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Studenten in engen Kojen

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Baustellenlärm dringt aus dem neuen Studentenhaus am Erlachplatz. Trotzdem brennen schon Lichter, die ersten Studenten huschen über den Laubengang, Bauarbeiter kreuzen ihre Wege, der Boden im ersten Geschoß wird gerade versiegelt. Schon der erste Blick ins Innere zeigt, daß dieses Studentenheim wirklich den Namen „Haus” verdient.

Der Entwurf von Anton Schweig-hofer fällt aus dem Rahmen. Er denkt die Wohnform der Studenten konsequent weiter und setzt das Zusammenspiel zwischen Gemeinschaft und Individuum um, ohne es zu mischen. Kleine Kojen mit den Raummaßen 2,3 mal 2,8 mal drei Meter bieten dem einzelnen Ruhe- und Rückzugsmöglichkeit.

Die Kojen stehen versetzt im Raum und können so eine kleine Stadt bilden: wie Plätze öffnen sich die gemeinsamen Eßplätze mit der Küchenzeile dahinter, je vier Bewohner teilen sich eine, auch das Bad gehört jeweils einer Gruppe. Sogar Fenster in den Gemeinschaftsräumen gibt es, bunte Rollos symbolisieren die Gruppe, wer möchte, kann auch von „innen” am Geschehen des „Platzes” teilhaben. 88 Studenten sollen hier bis Mitte Oktober einziehen, auch Familienwohnungen im Erdgeschoß, Pärchenkojen unter dem Dach, die höher sind und mehr Raum bieten und behindertengerechte Einheiten gibt es. Diese sind allerdings noch nicht vergeben.

Die bereits eingewiesenen 41 Studenten haben vorerst die ersten beiden Stockwerke in Beschlag genommen. Eröffnungsfest gab es offiziell noch keines, inoffiziell setzten sich vier Studenten am Dienstag abend zusammen. „Vier waren es allerdings nie, immer ist noch einer dazukommen, ein anderer gegangen.” Bainer lacht, er ist um 15.30 Uhr noch verschlafen, studiert im ersten Semester Architektur und kommt aus Vorarlberg.

Das besondere architektonische Konzept dieses Hauses war aber nicht der Grund seines Einzuges. Er war froh, einen der raren 11.161 Heimplätze in Wien zu bekommen und wurde, wie die meisten anderen auch, zugeteilt. Seine Koje liegt auf der linken Seite, ein Hochbett, ein Kasten und ein Schreibtisch nutzen den Platz optimal.” Man schläft gut, wenn man Zeit dazu findet, grinst er. Die Zellen sind so schalldicht, daß man selbst den Baustellenlärm kaum hört. Ein Kritikpunkt ist ihm trotzdem wichtig: „Die Sprpssen, die schmerzen.” Stefan, 18, angehender Jurist, kann dazu nur lächeln. Er hat das „beste Zimmer” ergattert. Es ist etwas größer als die anderen und hat als einziges kein Hochbett. „Ich war eben als erster da am Sonntag und habe es gleich für mich beschlagnahmt.”

Besonders Cornelia aus Südtirol beneidet ihn darum. Sie studiert im dritten Semester Französisch und Germanistik und hat das sichere Gefühl, das allerkleinste aller „Häuschen” erwischt zu haben. Erst das Abzählen der Ziegel kann sie überzeugen, daß wirklich alle Kojen gleich groß sind. Trotzdem ist es hier „eh ganz toll. Nur wenn man die Gemeinschaftsräume etwas kleiner, und dafür die einzelnen Zimmer größer gemacht hätte, dann wäre es ganz super.” Auch sie hat am Sonntag ihr neues Domizil zum ersten Mal gesehen. Bei Stefan, dem Glückspilz, war es anders. „Ich war zuerst im Studentenheim Döblinger Hauptstraße, aber das hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich wollte unbedingt ein Einzelzimmer haben.”

Die meisten anderen Studentenheime, die die österreichische Studienförderungsstiftung verwaltet, sind nach dem Prinzip der Döblinger Hauptstraße aufgebaut: Ein langer Gang mit Zimmerfluchten zur Rechten und zur Linken, die Gemeinschaftsküche für je ein Stockwerk am Ende des Korridors. Oft müssen sich die „Erstlinge” im Zweibettzimmer zusammenraufen. Für viele, die hier am Erlachplatz eingezogen sind, gab das garantierte Einzelzimmer den Ausschlag.

Auch für Joe, den Elektrotechniker war das der Hauptgrund des Einzugs. Obwohl auch er Probleme beim Einrichten seiner Koje zugibt: „Das Bett ist mir zu hoch, und ich habe mich schon anstrengen müssen, meine Sachen unterzubringen. Mein Zimmer daheim war größer.” Kunstvoll stapeln sich die Bücher, das Tetrapack mit Orangensaft und andere lebenswichtige Utensilien um den PC. Von der gelungenen Idee dieses Heimes, den vielen Küchen, der räumlichen Vielfalt und der Einzelkoje sind alle begeistert.

Die Inneneinrichtung und die Hochbetten sind auch für den Verwalter Gerhard Regel ein Problem. „Jemand mit Klaustrophobie darf da nicht hinein, meint er. „Wenn die Beleuchtung abgedreht ist, brauchst einen Blindenhund.” Doch noch kann man nichts wirklich Negatives sagen, gestürzt ist zum Glück trotz Baustelle und Fest noch keiner, angesengt trotz der nackten Glühbirnen nichts. Insgesamt ist also der Verwalter durchaus zufrieden.

Das Klima unter den Studenten ist gut, und alle freuen sich schon auf das Ende der Baustellenzeit, wenn das Haus endlich voll ist und die Heizung klaglos funktioniert. Etwa 19.300 Studentenheimplätze gab es Österreich-weit im Wintersemester 1992/93, auf 21.600 wurden sie heuer aufgestockt.

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