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Thema: Diplomatie

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„Mich rief Europa“, Von Sir Robert Bruce Leckhirt. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 322 Selten. Preis 15.80 DM.

Ein großer Kreis an der historisch-politischen Literatur interessierter Fachleute und Feinschmecker hat in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg die faszinierenden Erinnerungswerke des nun in den Adelsstand erhobenen britischen Diplomaten uhd Journalisten gelesen. Gerade im deutschen Sprachbereich waren seine Erirtnerungs-hücher außerordentlich beliebt: entstand doch in farbensatten Bildern die Welt des britischen Imperiums und seiner Kolonien ebenso vor unseren Augen wie die vergebliche Mission dieses britischen Diplomaten schottischer Herkunft im Wirbel der russischen Revolution von 1917, als er als erster inoffizieller Gesandter bei den Sowjets, entgegen der Meinung der Zünftigen, auf die Dauererscheinung des neuen Regimes warnend hinwies und selbst als lebendiges Pfand zeitweise die ersten Gefängnisse der GPU um einen prominenten Häftling bereicherte.

Seine romantische Hinneigung zum Slawentum führte ihn als Diplomat und Bankfachmann ebenso Wie als Journalisten in das Nachkriegseuropa nach 1919, darunter auch nach Wien, wo er in der Anglo-Oesterrcichischen Baiik eine nicht unbedeutende Rolle spielte und sich bemühte, das Rätsel der zerstörten Donaumonarchie aufzulösen.

Seine Liebe gehörte aber nicht der Kaiserstadt, sondern dert goldenen Türmen von Prag, und Sir Robert war wohl publizistisch einer der wirkungsvollsten Wegbereiter des politischen Dioskuren-paäres Masaryk' und Benesch in der angelsächsischen Welt, denn seine Porträts der tschechoslowakischen Politiker wurden in England allzu gerne geglaubt. Seine enge Freundschaft mit Jan Masaryk bis zum bitteren Ende und die amtliche Funktion als inoffizieller Propagandabeauftragter der britischen Regierung während des zweiten Weltkriegs gaben ihm eine besondere Verantwortung für den Neubau des zentraleuropäischen Raumes nach 1945.

Deswegen mußte dieses Alterswerk mit besonderer Spartnun erwartet werden, wenngleich schon sein nur in englischer Spräche erschienenes Erinnerungsbuch über den zweiten Weltkrieg befürchten ließ, daß der Verfasser wenig seine Einstellung gegenüber der politischen Funktion des Donauraumes geändert haben konnte.

Klar gesagt, ist das vorliegende Buch eine Enttäuschung. Die Begegnungen mit dem Europa seit 1945 urtd der Versuch, Jan Masaryk und Benesch inmitten der zwielichtigen politischen Situation der Tragödie des Jahres 194S zu zeichnen und daraus Erkenntnisse zu schöpfen, erscheint als mißlungen. Die Liehe des Verfassers zur Vergangenheit trübt seinen Rück für die Realitäten der Gegenwart und zc-hhet bis zu einem gevh:seri Grad die hoffnungslose und sich so furchtbar auswirkende Unkenntnis der Folgen des November 1918, als die konservative Vormacht England mit d£n einst von Lockhart in seinen früheren Büchern so verurteilten französischen Bestrebungen den einzigen übernationalen Staat Mitteleuropas wissentlich zerstörte. In der ganzen Rundreise, die clcr Verfasser noch einmal in einer Konfrontation seiner Jugenderinnerungen vom Norden nach dem Süden des zerstörten Europa anstellt, fehlt jede Wertung des österreichischen Kernraumes, und' die bitteren Worte, die immer wieder hei der Behandlung der böhmischen Tragödie gegenüber dem „Unterdrückerstaat“ der einstigen Habsburgermonarchie fallen, klingen reichlich überholt angesichts der Selbsterkenntnis Churchills im ersten Band seiner nunmehr durch den Nobelpreis gekrönten Memoiren.

Deshalb ist das vorliegende Buch eine tragische Aussage, die angesichts des Grabes von Jan Masaryk, dieses einstigen Reserveoffiziers der k. u. k. Armee, der in seinen letzten Stunden noch einmal hellsichtig Alt-Oesterreichs Mission erfaßte, ein herber Beitrag zur jüngsten Geschichte.

Frau eines Botschafters. Von Elisabetta C e r r u t i. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main. 320 Seiten. 29 Abb. Preis 12.80 DM.

Eine kluge und elegante Gemahlin und gut tanzende Attaches, sagte einmal ein Diplomat, seien die unerläßlichsten Voraussetzungen für den Erfolg eines Gesandten oder Botschafters. Das vorliegende Buch bestätigt rtur diese Aussage, zeigt es doch, wie sehr die Gattin eines Diplomaten, der praktisch immer im Dienst ist, ihren Mann in seiner Arbeit unterstützen kann und muß. Die Verfasserin, eine gebürtige Ungarin, verheiratet mit dem italienischen Diplomaten Cerruti, der sein Vaterland in China, Moskau, Rio, Berlin und Paris als Botschafter vertrat, erzählt das — menschlich nicht immer leichte — gesellschaftliche Leben, das alle Diplomaten auf ihrer Wanderung durch die Welt durchmachen müssen. (Ein Diplomat, sagt eine alte Regel, hat am Ende seines Lebens, keine Freunde, kein Vaterland, aber dafür einen verdorbenen Magen.) Das beste Kapitel des Buches stellt der Abschnitt über Hitlerdeutschland dar, dem die Verfasserin mit unverhohlener Abneigung und Feindschaft gegenübersteht. Eine Reihe von interessanten Photos unterstützt ihre Plaudereien.

Der diplomatische Dienst. Von Richard S a 1. let. Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart. 368 Seiten. Preis 15.80 DM.

Elfi interessantes, lehrreiches und bisher fehlendes Buch: es zeigt die Geschichte, die Organisation und den jetzigen Stand der diplomatischen Dienste von Frankreich, Großbritannien und den USA, Von diesen drei Mächten besitzt Frankreich seit frühester Zeit ein großes und gut ausgebildetes Heer von Berufsdiplomaten, während England erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts daranging, sich ein kleines Korps von Berufsdiplomatert zu schaffen, und die USA heute noch vielfach ihre Gesandten und Botschafter aus den Reihen der Nicht-fachleute nehmen. Doch mündet sowohl bei den Briten wie bei den Amerikanern die Entwicklung in jene Bahnen, die Frankreich vorausging, nämlich: ein großes Heer von Berufsdiplomaten zu schaffen, die alle eine besondere Schulung durchmachen müssen, um nicht nur den politischen und repräsentativen Aufgaben, sondern auch den kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen zu genügen, die immer stärker in den Vordergrund treten.

Das Buch von Sallet, das weder die Arbeit der Diplomaten der drei Mächte noch ihre Methoden zeigt, stellt neben seiner eigentlichen Aufgabe noch zwei andere Dinge dar: eine indirekte Geschichte der Außenminister der betreffenden Länder und dann ein allgemeines Bild des Apparates, genannt „Auswärtiges Amt“.

Die Lektüre des Werkes weckt im Leser den Wunsch, daß ein ähnliches Buch auch über den auswärtigen Dienst der alten Habsburgermonarchie erscheinen möchte.

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