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Theater mit und ohne Spannung

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Merkwürdig: Als Peter Weck in Gestalt des Schweizer Berufssoldaten Bluntschli die Bühne des Akademietheaters betrat, da schien es uns, als ob „H e 1-d e n“ von Bernard Shaw ein Stück des 20. Jahrhunderts, sogar seiner zweiten Hälfte sei. War das nicht sogar der junge Mann, heiter-desillusionierter Sprecher der skeptischen Generation, der in Anouilhs „General Quichote“ ein so sympathischer Widerpart gewesen war? Konnte man diese Sätze, die so ganz aus dem Vollmenschlichen erwachsenen Erläuterungen zum „Lebensprinzip“ Shaws eigentlich anders sprechen, hat man sie jemals anders richtig sprechen können? Dann aber meldeten sich die ersten Bedenken. Der Blick ins Programmheft belehrte uns, daß dieses Stück ja schon 1894 geschrieben worden ist und daß es andere Proportionen verlangt. Ein junger, moderner Bluntschli — gut und schön. Aber was wird dann aus den übrigen Mitspielern? Ein Panoptikum von stichwortbringenden Possenfiguren oder ein Irrgarten stilistischer Ratlosigkeit? Es schien, als ob der Regisseur Rudolf Steinbock während seiner Inszenie-rungsarbeit diesen von der Rolle des Bluntschli herrührenden Konstruktionsfehler entdeckt hätte, das ihm aber dann die Zeit fehlte, alles umzustellen und neu au akzentuieren. Der Bluntschli von 1894, das ist ein zwar nüchterner und etwas tolpatschig-charmanter Mann, aber immerhin ein Kerl mit selbstverständlicher, reifer Autorität einer, der die Fäden in sehr sicherer Hand hält und dem Talmiheldentum des Sergius auch vom Vitalen her überlegen ist. Das alles war Peter Weck, der in seiner Individualität übrigens ausgezeichnete, in keiner Weise. Und so stimmte das Bezugsystem auch nicht. Alexander Trojan (Sergius) stand beziehungslos im Raum, Hermann Thimig und Lilly Stepanek spielten Lustspieltheater auf eigene Faust; Loni Friedl wußte ihre Rolle nicht einmal in das erotische Spannungsfeld zu bringen, das Lotte Ledl (mehr bewußt als elementar) als Stubenmädchen immerhin beherrschte. So wie Hanns O b o n y a den Diener Nicola spielte, hätte man sich das ganze Stück gewünscht. Auch Gottfried Neu-mann-Spallarts Bühnenbild hätte einen etwas derberen Erdrutsch vertragen.

Das Äteliertheater machte seiner Nachbarschaft zur Secession alle Ehre. Veit R e 1 i n inszenierte, P i c a s s o s wilde Stücketüde „Wie man Wünsche beim Schwanz' packt“, der s*gen-1 über ronesco ein „breiter“ Ibsen ist. mit der genialischen Intensität des Malers. ' dessen Besessenheit ein ganzes junges Ensemble in den heiteren Trancezustand

eines Atelierfestes zu versetzen vermag. Henning Lorenz und Agnes Laurent schufen Bühnenbild und Kostüm, nicht als Theaterrequisit, sondern als surrealistisches Bildvokabular. Paul Angerer setzte seine Musik wie Wellen und Kleckse. Die Atelierleute spielten diesen dynamischen Bildvorgang mit einer besonders im Sprachlichen wie auch im Tänzerischen elektrisierend gespannten Hingabe. Ein kleines Kabinettstück: der Malphantasiemonolog Emanuel Schmieds.

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