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Dagmar von Gersdorff auf den Lebensspuren der Romantikerin Karoline von Günderrode.

Warum ward ich kein Mann! Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglükseligkeit. Nur das Wilde, Grose, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges aber unverbesserliches Misverhältniß in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib, und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und so uneins mit mir."

Dies bekennt Karoline von Günderrode, geboren 1780, ausgerechnet in einem Brief an ihre Rivalin Gunda Brentano, die drei Jahre später den von ihr geliebten Rechtsgelehrten Friedrich von Savigny heiraten wird. Auch nach dem Scheitern ihrer Beziehung will sie ihm "Freund" bleiben. Ihre Zerrissenheit zwischen dem Männlichem und dem Weiblichen macht sie nicht nur in ihren Briefen, sondern auch in ihrer Dichtung zum Thema.

Die Günderrode - wie sie genannt wurde - war nicht integriert in den Kreis romantischer Geselligkeit, obwohl sie mit vielen Romantikern befreundet war und sich immer wieder an verschiedenen Orten mit ihnen traf. Sie blieb das adelige Fräulein, das nach dem frühen Tod des Vaters mit siebzehn Jahren von der Mutter in ein Frankfurter Damenstift gesteckt wurde und sich als Schriftstellerin das männliche Pseudonym "Tian" zulegte. Sie war eine schöne und melancholische Frau, die eingesperrt war in eine konventionelle Frauenrolle, die sie weder im Leben noch im Schreiben erfüllen wollte.

Poesie als Spiegel

Ihre Dichtung orientierte sich an männlichen Vorbildern und Ansprüchen, ihr durch Selbststudium erworbenes literarisches, philosophisches und mythologisches Wissen war umfassend. Heitere Verse und Liebesgedichte erwartete man vergeblich von ihr. Das schmale Werk umfasst Prosa, Gedichte und Dramen und spiegelt romantische Sehnsüchte nach der Einheit von Geist und Körper, Ich und Natur wider. An ihre geliebte Freundin Bettine Brentano schreibt sie: "Ich suche in der Poesie wie in einem Spiegel mich zu sammeln, mich selber zu schauen und durch mich durchzugehen in eine höhere Welt."

Mit Bettine verbindet die Günderrode eine intensive Freundschaft und Bettine ist es auch, die dreißig Jahre nach Karolines Tod in ihrem Briefroman "Die Günderrode" das Andenken an die Freundin bewahrt. "Es war eine Beziehung, die der homoerotischen Komponente nicht entbehrte", schreibt Dagmar von Gersdorff in ihrer sorgfältig recherchierten Biografie über Karoline von Günderrode. Beide wollten nicht einsehen, dass Männer alles durften und Frauen nichts und entwarfen deshalb eine neue "Schwebe-Religion".

Kein Glück mit Männern

Mit den Männern, die Karoline liebt, hat sie kein Glück. Weder Clemens Brentano oder Savigny, der sie zeitlebens "das Günderrödchen" nennt, noch ihre große Liebe, der verheiratete Religionswissenschaftler Friedrich von Creuzer, bekennen sich zu ihr. Aber Creuzer bewundert ihre Literatur, nennt sie "Zauberin der Poesie" und mit ihm kann sie erfolgreich zusammenarbeiten.

Von Savigny bleibt ihr nur "der Schatten eines Traumes" und mit Creuzer trifft sie sich zwar heimlich und verbringt leidenschaftliche Nächte, doch seine mehrfachen Ankündigungen, sich scheiden zu lassen, werden immer wieder zurückgezogen, zuletzt, weil Savigny als finanzieller Gönner und Mäzen von Creuzer die Scheidung untersagt. Karoline von Günderrode wird von beiden Männern verraten, Creuzer erscheint nicht wie vereinbart zu einem Treffen in Winkel am Rhein. Am 26. Juli 1806 stößt sich die sechsundzwanzigjährige Karoline von Günderrode am Flussufer ihren Dolch, den sie immer bei sich trägt, ins Herz.

Dagmar von Gersdorff zeichnet rechtzeitig zum 200. Todestag mit vielen Belegen aus Briefen und Texten das kurze Leben einer der wichtigsten Autorinnen der Romantik nach, erzählt keine Geschichten, hält sich mit Interpretationen zurück und lässt die Dokumente sprechen. Auf unprätentiöse Weise wird in dieser Biographie Karoline von Günderrodes Satz "Die Erde ist mir Heimat nicht geworden" verstehbar.

"Die Erde ist mir Heimat nicht geworden" Das Leben der Karoline von Günderrode

Von Dagmar von Gersdorff

Insel Verlag, Frankfurt 2006

284 Seiten, geb., e 20,40

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