Superman und Mr. Spock

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Michael Stavaric\0x02C7 stiftet in seinem Roman "Terminifera" bewusst Verwirrung.

Fulminant" und "virtuos" nannten die Kritiker Michael Stavaric\0x02C7s Prosa-Debüt stillborn; nur ein knappes Jahr später legt der 1971 in Brünn geborene Autor mit Terminifera einen Folgeband vor. Stilistisch und kompositorisch sind die beiden Romane eng verwandt, sprachliche Stärken sind auch hier zu finden, allerdings schlagen die Schwächen diesmal stärker zu Buche. Terminifera ist eine sehr locker gefügte Sammlung von Erinnerungs-und Alltagssplittern aus dem Leben einer Figur, die der Leser nicht zu fassen bekommt, und das ist Kalkül. Stavaric\0x02C7 legt sich nicht nur nicht fest, er stiftet - wie schon in stillborn - bewusst Verwirrung.

Das beginnt beim Geschlecht der Figur, die hier spricht. Überwiegend ist Lois Lane, 34-jähriger Krankenpfleger in einem Wiener Krankenhaus, männlich gedacht. Gleich zwei Frauen bewerben sich um seine Gunst: die Dermatologin Kristina mit eigenartigen pathologischen Neigungen und die neue Krankenschwester Mona Moore. Aber Sicherheit ist hier nirgends. So wie die Sätze grammatikalisch immer wieder aufbrechen, tun das auch die Geschlechtszuordnungen. Nicht nur Lois Lane mutiert zwischendurch zur Frau, auch sein Hund Sammy muss zwischen den Geschlechtern changieren und als überwiegend biedere Hundedame einen deftigen Auftritt als Rüde absolvieren.

Geschlechter aufgebrochen

Lois Lane ist ein Findelkind, aufgewachsen in einem Heim in Vorarlberg, mit all den Schrecknissen, die man damit verbindet: sadistische Quälereien von Kindern wie Lehrern, sexuelle Nötigungen, absurde Mutproben und als kindliche Trostfiguren die medialen Helden der Zeit, Superman - dessen Geliebter Lois Lane verdankt er sogar seinen Namen - und vor allem Mr. Spock. "Bleibt noch zu sagen, meine Kindheit, die sei an allem Schuld", schreibt Stavaric\0x02C7 gegen Ende des Romans und formuliert damit einen zentralen Einwand gegen seine Figur, die hartnäckig alles, was ihr begegnet, mit Erlebnissen aus der Heimkindheit kurzschließt. So wenig wie sich Lois Lane von seinem kindlichen Dialogpartner Mr. Spock verabschiedet, so treu bleibt er seinen sozialen Defiziten und seinen kindlichen Ängsten vor medial vermittelten Horrorbildern. Auch ohne Statistikprogramm ist leicht festzustellen: eine der häufigsten Phrasen des Buches ist das beschwörende "Es gibt keine Monster".

Der aktuellen Überbewertung einer glatten, einlässigen Erzähloberfläche Widerstand entgegenzusetzen, ist mutig. Allerdings ist in Stavaric\0x02C7s neuem Roman die Grenze zur Pose nicht immer genau auszumachen. Was das Ich erzählt, strukturiert sich entlang einiger Motivstränge, die immer wieder aufgegriffen und vielfach - wenn auch an anderer Stelle - fast ordentlich zu Ende geführt werden. Ist von zwei Todeserlebnissen des jungen Lois die Rede, wird eines sofort erzählt, das zweite - ein Badeunfall - dann vergleichsweise unvermutet gegen Ende des Romans nachgereicht. Ein wenig entsteht der Eindruck, dem Aufbrechen des Erzählkontinuums ist hier - computergestützt - etwas gewollt nachgeholfen worden. Auch die Wissenseinsprengsel wirken wie zu rasch gegoogelt. Sie betreffen historische Hundegeschichten, Insektenkunde, die Flugversuche der Gebrüder Wright oder Geschichten über Kannibalismus und Serienmörder.

Gegen den Strich gebürstet

Trotzdem hat das Buch Passagen von sprachlicher Eindringlichkeit, in denen der Autor Kalauer, Alltagsbanalitäten und Sprachbilder originell umpflügt und gegen den Strich bürstet, zum Teil in Form fingierter lexikalischer Einträge. Weniger überzeugend ist das von Marlene Streeruwitz übernommene "Stakkato", das durch hin und wieder unmotiviert getilgte Verben den schwankenden Realitätsbezug sprachlich anschaulich machen soll. In den geglückten Passagen vermittelt der Autor das ohne diese rein formale Geste wesentlich überzeugender.

Terminifera ist in vieler Hinsicht ein schillerndes Buch, aber eben auch ein wenig posenhaft. So wie die Fülle an Fotomaterial, das von Michael Stavaric\0x02C7 kursiert, dem "Glamrocker unter den österreichischen Jungliteraten", wie ihn der Verlag bewirbt. Kaum eine Pressemeldung über ihn kommt ohne Hinweis auf sein ansprechendes Äußeres aus. Das scheint eine zeitgemäße Vorstellung von Gleichberechtigung zu sein.

Terminifera

Roman von Michael Stavaric\0x02C7

Residenz Verlag, Salzburg/St. Pölten 2007

146 Seiten, geb., € 17,90

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