psychiater bestätigen, zum Stoff eines kleinen Lehrstücks: die unterbewußte Sehnsucht des widerstandslos und in genormtem Genuß lebenden amerikanischer. Konsumbürgers nach den harten Jahren der verklärt gesehenen Pionierzeit. Als noch Frauengefühl und Manneswort galten, als die Dinge so genannt wurden, wie sie eben waren. Der heilende Traum, der durch den nur halb ernst genommenen Hokuspokus des indianischen Regenzaubers hervorgerufen wird, bewirkt zwar kein Anderswerden, zumindest aber ein Anderssehen der heutigen Dinge. Was dieses Stück gebraucht hätte, wäre ungemein dichte Atmosphäre gewesen. Hans Hollmanns Regie schafft sie nur teilweise, das witzig gewandelte Bühnenbild (Otto Reihs) schon eher. Von den Schauspielern waren Rudolf Rösner und die sehr akzentuiert spielende Gertrud Ramlo als Standardehepaar am besten, Christa Irrall hatte die nötige Mischung von echtem und affektiertem Gefühl. Stella Kadmon machte eine betulich-besorgte Klatschtante zu einem des Nachdenkens werten Symbol.

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