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Geschichten des schwedischen Journalisten Richard Swartz.

Sprache ist ein eigentümlich Ding. Selten ist mit Sprache Heimatlosigkeit so deutlich geworden wie in Richard Swartz Erzählband "Adressbuch". In einem Adressbuch stehen Namen und Orte und dieses Büchlein vereinigt viele kleine Heimaten. "Geschichten aus dem finsteren Herzen Europas" ist der Untertitel. Die Geschichten müssten rühren, doch der Leser bleibt kühl. Vielleicht aufgrund der Art des Erzählens oder möglicherweise hat auch die Übersetzung (aus dem Schwedischen) ihren Anteil daran.

Sperrig

Mit diesem sperrigen "Adreßbuch" des 1945 in Stockholm geborenen Autors, der als Osteuropa-Korrespondent arbeitet und dessen Buch "Room Service, Geschichten aus Europas Nahem Osten" ein internationaler Erfolg war, wird man schwer warm. Um Fremdheit geht es in diesen Geschichten. Da ist der Großvater, der mit Schuhen für Soldaten in beiden Weltkriegen viel Geld verdient, seine Bibliothek pflegt, die Bücher binden lässt, um sie am Schluss zu verschenken. Ratlosigkeit bleibt zurück, an zwei Kriegen hatte er verdient und trotzdem der Kultur gefrönt. Keine leichte Perspektive, aber Swartz stiehlt sich aus der Verantwortung mit einem beliebigen Satz: "was er in dieser Unterwerfung wirklich das Seine nennen konnte (...) dann war es etwas, das er nicht wahrhaben wollte, etwas, das er lieber endgültig und so tief in seinem Inneren vergraben hatte, dass niemand es wieder ausgraben könnte, um ihn an das allzu Offensichtliche zu erinnern - dass das was vergraben war, nur ihm und sonst keinem gehörte".

Berührend aber die Geschichte "Böhmen am Meer", wo sich ebenfalls ein Mensch verliert, in seinem Hass auf die Vergangenheit, den verlorenen Krieg und den Kommunismus. Der von den Tschechen vertriebene Herr Kralik lebt hinfort auf der anderen Seite der Grenze im Mühlviertel als Fotohändler und wird zu einem Synonym für Heimatlosigkeit.

Bedeutungsvoll

In einer anderen Vergangenheit ohne Zukunft und mit einer abgewirtschafteten Gegenwart lebt ein Prinz in der Vegagasse im 19. Bezirk von Wien und verdingt sich als Zeremonienmeister bei Bällen, die Tochter eines Emigranten, der in diesem Haus gewohnt hat und die die Einrichtung noch so vorfindet, taucht auf und dann setzt bedeutungsvoller Nieselregen ein.

In der Geschichte über das Hotel "Europa" in Prag prallen die unterschiedlichen Kulturen aufeinander. Fremdenfeindlichkeit hatte auch in der kommunistischen Internationalität eine Heimat, beziehungsweise einen Platz. Zum Schluss ist da noch ein Kantor, der irgendwo in Rumänien alleine mit seiner Sprache zurückgeblieben ist. ("Ich war abgereist und nun schwieg er in seiner eigenen Sprache.")

Adressbuch - Geschichten aus dem finsteren Herzen Europas

Von Richard Swartz

Aus d. Schwed. v. Verena Reichel

Carl Hanser Verlag, München 2005

198 Seiten, geb., e 18,40

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