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Taschenbucher

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Wir haben uns rasch an die Taschenbücher gewöhnt. Ehemals gab es für uns „Reclam“, dann die „Inselbücher“. Jetzt sind's viele Verlage, die uns beliefern. Taschenbücher haben den Vorzug, daß sie billig sind. Taschenbücher scheinen sich nicht so wichtig zu nehmen wie die anderen Buchausgaben — wir haben anscheinend unsere germanische Form fürs Buch gefunden, wie der Franzose schon immer seine hatte. Taschenbücher sehen ein wenig nach literarischer Prostitution aus: Das Beste und Kostbarste aus Menschengeist kann billig für jeden erreichbar sein. Taschenbücher können uns angrinsen, so daß uns der Vers Nietzsches einfällt: „Noch einmal, eh' ich weiterziehe...“, und man hat die Andeutung eines Verwesungsgeruchs in der Nase. — Wie dem auch sei...

Fischer-Bücherei

(Preis des Einzelbandes 17.30 S)

DIE KLEINE WELTLATERNE. Von Peter

Bamm. 1961. 192 Seiten. Nr. 404.

Bamm hat eine immer seltener werdende Gabe: Ihm macht das Schreiben Spaß — sein Herz sucht seine Sehnsucht in Worte zu fassen, und zu diesem Anlaß denkt er, reist er, schaut er, liest er. Darum ist Bamm ein so vortrefflicher Schriftsteller. Mit der Weltlaterne leuchtet er die Menschen und Menschentücken, die Länder und die Historie aus. Natürlich gibt eine solche Laterne nur kleine Lichter auf kleine Weltflecken preis — aber w a s er anleuchtet, wird hell. S o muß man über „Albernheit“ schreiben — und sich nur nicht genieren, albern zu sein! S o muß man den letzten Brief Lord Nelsons lesen können. So muß man Kleines groß sehen und das Große im Zusammenhang mit dem Kleinsten. Ein Lesebuch für solche, die gern über sich selbst und die Welt lächeln. Ein Exempelbuch für werdende Schriftsteller.

DER MANN, DER DONNERSTAG WAR. Von G. K. Chesterton. Eine phantastische. Gesehichte.v Aus- dem- •üaglisaheji von Bernhard ; Seng f eider- 1961.

181 Seiten. Nr. 397.

Diese berühmteste Geschichte Chestertons läßt sich nur vergleichen mit dem „Traum eines lächerlichen Menschen“ von Dostojewski. Letzteres mit russischer Ironie, ersteres mit englischem Humor geschrieben; beide behandeln theologische Fragen mit viel Phantasie und als Erzählungen. Ob nicht auf solche Weise der modernen Gleichnisrede doch noch manches Samenkorn aus dem Evangelium ausgestreut werden und aufgehen könnte? Chesterton gibt eine plastische Lehre von der Undeutlichkeit, vom Geheimnis Gottes: Der Präsident des Anarchistenklubs läßt sich selbst von Detektiven suchen und zeigt diesen seine verschiedenen Gesichter. Jeder der sechs Detektive versteht den Präsidenten Sonntag anders, alle vergleichen ihn mit einer Naturgewalt oder Naturerscheinung; nur einer kommt drauf, daß er im Grunde kein recht fixierbares Gesicht habe. So vielfältig ist der tine Gott! Aber selbst Detektive finden ihn nicht wirklich so, wie er für sich ist — immer ist er auch anders. Es tut gut, von Zeit zu Zeit einen Chesterton zu lesen. Besonders diesen.

LIEBE GANZ IRDISCH. Von David Gar-nett. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Herbert und Marlys H e r-litschka. 1961. 153 Seiten. Nr. 399.

Das Sind drei Liebesgeschichten, die ineinanderlaufen und auseinandergehen. Rose liebt den Studenten Alexis — bis dessen Ohkel das Gemisch aus Schauspielerei, Kinderei und Liebelei stört. Dann liebt Rose heftig und lange den alten Onkel Sir George. Als Jennie, Tochter der Rose und des George, soweit ist, kann sich Alexis in diese verlieben. Aber die einmal beleidigte Liebe des Alexis rächt sich an Jennie: Er rennt ihr davon wie einstmals Rose ihm davonlief. Sicher, so geht es hier und heute zu;, und wenn's so gut be- und geschrieben ist wie von Garnett, liest man es sogar. DUBLIN. Novellen. Von lames Joyce. Aus dem Englischen übertragen von Georg Goyert. 1961. 200 Seiten. Nr. 414.

Dublin ist die Heimatstadt von James Joyce. In ihr, aus ihr hat der Meister des stilwandelnden Romans „Ulysses“ die fünfzehn Erzählungen gesammelt. Kleine Erlebnisse, kleinste Beobachtungen wurden auf ihren menschlichen, psvchischen, moralischen Hintergrund hin aufgedeckt. Dies alles ohne Theorie; bloß durch das Mittel der Beschreibung. Begebenheiten und Menschen des Alltags werden in die nächste Nähe gerückt, werden „alte Bekannte“, denen man demnächst, wenn man durch Dublin gehen wird, begegnet. Diese Erzählungen könnte man als Skizzenbuch des Meisters für seine Methode ansehen; für den Leser ist es eine Generalprobe, ob er Joyce verstehen wird oder nicht.

Herder-Bücherei (Preis des Einzelbandes 17.30 S) MEINE ANTONIA. Roman. Von Willa C a t h e r. Aus dem Englischen übersetzt von Walter Schumann. 1961. 191 Seiten. Nr. 99.

Die Geschichte des Jim Bürden und der Antonia Shimerda, Kinder aus Nachbarfamilien, Farmersleuten in Nebraska, ist nicht das Bedeutendste an diesem Roman, wenn er auch ein Lob der selten gewordenen Freundschaft ist. Das Fesselnde an diesem Buch ist die Beschreibung von Land und Leuten, Sitte und Frömmigkeit, Härte und Größe von Nebraska. Die bekannte Autorin hat dort selbst ihre Jugendjahre verbracht und ist diesem Land zeitlebens verfallen gewesen, wo immer sie auch weilte und berühmt wurde.

Erzählungen. Von James Earl Powers. Deutsch von Elisabeth Schnack. 1961. 125 Seiten. Nr. 94.

Die hier versammelten Kurzgeschichten sind formal wie inhaltlich vier Kabinettstückchen. Powers entlarvt den Teufel, der heutzutage nicht mehr mit Pferdefuß und Schwefelgestank auftritt, sondern in hübscher Anonymität sich verhält, damit man allerhand Gründe für das menschliche Versagen angeben könne — nur nicht, daß er, der Verwirrer, am Werk sei. Schon deshalb ist dieses Buch lesenswert. Obendrein schildert Powers die Teufeleien, wie sie unter Priestern, Generalvikaren, Ordensleuten vorkommen, an bevorzugten Plätzen und Menschen also, wo die Schwachheiten und der Heroismus so gefährlich nahe nebeneinander liegen. Hier ist zur Ehre Gottes, gegen den Teufel und aus Liebe zu den Menschen geschrieben worden.

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