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Taschenbuch katholischer deutscher Dichter

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Dr. Johanna Schomerus-Wagner hat ein verdienstvolles Werk mit der gewissenhaften Darstellung von 65 modernen Dichtern geleistet, die sie für die katholische Literatur deutscher Sprache für repräsentierend hält (Deutsche katholische Dichter der Gegenwart. Glock und Lutz, Nürnberg 1950. 197 Seiten). Wir besitzen nun ein praktisches Nachschlagewerk, das bis jetzt gefehlt hat.

Darüber hinaus besteht das Wertvolle der Sammlung in der generösen Art, womit sie das Thema behandelt. Ein einleitender Essay klärt über die wesentlichen Gesichtspunkte auf, die besonders für den deutschen Raum gelten und zugleich „Dichtung“ von der Sprache her erkennen und gegen das Werk des „Schriftstellers“ abgrenzen lassen — in dieser Zeit der ästhetischen Verwirrung ein sehr beachtenswerter Versuch. Bei der Bedeutung, die Heimatdichtung in Deutschland hat, erscheint es berechtigt, diese dem katholischen Schrifttum zuzuerkennen, wenn die Vertreter sich zwar nicht ausgesprochen konfessionell äußern, aber der katholischen Atmosphäre ihres Landes zugehören. Bei Dichtern wie Max Meli oder Hans Carossa leuchtet dies unmittelbar ein. Freilich stellen sich bedenken ein, ob der Raum der Aufnahme dabei nicht zu ausgedehnt wird, wenn die Verfasserin auch etwa Josef Weinheber hier einbezieht. Läßt er sich wirklich als katholischer Dichter ansprechen, und erweist man diesem großen Lyriker einen Dienst, wenn man ihn einer Welt angehören läßt, wo er doch niemals zu Hause war: der kirchlichen? Wenn die „selbstverständliche katholische Atmosphäre“ das Entscheidende ist, dann müßte auch zum Beispiel Anton Wildgans hier aufgenommen sein, der doch fehlt. Hingegen vermißt man Dichter, die durchaus hier stehen müßten: Paula von Preradovic und Rudolf Henz. Wir haben doch der Verfasserin für die Mühe und den Weitblick der Gedanken zu danken, womit sie diese Auswahl durchgeführt hat. Sie spürt den Nerv des Christlichen, wenn sie als einen ihrer Leitmotive für die Sammlung folgendes anführt: „Das Negative kann weit mehr der Gnade beigesellt sein als das formell klar verlaufende Christenleben ... Und hier setzt katholische Dichtung ein: sie wird diese Wirklichkeit auffangen und als zum Sein gehörig begreifen und darstellen. Das persönliche Wagnis des einzelnen zum Wagnis des Glaubens muß offenkundig werden...“

Baruscha. Von Christine L a v a n t. Leykam-Verlag, Graz, 1952. 286 Seiten.

Es hat Jahre bedurft, bis die durch Prosa in Deutschland “bereits bekanntgewordene Kärntnerin vor allem durch ihre Lyrik auch in ihrer österreichischen Heimat aufhorchen ließ. Ihr jüngster Prosaband ist nun in Graz erschienen, zwei kürzere Erzählungen — „Die goldene Braue“, die das absonderliche Geschick einer Schloßherrin und ihrer Liebe behandelt, und „Messer-Mooth“, eine Zigeunergeschichte um einen Schleifer und Messerwerfer — wirken beinahe wie Werkstudien zu der zentralen Erzählung, dem Gemälde „Baruscha“. Ihr Schwerpunkt liegt nicht in einer dynamisch fortstrebenden Handlung, die zwar in der Erlebniszeit der Hauptperson abläuft, sondern in der schrittweisen Entschleierung eines Ganzen, seinem mosaikartigen Zusammengebautwerden zu einem geknüpften, mit verschlungener Ornamentik verzierten Teppich. Baruscha, die Stadt der „armen Herrin“, ist zwar eine wirkliche, obgleich nirgends lokalisierte Stadt, anderseits doch ein Traumort, und ihre Anschauung aus der einfältigen Perspektive des Korbflechters Corbinian ist ein Erkenntnisweg. Die Kunst der Dichterin, ihn in einer einfachen und doch hintergründigen und symbolschweren Sprache zu entfalten, geht zwischen überkommenen Formen der Romantik und des Symbolismus einer- und denen eines modernen, durch Assoziationsflucht geprägten Stils anderseits. Ein hervorstechender Zug der Darstellung ist ihre Unmittelbarkeit zur Natur, die sich nicht in objektivierender Schilderung erschöpft, sondern die Eindrücke dauernd mit subjektivem Gedankengut durchflicht. Die Thematik atmet aus der Selbstverständlichkeit alles Menschlichen eine ausgesprochen aintellektuelle Luft und wird zuletzt, in einer sehr feinsinnigen, fast fremdartigen Weise von der Liebe dominiert. Nicht zuletzt dies zeugt hier für eine Dichterin, die auf dem „Weg nach innen“ eine beachtliche Wegstrecke durchmessen hat und uns von diesem ihrem Standort aus eine ungeahnte Tiefendimension des dichterischen Wortes aufzuschließen weiß.

Dr. Hans G. Mukarovsky

Das verfehlte Wunder. Von Caryll H o u s e-1 a n d e r. Rex-Verlag, Luzern. 288 Seiten.

Englischer Katholizismus und Anglokatholizis-mus ist hierzulande zumeist durch die mondäne Nobelwelt eines Greene, Waugh, Eliot bekannt, die bei all ihren bekannten Vorzügen nicht frei ist von Spekulation, Snobismus, spätem Parfüm, und einer unleugbaren Dekadenz mit all ihren Vorzügen und Nachteilen. Daß es außer diesen Sphären noch anderes gibt, verrät der herzfrische Roman der Houselander „The dry wood“, das „Dürre Holz“, unter dem etwas pedantisch und geschwollen klingenden deutschen Titel, übertragen von Richard Moering, erschienen. Londons Armenviertel und die Welt der kleinen, kleinbürgerlichen katholischen Pfarren mit ihrer Mischung von Sentimentalität, Geschäftssinn, Beschränktheit, Enge und echtem Glauben, Humor, Optimismus — wie nur ein einfacher Christ optimistisch sein kann —, aus ihnen lernen wir hier die Menschen um Father Malone kennen. Geschäftstüchtig, wundersüchtig, erfolgsüchtig sind hier die „Kleinen“ und die „Großen“ (zarte Andeutungen in der Richtung auf Prälaturen), mitten durch sie hindurch aber geht das Leben seinen Gang, mit seiner Härte, aber auch mit jener Süße, janem unsagbaren Duft der Seligkeit, den das Opfer des Christen gerade in den trostlosen Wüsten der modernen Großstädte auszustrahlen vermag. Die junge Autorin besitzt Humor und Glauben, zwei gute Dinge, die zusammengehören. Und sie weiß uns etwas zu mittein von der inneren Kraft, die im angloamerikanischen

Katholizismus steckt, in diesen tausend und abertausend Pfarren zwischen Dublin, London und Chicago, die mit nahen warmen Lichteraugen in den Ruß und Schmutz, den Lärm, die Nacht und den Nebel der großen Städte spähen. In diesem Sinne hat dieses Buch auch als informative Quelle beachtlichen Wert, nicht nur als leichtlesbarer frisch-froher Roman.

Dr. Friedrich Heer

Heinrich von Kleist. Sämtliche Werke und Briefe. Verlag Karl Hanser, München.

Eine gefällige Dünndruckausgabe in zwei handlichen Bänden, die in lückenloser Vollständigkeit alles vereinigt, was uns von Kleist erhalten ist. Die Gesamtanordnung der Werke wurde neu gestaltet und auf den neuesten Stand der wissenschaftlichen Forschung gebracht: manche Lesart wurde verbessert, mehrere Stücke ausgeschieden, für die Kleists Urheberschaft zweifelhaft oder unwahrscheinlich ist; einige Beiträge wurden neu aufgenommen, da sie dem Dichter endgültig als gesichert zugeschrieben werden können, zum Beispiel „Von einem Kinde“ mit interessanten Bemerkungen über Zacharias Werners „24. Februar“.

Der erste Band enthält all« Dramen und Dichtungen In gebundener Sprache, der zweite alle

Prosawerke, Novellen, Erzählungen, Anekdoten, seine gesamte journalistische Tätigkeit und 222 teilweise recht umfangreiche Briefe. Diese bieten eine reiche Ausbeute, freilich mehr für eine tiefere Erkenntnis seines so bewegten unglücklichen Lebens als für das literarische Verständnis seiner Werke. Wenn Briefe überhaupt schon immer tiefes Interesse wecken, dann erst recht bei einem so selbständig urteilenden Mann wie Kleist, dessen Leben ja eine Kette nie abreißender Enttäuschungen bildete, so daß er es als das „allerqualvollste, das je ein Mensch geführt hat“, bezeichnete. Vieles in seinen Werken klingt noch sehr modern und spricht auch uns Heutige noch an, nicht nur in seinen Dichtungen, sondern auch in seinen Abhandlungen über Kunst- und Weltbetrachtung, ja auch in seiner Zeitkritik. Anderes lesen wir gerne wegen seines Zusammenhanges mit Oesterreich, zum Beispiel: Ueber die Rettung Oesterreichs, An Franz den Ersten, An Erzherzog Karl.

Die Ausgabe enthält zwar keinerlei Erläuterungen oder Anmerkungen zu den einzelnen Werken (auch keine Varianten), aber ein sorgfältig gearbeitetes Personenregister, eine Lebenstafel; ein inhaltreiches Nachwort, das einige Dunkelheiten in Kleists Leben aufzuhellen sucht, bietet einen willkommenen Ersatz. — Die gefällig ausgestattete Neuausgabe des auch heute noch lesenswerten und lesbaren Dichters wird mit Recht viele Freunde finden. Dr. Adolf B u d e r SJ.

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