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Digital In Arbeit

Stimmen aus vier Kontinenten

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üs ist schon einige Monate her, daß die „Furche“ unter dem Titel „Ihre Meinung, lieber Leser!“ die große Familie ihrer Leser zur Mitarbeit am Blatte aufgerufen hat. In der Zwischenzeit mag mancher unserer Freunde, neugieriger noch: mancher Einsender nach dem Ergebnis dieser Umschau im Hause gefragt haben. Daß wir erst heute antworten, hat seinen Grund. Von Florenz und Kairo, Manila und dem brasilianischen Urwald ging's ja noch; in wenigen Wochen reisten Fragen und Antworten hin und her. Von St. Pölten aber und der Wiener Vorstadt in die Strozztgasse zog sich der Weg. Ganze Standes- und Interessentengruppen diskutierten unsere Fragen — erst vor kurzem lief von elf Mittelschullehrern in Südtirol eine ausführliche Adresse ein. Und wir wollten sie ja alle hören, die Abnehmer, aber auch die „Leser“, die Wanderleser, die Zu-fallslcscri die jedes Blatt hat und. die nicht selten zu den treucsten Freunden der Zeitung werden. Nun ist es über diesem Erwarten und Sichten Herbst geworden, „die Blätter fallen“ in den heftigen Takt des wiederbelebten großen Welt- und Alltagsgeschehens, die Menschen arbeiten, lernen, mühen und sorgen ich und — lesen wieder! Ist das nicht der Augenblick zur fälligen Aussprache?

Da ist vor allem eines wieder sichtbar geworden: die breite soziale Leserschicht, die unser Blatt trägt. Wer da gemeint hätte, der bewußt gewählte „schwere“ Diskussions- und Wissensstoff der „Furche“ finde seinen Weg allein zu den Gelehrten von Beruf und Rang, zu Professoren und Priestern, Aerzten und Künstlern, wäre im Irrtum gewesen. Gewiß stellen sie das größere Kontingent. Daneben aber haben in sehr bestimmten und von Einsicht und Erfahrung zeugenden Meinungen ihr Recht und ihre Freude, die Meinung zu' sagen, angemeldet: eine Förstersgattin, ein Transportarbeiter, ein Holzknecht, eine Kunststickerin, mehrere Gebirgsbauern und Landarbeiter, ein Uhrmacher, ein Werkzeugmacher. Aus dieser erfreulichen Tatsache erwächst der „Furche“ die Verpflichtung, bei voller Wahrung des, anspruchsvollen Stoffes und der Würde des Stils die richtige Form der gemeinverständlichen Darstellung zu wählen, im Verwirrendstcn klar zu bleiben und das Verwickeltste einfach zu sagen — .womöglich deutsch“, meint ein Einsender etwas anzüglich, „mindestens aber deutsch neben lateinisch und französisch“. Wir haben ihn wohl verstanden ...

Diese große Reichweite unseres Wirkungskreises wird uns auch durch eine andere Erkenntnis aus der Leserbefragung bestätigt. Neben vorwärtsdrängender- Jugend will abgeklärtes Alter seine Sorgen bei uns betreut finden, ein Sozialist in glaubensloser Familien-und Berufsumgebung sucht Stütze in seinem schwierigen Ringen, ein evangelischer Vikar, der uns ausdrücklich seiner Achtung für unsere offene katholische Haltung versichert, anerkennt unseren Blick für gesamtchristliche Nöte und Forderungen, Rentner und Berufstätige, Studenten und Handwerker, Lehrer an Hoch-, Mittel- und Volksschulen suchen im Blatte die Vertretung ihrer Anliegen — und schließlich verlangt ein nicht geringer Prozentsatz von Leserinnen mit achtunggebietender Stimmstärke sein Recht. „Allen Menschen Recht getan ...“: Die „Furche“ wird bemüht sein, auch diese schwere Kunst nach menschlichen Kräften zu üben.

Anerkennung, Kritik und Anregung der Einsender erstreckten sich nahezu auf das ganze Blatt, vom Titelkopf bis zum Impressum, vom einzigen Gedanken eines Aufsatzes bis zur äußeren Form des Blattes, von SOS ruft ...“ bis zur Geschäftsanzeige.

Für Herausgeber und Redaktion bedeutete es eine wirkliche Genugtuung und eine ehrliche Freude, von den Lesern Anerkennung dafür zu hören, was seit der Gründung der „Furche“ zu ihren unverrückbaren Grundsätzen gehört.

„Es ist wunderbar“, schreibt ein politischer Funktionär, „mitten im Kleinkrieg der Gesinnungen und Parteien unserer Tage immer wieder das Versöhnliche zu hören.“ Eine Leserin: „Bewahren Sie sich Ihre Unabhängigkeit, Ihren freien Blick!“ Ein Alpenländer: „Ein Wiener Blatt, das auch uns Provinzler kennt.“ Ein Lehrer: „Ihre aufbauende Kritik am eigenen Lager.“ Ein Priester: „Unser katholisches Blatt.“ Ein Arzt: ..... von erfreulicher Sachlichkeit im Lob und im Angriff.“ Mehrere: „Gut christlich, österreichisch.“ Viele einfach nur: „Weiterarbeiten.“ Und das stand auf Postkarten mit bisweilen einem einzigen Satz und in Briefen bis zu sieben Seiten aus vier Erdteilen.

Auf die Frage: „W asleseich zuerst?“ nannte fast die Hälfte der Einsender die Rubrik „Querschnitte“. Ein Drittel pflegt nach der Aussage den Leitaufsatz zuerst zu lesen. Auf das übrige Drittel fallen, nur mit geringen Abweichungen sich überschneidend: die Beilage „Der Krystall“, die Rubriken „Von neuen Büchern“ und „Randbemerkungen“, das Thema „Religion“, die Rubriken „Notizen“ und „Im Streiflicht“, das Thema „Sozialpolitik“ und das Kunstreferat. Dabei schreibt uns allerdings ein Leser: „Zuerst? Was ich zuerst lese? Wenn ich anfange, lese ich schon alles in einem Zuge durch ...“ Trotz dieser schmeichelhaften Reverenz oll uns die Pflege der angeführten Teile des Blattes wie der gleichfalls häufig erwähnten „Dokumentarberichte in Fortsetzungen“ („Monte Cassino“, „Stauffenberg“ u. a.) auch weiterhin besonders am Herzen liegen.

Neben diesen Zustimmungen hat uns eine Reihe sachlicher Anregungen und Ausstellungen fast noch eingehender beschäftigt. Einige Wünsche konnten inzwischen erfüllt werden, so die reichere Illustration des Blattes (vier bis sechs statt wie früher zwei bis drei Bilder), mehr volkswirtschaftliche Themen (Steuerreformplan Dr. Schneider, Innsbruck!), mehr medizinische, astronomische und psychologische Themen in der „Warte“, Preisangaben bei den „Neuen Büchern“ usw.; umgekehrt wurden dem Urteil der Leser stillschweigend weniger gelesene Rubriken, wie die „Stimmen über Oesterreich“, die Rundfunkkritik usw. geopfert. Der freiwerdende Raum wird genützt werden. Manchen Vorschlägen stellen sich zur Zeit Hindernisse entgegen; hier müssen wir die Anreger, etwa: eines größeren Blattumfanges, einer Erweiterung der Beilagen, einer Ausgabe eines neuerlichen „Furche“-Jahrbuches oder mindestens eines jährlichen Autoren- und Sachinhaltsverzeichnisses usw. auf später vertrösten, auf wirtschaftliche Grenzen und auch auf ihr eigenes Interesse an der Bestandfähigkeit des jetzigen Blattpreises verweisen. Der Erfahrung der Redaktion dürfen die Leser schließlich darin Vertrauen schenken, daß auch einige Vorschläge als ungeeignet ausscheiden mußten, so der sehr umstrittene „Roman in Fortsetzungen“, eine eigene Diskussionsseite, eine neue Rubrik „Die Gegenseite“ oder gar besondere Themenwünsche, wie „Vorschläge zur sofortigen Verwirklichung des Weltfriedens und Paneuropas“ oder gar „Unverzügliche Errichtung eines österreichischen Protektorats über Triest“.

Viel Verständnis haben unsere Leser für die Notwendigkeit bewiesen, den „Staatshaushalt“ des Blattes durch bezahlte Anzeigen im Gleichgewicht zu halten, sowie für die erfolgreichen Bemühungen unserer Anzeigenabteilung, auch diesen Teil des Blattes nach Möglichkeit anspruchsvoll, geschmackvoll und neuartig zu gestalten. Dem berechtigten Wunsche einiger Einsender, die besonders disponierten und hiefür besonders bezahlten unumgänglichen „Textanzeigen“ möglichst an die Ränder der Seiten zu drängen, wodurch der Lesefluß nicht so empfindlich gestört wird, konnte inzwischen im Einvernehmen mit den Inserenten weitgehend Rechnung getragen werden.

Durch alle diese und andere sachliche Kritik klang in schönster Weise ein aufrichtiges Miterleben und Mitsorgen an etwas Unentbehrlichem und Unersetzlichem. „Ich bin aus Oesterreich in ein fremdes Land verschlagen“, schreibt einer über tausende Kilometer zu uns, „die ,Furche' ist der letzte Faden, der midi an die Heimat und ans Leben kettet.“ Ein anderer: „Der Krieg hat mich geschlagen, geschunden und um alles gebracht. Ich habe jahrelang nichts mehr vor mir gehabt. Dann bin ich auf Ihr Blatt! gekommen ...“ Und eine Gruppe von Studentinnen sagt kurz und deutlich: „Unsere Meinung? Bleiben Sie, wie Sie sind“!“

So darf die „Furche“ in wenigen Monaten mit guten Ausblicken in den 10. Jahrgang ihres Wirkens treten. Neue Aufgaben warten, neue Freunde sind noch zu gewinnen. Und wo die Verantwortung klar erkannt ist und vom Vertrauen einer so treuen Leserfamilie getragen wird, mag der Segen nicht ausbleiben. Die „Furche“

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