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Sven Stolpe — deutsch

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Eines der frilhesten Werke des 1905 in Stockholm gebo- renen Romanciers und Essayisten Sven Stolpe, „Im Warte- zimmer des Todes", ist 1930 verbffentlicht warden. Erst 1960 erschien die deutsche Ausgabe. 1947 schrieb Stolpe „Leicht, schnell und zart". Das Buch wurde 1954 ins Deutsche iiber- tragen. Hierauf folgte „Spiel in den Kulissen“, dessen deutsche Ausgabe noch im gleichen Jahr erschien, und ebenso geschah es mit dem Roman „Frau Brigitta lachelt", der im Erscheinungsjahr 1955 auch bereits in deutscher Ausgabe zu haben war.

Diese Aufstellung zeigt, Wie sich der schwedische Dichter gewissermafien im Sturm das deutschsprachige Leserpu- blikum, und nicht nur dieses, eroberte. In Osterreich hat erst- malig Dr. Robert Braun, der seit vielen Jahren in Uppsala lebende Wiener Literaturhistoriker und Mitarbeiter der „Furche“ an dieser Stelle, und zwar in der Folge 13 vom 27. Marz 1948 auf Stolpe und sein Werk hin- gewiesen. Auf der Frankfurter Buchmesse von 1952, als Romano Guardini mit dem Friedenspreis des deutschen Buch- handels ausgezeichnet wurde, knupfte der Bruder des Dich- ters die ersten Fdden zu dem Frankfurter Verleger Josef Knecht, der seither die Betreuung des Stolpeschen Werks fiir den deutschen Sprachraum iibemommen hat. (Insgesdmt sind neun Werke Sven Stolpes hier erschienen, die fast alle von Alfred von Sterneck iibersetzt wurden.) Als Vermittler schaltete sich auch der Jugendfreund Siegfried Huber ein, der fiir den jungen Theologen in „Im Wartezimmer des Todes" Modell gestanden hat.

Der „innere Weg" Sven Stolpes ist aus seinen Biichern abzulesen, er hat ihn aber auch direkt, in Form einer auto- biographischen Skizze, geschildert, die unter dem Titel „I ch b I i c k e zur ii ck — i ch b li c k e v o r a u s“ anldfllich seines 60. Geburtstages im Knecht-Verlag erschienen ist. Diesem Biichlein sind die nebenstehenden Spalten entnom- men. — Womit hat sich nun Sven Stolpe eine nach Hundert- tausenden zahlenden Leserschaft erworben? Heinrich Scharp schreibt daruber in seinem Essay fiir eine schwedische Festschrift, die dem genannten Biichlein als Nachwort mitge- geben ist: „Was die deutschen Leser der Bucher Sven Stolpes vor allem und von Anfang an fesselt, ist die unbefangene Kiihnheit, mit der er die wohl behiitete und nur sanft be- wegte Welt der ,katholischen Romane' friiherer Zeiten hinter sich liiflt und leibhaftig getroffene Figuren des modernen Menschen in einer dem Christentum entfremdeten oder nur noch an flache christliche Konventionen gebundenen Welt in das Abenteuer einer radikalen religibsen Entscheidung treibt und sie der Macht der umstiirzenden gottlichen Ghade aus- liefert. Sein Grundthema: der Mensch in der Entscheidung zwischen den geschichtlichen Mdchten, ein gleichzeitig reali- stisches und transzendentes Thema, hat jedenfalls in der Gegenwart — die es doch so dringend angeht — wenig dichte- rische Verkiinder von derartiger Kraft der Erfindung und der formalen Bewdltigung. Der Einbruch der Transzendenz in die voll ernst genommene Realitdt dieser Welt — dies vor allem (und natiirlich auch die spannende Fiihrung und die kraftigen Farben der Erzdhlung) scheint mir die deutschen Leser der Romane Stolpes am stdrksten anzuriihren."

Neben dem dichterischen Werk darf man auch die beiden Biographien Stolpes nicht vergessen: „Das Mddchen von Orleans" und „Kbnigin Christine" sowie die aus persbnlicher Ndhe gestaltete Studie iiber „Dag Hamarskjolds geistigen Weg", welche ein fast ebenso grofles Aufsehen erregt hat, wie das kurz vorher aus dem Nachlafl des UNO-General- sekretdrs verbffentlichte Tagebuch mit dem Titel „Zeichen am Weg". Schliefllich miissen auch noch Stolpes literarhisto- rische und essayistische Arbeiten erwdhnt werden, vor allem seine Studien iiber die Dichter des franzbsischen „renouveau catholique" (1934 bis 1936, in deutscher Auswahl 1958), ferner seine Arbeiten iiber Berdjajew, Kaj Munk und Francois Mariac sowie seine Essays iiber den groflen deutschen Roma- nisten Ernst Robert Curtius, iiber Stefan George und den Dichter und Literarhistoriker des George-Kreises, Friedrich Gundolf.

gehemmt und traurig ankame, war nicht das Entscheidende. Die Kirche ist nicht im Besitz psychologischer Patente, die im Zeichen des Gliickes die Seele sanieren.

Das hatte ich, theoretisch, wohl schon vorher gewuBt. Was mir aber 1947 langsam aufdammerte, war eine neue Wahrheit: diese Qual meines Lebens, die mich zum Invaliden machte und auch wohl auf immer hindern wiirde, mich als wirklich bedeutender Dichter zu entfalten — eben das war mein Schicksal, meine Aufgabe. Eben dies sollte ich tragen — bis ans Lebensende. Ich mubte alle Hoffnung aufgeben, irgendwann einmal den Druck abwerfen zu konnen. Burden sind da, um getragen zu werden. Das ist ihr Zweck. Man flieht nicht vor seinem eigenen innersten Schicksal.

Das klingt vielleicht ganz einfach, aber rein konkret und auf mich selbst bezogen, war es mir eitwas Neues. Mehr als einmal wehrte ich ab: nein, das kbnnte ich nicht. Dom Mas- sabki lachelte: natiirlich nicht; das wisse er sehr wohl. Allein wird kein Mensch mit so etwas fertig. Aber kein Mensch ist ja auch — allein

In den Pariser Kirchen, die ich taglich in der Friih zur stillen Messe aufsuchte, herrschte ein klingendes Schweigen. Wie fern war da die „Kultdebatte“ in der schwedischen Presse und das muntere Getose bei den amerikanischen Team- tagungen in Caux! Lange Zeit war alles noch dunkel und trauriges Warten. Mitunter war mir, als hatte ich das Sonnenlicht verlassen und sei in einen Tunnel eingetreten, der bald schon stockfinster wurde. Unendlich weit war es bis zur anderen Tunneloflnung. Ich befand mich mitten zwischen zwei Welten. Aller Freudequellen und Hoffnungen meiner alten Welt beraubt, wuBte ich, daB ich niemals frei werden wiirde in dem einst erhofften Sinn. Aber weit war es, unendlich weit bis zu der neuen Wirklichkeit. Mir blieb nur schwermiitiges Weiterwandern im Dunkeln.

Zuweilen heiBt es, das christliche Leben sei etwas nicht weiter Miihseliges, etwas Konventionelles und „Billiges“. Wer das behauptet, ahnt nicht, wovon er spricht. Spater ein mal werde ich eingehend iiber dieses Zwischenstadium des Grauens zwischen den zwei Welten erzahlen. DaB ich iiber- haupt jene Jahre iiberstand, danke ich lediglich meinem beharrlichen Festhalten an der Kirche und damit an Christus. Sicher war ich ihm unsagbar fern; trotzdem lieB ich den auBersten Zipfel seines Mantels nie los. ;

Mitten in dieser Phase geschah etwas fiir mich selbst vbllig Uberraschendes: ich wurde wieder produktiv, konnte Bucher, Essays, Biographien schreiben. Nach wie vor war es nie meine eigene Problematik, die ich behandelte. Das bleibt mir noch zu tun; vielleicht kommt es nie dazu.

Aber meine Phantasie ting an zu arbeiten, ein Gewimmel von Gestalten tauchte auf, sehr zu meiner eigenen Verwun- derung. Das deutsche Publikum hat einige dieser Bucher freundlich aufgenommen: so den Roman „Leicht, schnell und zart“ und mein Buch fiber „Das Madchen von Orleans", dessen Grundthese spater in mich begliickender Weise durch das Buch des Sorbonneprofessors Jean Guitton bestatigt wurde, und dem zu meiner Freude Ida Friederike Gorres ein so intensiv lebendiges Vorwort mitgab; ferner den politischen Roman „Spiel in den Kulissen" usw. Und es traf das fiir mich vbllig Unerwartete ein: kaum daB mein Name auf dem deut- schen Biichermarkt ein wenig bekannt geworden war und meine Bucher auf der jahrlichen Frankfurter Buchmesse auftauchten, traten auch die Verleger anderer Lander auf den Plan, und nach wenigen Jahren gab es hollandische, englische, amerikanische, spanische Ausgaben. Nach einer weiteren Spanne war ich Mitarbeiter an einer Reihe Zeitungen und Zeitschriften in verschiedenen Landern. Ich hatte keineswegs „Resultate“ meiner Konversion erwartet, am allerwenigsten diese Neugeburt als Dichter. Wahrlich — mein Schicksal wurde von einer starken Hand geformt. Was ich selbst mir wiinschte und ertraumte, schien dabei nicht die geringste Rolle zu spielen.

Nicht ich war es, der der Wahrheit nachjagte. Es war die Wahrheit, die unerbittlich mich jagte.

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