Trink- und schreibfreudig

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Die Hauptstadt von Irland ist die literarischste Stadt Europas. Vier Literaturnobelpreisträger hat sie hervorgebracht: G. B. Shaw, Samuel Beckett, William Butler Yeats und Seamus Heaney. Wie viel mehr das literarische Dublin zu bieten hat, ist dem vergnüglich-gescheiten Reisebegleiter "Dublin" zu entnehmen. Natürlich behauptet James Joyce eine zentrale Position, schickt er doch in dem Monumentalroman "Ulysses" seinen Helden Leopold Bloom einen Tag lang auf mehr als 1000 Seiten durch die Straßen Dublins. Diese haben sich gewaltig verändert, seit sich Irland ab 1994 zum keltischen Tiger, dem Wirtschaftswunderland Europas, entwickelt hat. Das Buch haucht den Statuen und Gedenktafeln Leben ein, indem es Romanstellen, Dramenpassagen, Gedichte zitiert und den Leser auf einen literarischen "pub crawl", einen Kneipenbummel, mitnimmt. Literatur ist in Dublin unentwirrbar mit dem Pub verbunden, und so führen jedes Jahr Schauspieler mehr als 25.000 Touristen von Schenke zu Schenke, rezitieren Verse, intonieren Balladen, inszenieren Dramen, posieren mit Flair als die vorgestellten Autoren und informieren über deren Werke und Wirkungsstätten. Auf diese Weise werden die Schriftsteller der musealen Sphäre entrissen, denn die fröhlichen literarischen Sauftouren sind wahrlich das Gegenteil von Wallfahrten zu Geburts- oder Wohnhäusern mit Glasvitrinen voller Heiligenreliquien!

Der Umgang der keltischen Urbevölkerung mit Dichtung war unbefangen; ebenso jener der Briten, die sich über Jahrhunderte (seit König Heinrich II. 1171 die Insel eroberte) dort niederließen und zu Anglo-Iren wurden. Die große irische Literatur ist auf Englisch, in der Sprache der Eroberer, geschrieben. Ihre Besonderheiten, etwa ihr Witz, Humor, ihre Scharfzüngigkeit (Swift, Oscar Wilde), ihr Sinn für Groteskes und Übernatürliches, ihre Tiefe im Religiösen, machen sie unverwechselbar. In diesem Buch kommen auch gälisch Schreibende nicht zu kurz, die der ältesten nachklassischen Literatur dienen. Selbst für "armchair travellers", also Leute, die bequem im Ohrensessel sitzend sich nur auf eine Phantasie-Reise einlassen, ist die Verknüpfung von Ort und Wort, von Landschaft und Legende, von Topographie und Mythologie durch die schönen Bilder nachvollziehbar.

Dublin. Ein Reisebegleiter

Von Hans-Christian Oeser

Verlag Insel, Frankfurt 2005

250 Seiten, brosch., mit Abb., e 10,30

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