Syrien in Romanform

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Rafik Schami erzählt in seinem monumentalen Roman über Liebe in Zeiten der Blutrache.

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Rafik Schami erzählt in seinem monumentalen Roman über Liebe in Zeiten der Blutrache.

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Damaskus ist keine Stadt, kein Fleck auf einem Atlas, sondern ein Märchen, das sich in Häuser und Gassen, Geschichten, Gerüche und Gerüchte kleidet." So die Liebeserklärung des Autors Rafik Schami aus der Ferne an die Stadt seiner Herkunft. "Wenn man von Damaskus erzählen will, muss man aufpassen, nicht zu versinken, denn Damaskus ist ein Meer von Geschichten. Die Stadt weiß das, deshalb behält sie bei aller Liebe der Araber für verwinkelte Straßen und Gassen eine einzige gerade Straße, die auch so heißt. Das ist die Orientierungslinie bei jedem Spaziergang und jeder Erzählung."

Ganz nach dem Muster dieser Stadt hat Rafik Schami, geboren 1946 in Damaskus, seit 1971 in Deutschland lebend, seinen Roman gestaltet, der ein Jahrhundert syrischer Geschichte erzählt und beinahe 900 Seiten umfasst. Der Roman splittert sich in viele Einzelgeschichten auf, in denen mehr als von Gerüchen und Gerüchten von Gewalt die Rede ist, die der Liebe keine Chance zu geben scheint. Sie erzählen von Männern, die ihren Frauen Gewalt antun, von Vätern, die ihre Söhne strafen, von Neffen, die Tanten erschießen, von Katholiken, die gegen ihre orthodoxen Glaubensbrüder kämpfen, von Sippenhaftung und Blutrache, vom Ort Mali, in dem das alles furchtbare Gestalt annimmt.

"Ich denke seit über vierunddreißig Jahren", so Rafik Schami in seinem persönlichen Schlusskapitel, dem letzten Stein in seinem Mosaik, in dem er sich selbst zu Wort meldet, "wenn ich die Augen aufmache, an Damaskus, die schönste Stadt der Welt, und seit 1987 habe ich jeden Tag an die Liebesgeschichte gedacht, die ich schreiben wollte."

Über viele Jahre hat er an ihr geschrieben, Stein um Stein aneinandergefügt. Rafik Schami, dessen über 20 Bücher in über 20 Übersetzungen in zahlreichen Auflagen erschienen sind, ist ein Geschichten-Erzähler. Er erzählt so dahin, ohne Reflexionen auf Sprache und Form. Seinen Quasi-Krimieinstieg hätte der Roman nicht gebraucht, denn so sehr präsent kann die Frage nach der Aufklärung des Mordes über Hunderte von Seiten nicht bleiben. In den vielen Splittern entsteht aber dem geduldigen Leser ein Bild Syriens, seiner Geschichte, vor allem seiner Probleme, und man spürt die Sehnsucht des Autors nach diesem Land.

Der Roman umkreist die Frage, mit der er beginnt: "Und du glaubst wirklich, dass unsere Liebe eine Chance hat?" Die Geschichte der Liebe von Rana und Ferid, einer Liebe unter erschwerten Bedingungen, ist der rote Faden, die Orientierungslinie in diesem gewaltigen Epos über eine Gesellschaft, die Liebe mit Mord bestraft.

Die dunkle Seite der Liebe
Roman von Rafik Schami
Hanser Verlag, München 2004
895 Seiten, geb., e 25,60

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