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Trachtenbilder für Kaiserin Sisi

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Das weinende, von Protokoll und Hofzeremoniell überforderte Mädchen aus Bayern, das am 24. April 1854 Österreichs Kaiserin wurde, ist nicht nur unter einer Lawine von Eindrücken, sondern auch unter einem Berg kostbarer Geschenke begraben worden, deren Menge sie eher verstörte. Eines davon wurde nun ausgegraben: Die 23 Aquarelle des Malers Albert Decker und die beiliegenden Notenblätter mit „Österreichs National Melodien” in einer prunkvollen Kassette, die der Musikverleger Carl Anton Spina Elisabeth zugedacht hatte, waren - wie sich später zeigte - ein Geschenk von ambivalentem Symbolwert und sind darum ein interessanter Fund. Nun wurden sie zum erstenmal publiziert: „Österreich Ungarn in Lied und Bild - Ein Hochzeitsgeschenk an Kaiserin Elisabeth 1854” im Verlag Christian Brandstätter. Die aktuellen Essays zeichnen sowohl das über dem Habsburgerreich wie über der Ehe Franz Josephs schwebende Verhängnis nach.

Obwohl Elisabeth an ihrem Hochzeitstag einen anstrengenden Intensivkurs in Sachen Österreich hinter sich hatte, konnte sie sich von der Wirklichkeit des Vielvölkerstaates kaum eine Vorstellung machen. Unter den Bildern der 23 Brautpaare aus den 23 Kronländern ist auch eines von der „Militärgrenze”: Friedlich raucht da, auf einem Baumstamm sitzend, der schnurrbärtige junge Mann in pelzbesetztem Rock, blauen Hosen und Stiefeln sein Pfeifchen, beäugt von seiner Schönen - Idyll von einer der jahrhundertelang unterschätzten, für geheilt gehaltenen Bruchlinien des Kontinents. „Wenige wußten,” schreibt Erhard Busek über die Krajina, „daß es die alte österreichische Militärgrenze gegenüber dem Ottomanischen Reich war, die durch serbische Wehrbauern gesichert wurde. Deren Auszug aus dem heutigen Kroatien hat über 200 Jahre ihres Lebens dort offensichtlich beendet.”

Die Blätter der Kassette zeigen Vielfalt unter den Fittichen des Hauses Habsburg, eine idyllische, heile Welt, die genau damals drauf und dran war, zu zerbrechen. Wahrscheinlich war das Geschenk, im by-zantinistischen Stil der Zeit „Ihrer Majestät der Kaiserin von Österreich etc. in tiefster Ehrfurcht dargebracht von E. A. Spina, k.k. Hof u. pr. Musikalienhändler”, ganz und gar naiv gemeint. Aber viele hofften, wie sich bald zeigen sollte: vergeblich, auf einen positiven Einfluß der jungen Kaiserin und auf eine Korrektur des vom Kaiser eingeschlagenen zentralisti-schen Kurses. Emil Brix belegt mit einem köstlichen Zitat Kaiser Franz I. aus dem Jahr 1809, daß die Idee des Kaiserhauses als Schutzpatron der Völker und der Vielheit doch eher anpassend aufgesetzt war: „Pst, pst, ..., jetzt heißt es leise auftreten, die Völker gelten jetzt auch etwas.”

„In sehr vereinfachter Form,” schreibt Brix, „läßt sich die gesamte Politik des Habsburgischen Vielvölkerstaates zwischen 1848 und 1918 als Versuch kennzeichnen, die ethnische

Vielfalt des Reiches in ein politisches System zu integrieren, das nicht bereit war, politische Entscheidungsprozes-se umfassend nach ethnischen Prinzipien zu ordnen.” Noch verhängnisvoller: „Nur fünf ethnische Gruppen, nämlich die Ungarn, die Tschechen, die Slowaken, die Slowenen und die Kroaten, lebten mehrheitlich auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie. In allen anderen Fällen klebte die Mehrheit der - im Sprachgebrauch der Zeit - ,Konationalen' außerhalb der Monarchie. Dies verschärfte Loyalitätskonflikte und begünstigte die Identitätsbildung mit Hilfe sezessionisti-scher Forderungen.”

Aber auch, was die zivilisatorischen Unterschiede betrifft, vermittelten die der jungen Kaiserin „dargebrachten” Aquarelle - falls sie sie näher betrachtet hat - das Bild eines Idylls, das mit der Wirklichkeit wenig gemeinsam hatte. Galizien war, nach einem von Brix zitierten Reisebericht des sozialistischen Politikers Julian Marchlewski, „ein halbes Jahrhundert hinter Böhmen zurückgeblieben, und, wenn es um Ostgalizien geht, dann muß man wohl sagen: um ein ganzes Jahrhundert.”

Doch nicht nur die Krise der Monarchie, auch die der Ehe war am 24. April 1854 vorgezeichnet. Wie sehr, zeichnet Gerda Mraz nach: „Noch bevor Franz Joseph Elisabeths Antwort auf seine Werbung kannte, sagte er zu seiner Mutter: ,Meine Lage ist so schwer, daß es, weiß Gott, keine Freude ist, sie mit mir zu teilen.' Darauf Sophie: ,Aber liebes Kind, wie kannst Du glauben, daß eine Frau nicht glücklich ist, durch Anmut und Heiterkeit Dir Deine Lage zu erleichtern?' Und Elisabeth, einige Tage nach ihrer Zustimmung: ,Ich habe den Kaiser so lieb! Wenn er nur kein Kaiser wäre!'”

Als sie das sagte, hatte die Tochter des unkonventionellen Herzogs Maximilian, der sich mehr fürs Zitherspielen und Zirkusreiten interessierte als für die Politik, noch keine Ahnung davon, wie Protokoll und Hofzeremoniell nach ihr greifen sollten - ein Schock, den Franz Joseph, zwar ganz liebender Gatte, aber das Zeremoniell seit je gewöhnt, zuwenig Verständnis aufbrachte. Musikalische Anmerkungen zur Liedersammlung von Walter Deutsch, ein Aufsatz von Georg J. Kugler über Tracht und Hofkleid und eine ausgezeichnete Kommentierung der Trachten von Irene Kohl runden die reizvolle monarchiegeschichtliche Spezialität ab.

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