Stories, fein garniert

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Michael Köhlmeier erzählt in seinem "Roman von Montag bis Freitag" von den kleinen Dingen des Lebens.

Was macht einen Roman aus? Verquickte Handlungsstränge, ein gewisses Sortiment an Figuren, eine Story, eine Weltanschauung, die dahintersteckt? All das finden wir auch in Michael Köhlmeiers "Roman von Montag bis Freitag", und doch stolpern wir zunächst über die - spielerisch im Titel verwendete - Gattungsbezeichnung "Roman", auch wenn wir wissen, dass man das heutzutage nicht mehr so eng zu sehen braucht. "Alltagsgeschichten" liegt einem auf der Zunge, denn alltägliche Geschichten - wenn auch ganz und gar nicht im gewohnten Elisabeth T. Spira-Fernsehstil -, Montags- bis Freitagsgeschichten sind es, mit denen wir es hier zu tun haben.

Es passiert eigentlich nichts Besonders, und doch passieren wir eine ganze dörfliche und städtische Welt in den 38 Stories, die Köhlmeier auftischt. Einfache Kost, für deren Zubereitung er allerdings eine Haube verdient. Denn Köhlmeier kann erzählen, das steht außer Frage, und eigentlich haben wir es immer gewusst, oder manchmal zumindest noch erahnt, selbst in den teilweise nicht ganz so geglückten Odyssee-Romanen. Aber jetzt ist er wieder zurückgekehrt zu seinen Anfängen, liefert unprätentiöse Prosa aus Hohenems und Wien, und schafft es dabei, die geschilderten Figuren auf meist nur ganz wenigen Seiten schillern und lebendig werden zu lassen.

Es sind vor allem Begegnungen, von denen er erzählt, nicht alle angenehm, manche ausgestattet mit einer gewissen Situationskomik, die aber nie in Peinlichkeit ausartet, manche aufgeladen mit starken oder bereits verblassenden Erinnerungen, je nachdem. Es ist ein Roman aus Stories für Zwischendurch, in der Straßenbahn, eigentlich am besten in kleinen Portiönchen zu genießen, aber in üppiger Folge von vielen Gängen ebenso verträglich. Bestechend auch der Perspektivwechsel von Abschnitt zu Abschnitt. Findet sich als Amuse- gueule der geschärfte Blick auf so manches Dorfdetail, liegt der Fokus beim Hauptgericht gleich auf einer ganzen Familiengeschichte. Und nach einigen Zwischengängen, lassen wir uns zum Dessert die gemusterte Kleiderschürze der Nachbarin auf der Zunge zergehen, als ganz persönlichen Eindruck zum 11. September...

Der literarische Blick für die kleinen Dinge, die uns jeden Tag umgeben, ist in der österreichischen Literatur bekanntlich ein traditionsreicher, den wir vor allem mit Adalbert Stifter verbinden. Doch ist diese Parallele hier äußerst irreführend. Denn Köhlmeier hat mit seinem manchmal abfällig "Blumen- und Steinchenpoet" genannten Berufskollegen denkbar wenig zu tun. Einerseits schärft sich sein Blick für die kleinen Dinge nicht an der Natur, sondern an den Menschen, und andererseits macht er nicht viel Aufhebens und vor allem nicht viele Worte. Kurz und treffend sind seine Montags- bis Freitags-Geschichten. Und kunstvoll ineinander verwoben.

Was macht also einen Roman aus? Michael Köhlmeier stellt hier die implizite Forderung, das Genre wieder einmal neu zu definieren.

ROMAN VON MONTAG BIS FREITAG

38 Stories von Michael Köhlmeier

Deuticke Verlag, Wien 2004

168 Seiten, geb., e 16,90

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