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Theater und Oper in Salzburg

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Die seit langem vorausgesehene Krise beginnt nun auch in den Konzertsälen und im Landestheater von Salzburg ihre Schatten bedrohlich vorauszuwerfen. Nicht zu übersehende Lücken in den Besucherreihen, selbst bei Premieren und Konzerten mit interessantem Programm, lassen befürchten, daß entscheidende Einschränkungen kn kulturellen Leben durch Zugeständnisse an den Publikumsgeschmack das Niveau wieder auf jenen Stand herabdrücken können, welcher seinerzeit, in den Jahren der allgemeinen Wirtschaftskrise, Salzburgs Kunstleben außerhalb der Festspielzeit provinziellen Charakter verliehen hat Noch ist es dem Landestheater in dieser Saison möglich, den vollen Betrieb aufrechtzuerhalten, da die neugegründete „österreichische Filmgesellschaft“ für die Überlassung des Festspielhauses eine hohe Ablöse zahlte, die bei der Fortführung des Opernbetriebes in diesen Räumen als Reingewinn niemals hereingekommen wäre. Die Bemühungen der künstlerischen Leitung, den Spielplan vielfältig zu gestalten, sind nur teilweise gelungen, da sich durch die unzweckmäßige Zusammensetzung des Ensembles immer wieder Besetzungsschwierigkeiten ergeben.

In der Neuinszenierung des Spieles „Der Kreidekreis" verstand es der Regisseur Richard Wegeier, die zarten Stimmungen des Lyrikers Klabund in duftigen Farben aufleben zu lassen, aber die Kühle, die uns heute aus dem Märchenspiel entgegenweht, wo wir warme Menschlichkeit in Erinnerung haben, wußte er nicht zu mildern, und so blieb man, trotzdem ein geschlossener Darstellungsstil die Aufführung zu einer der besten in dieser Saison gestaltet hat, im Herzen unberührt. Der gleiche Regisseur drängte in „N o r a“ die radikale Gesellschaftskritik, die heute leicht einen pathetischen Unterton hätte und daher wirkungslos verpuffen würde, vollständig zurück und ließ dafür die Handlung ganz um die menschlichen Empfindungen der einzelnen Personen kreisen. So wurde die Kritik Ibsens am allgemeinen Zustand zur Darstellung eines Einzelschick- sals, der Nora. Bei einer so radikalen Umwandlung bleibt die Frage offen, ob wir dann überhaupt noch Interesse an diesem Schauspiel finden können, außer daß wir bewundernd vor dem großen Dramatiker stehen, dessen konstruktive theatralische Grundlagen kaum mehr Ebenbürtiges gefunden haben. Die gleiche Frage müssen wir uns bei dem'Lustspiel „Wienerinnen“ von Hermann Bahr stellen. Auch hier werden Kämpfe ausgefochten, die uns höchstens noch als kulturhistorische Kuriosa interessieren, wie etwa der Streit um den Architekten Josef Olbrich, dessen Kämpfernatur “Bahr als Vorbild für die männliche Hauptfigur gedient hat. Der Rest ist ein liebenswürdiges Lustspiel, denn die aktuelle Wirkung der Komödie kann uns nicht mehr angreifen. Wenn es nun gar der Regisseur (Dr. Geza Rech) nicht versteht, den Humor und die geistreiche Ironie auf jenen Ton zu bringen, der eben die kultivierte Wiener Atmosphäre ausmacht, sondern Posse spielen läßt, dann werden auch die „Wienerinnen" langweilig. Die Probleme in dem Schauspiel „D a s heilige Experiment" von Fritz Hochwälder haben schon oft zur Diskussion gestanden. Es soll daher nur die Wiedergabe am Landestheater besprochen werden, welche von R. Wegeier als Regisseur mit Verständ- nist für den geistigen Gehalt geleitet wurde und stofflich-thematisch fesselnde Momente aufwies. Der Konfliktstoff Kirche und Welt, der zum Untergang des Idealstaates führte und der Gehorsam als Ordnungsprinzip in der Gemeinschaft der Jünger Jesu waren die zwei Bewegungsmomente, von denen aus der Regisseur die Handlung formte. Johannes van Hamme, der Darsteller des Pater Provinzial, ließ durch Züge tiefer Gläubigkeit an den reinen Idealismus und die Heiligkeit seiner Mission glauben. Von den zahlreichen, scharf profilierten Gestalten des Schauspiels konnte ntir ein Teil so besetzt werden, daß sich die Darstellung mit der Charakterzeichnung des Autors deckte.

Der an sich begrüßenswerte Versuch, jungen Opernkräften Gelegenheit zu geben, ihr Können zu beweisen, war bei der Neueinstudierung von „Boheme“ unglücklich ausgefallen, da gesanglich und darstellerisch noch unfertige Anfänger auf der Bühne standen, denen mit einem verfrühten Auftreten in Hauptrollen wahrlich kein guter Dienst erwiesen worden ist. Die Oper „D e r Günstling" von Wagner-Regeny hat einen Stoff zur. Grundlage, der nicht ein Einzelsdiicksal behandelt, sondern alles zum Gleichnis verdichtet. Der Autor des Textbuches, Caspar Neher, rollt in der Geschichte vom Herrn Fabiani, der sich über die Liebe zur Königin Maria Tudor von England auf den Thron schwingen will und von seinem Gegenspieler Gil, einem Mann aus dem Volke, als Usurpator entlarvt wird, ein soziales, ja noch mehr, ein revolutionäres Problem auf. Neben lyrisch betonten Momenten verschmäht es Neher nicht, Moritaten einzuflechten. Aus dieser Konzeption erwartete man auch eine musikalische Revolution. Wagner-Regeny verwendet aber die Mittel der barocken Oper ebenso wie die der romantischen, das heißt:, die Musik wird Vertonung und Illustration, wobei er allerdings durch Versachlichen eine Entseelung vornimmt; dann tritt wieder das Wort in Erscheinung mit seinem Rhythmus und der inneren Melodik, eine musikalische Ausdrucksform, die wir reiner im musikalischen Theater der Oper „Dantons Tod“ von Einem erlebten. Man kann sich des Eindrucks nidit erwehren, daß der „Günstling" bereits museal geworden ist. Diese Mischung von mehreren Stilelementen erschwert es auch dem Dirigenten, die Vermittlung eindeutig festzulegen. Kapellmeister Paul Walter wählte einen Mittelweg, indem er das romantische Element bevorzugte, während die rhythmisdi-dynamischen Stellen bewußt umgangen wurden. Die Solisten, in erster Linie Stephanie Holeschovsky als Königin, gaben ihr Bestes, um dem gesanglichen Teil zu seinem Recht zu verhelfen.

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