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Unwirkliche Historie

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Österreichische Rhapsodie. Von Friedrich Heydenau. Deutsche Buchgemeinschaft, Wien. 460 Seiten.

Die beiden Helden dieses Romans sind, um das vorweg zu sagen; durchaus untragbare Gestalten. Der eine ist der Sprößling eines leichtfertigen, primitiven und gewissenlosen Paares, der bereits als Zögling des ersten Jahrgangs einer k. u. k. Kadettenschule alles weiß und namentlich von sämtlichen militärischen Dingen ungleich mehr versteht als der beste General der alten Armee: der andere, jenes Wunderknaben väterlicher Freund und Mentor, ist ein Regimentsarzt, der, dank seiner Behandlung eines erzherzoglichen Hexenschusses, in einem Sprung zum Chef des militärärztlichen Offizierskorps avanciert und nebenbei auch alle Probleme der Politik und militärischen Strategie souverän beherrscht. Ewig schade, daß man die beiden, jenes Wunderkind und seinen genialen Protektor, nicht an die Spitze der politischen und militärischen Leitung der Monarchie gestellt hat: dann wäre der erste Weltkrieg nie ausgebrochen oder, falls doch, wäre er sofort gewonnen gewesen.

Der .historische Hintergrund der Erzählung — sie spielt zwischen 1895 bis 1914 — entspricht der Wahrscheinlichkeit der vom Verfassei gezeichneten Gestalten. Richtig ist, was er über den nationalen Hader innerhalb der Monarchie und über das verhängnisvolle Treiben der .Völkischen in Böhmen zu sagen hat: alles übrige, seine Bewertung politischer Vorgänge, seine Schilderung historischer Persönlichkeiten und Ereignisse, seine Vorstellung vom österreichischen Offizierskorps, ja selbst die Sprache, die er den Zöglingen einer öste.reichischen Kadettenschule in den Mund legt, ist völlig unwirklich. So hält er die Amtsbezeichnungen „Kabinettschef und .Ministerpräsident“ für gleichbedeutend; zum Nächfolger des Generals Conrad, nach dessen im Herbst 1911 erfolgten Enthebung als Chef des Generalstabs, ernennt er nicht etwa den General der Infanterie Schemua, der es wirklich wurde, sondern den damals schon 81 jährigen Feldzeugmeister im Ruhestand, Grafen Beck: einer kleinadeligen Beamtenfamilie spricht er einen Adelsbrief zu, der, älter als Jener der Habsburger, bereits von den Babenbergern (I) ausgestellt worden sei; die „Sla- wonier sind für ihn ein eigener Volksstamm mit einer eigenen Sprache, und so weiter.

Der Romancier hat das unbestrittene Recht, von der poetischen Lizenz Gebrauch zu machen: aber diese Lizenz enthebt ihn nicht jron der Verpflichtung. «Rh über das von ihm gewählte Zeitalter und Milieu zu orientieren. Heydenau hat dies leider großteils unterlassen. Es geht nicht, einen österreichischen Militärroman zu schreiben, ohne sich wenigstens mit den Grundzügen der österreichischen militärischen Tradition und Militärsprache vertraut zu machen. Sein Versuch ist deshalb leider als mißglückt anzusehen.

Kurt Strachwitz

Im Schatten der Hofburg. Von Juliana von Stockhausen. F.-H.-Kerle-Verlag, Heidelberg. 280 Seiten.

Die jüngste Veröffentlichung in der Reihe dilettantischer Bücher über die francisco- josephinische Zeit, hat die früher erschienenen Schriften durch eine in vielen Fällen an Verleumdung grenzende Gehässigkeit weit übertroffen. Unbeschwert von geschichtlichen Kenntnissen, zahlreiche Tatsachen entstellend, bringt die Autorin eine Fülle von Zerrbildern fast aller in Betracht kommenden Persönlich-

keifen. Als Belege für ihre mitunter haarsträubenden Behauptungen, zitiert Frau von Stockhausen unter anderem auch Äußerungen der Kronprinzessin Stephanie, die mit dem wahren Sachverhalt derart in Widerspruch stehen, daß man sie nur mit der allergrößten Skepsis hinnehmen darf. So läßt die Autorin die Erzherzogin in Zusammenhang mit der Tragödie von Sarajewo sagen: .Franz Ferdinand und Sophie hatten es gewagt, dem Kaiser zu trotzen. Stück für Stück mußten sie mit ihrem Glück und endlich mit ihrem Leben dafür bezahlen. , Sarajewo war nur möglich mit dem Wissen der Minister. Es war dem Kaiser klar, in welche Gefahr der Thronfolger lief; er sah einfach zu. Von einer äußerst lückenhaften Kenntnis der österreichischen Geschichte zeugt die die Fürstin Windischgrätz, die Tochter des Kronprinzen, betreffende Stelle. .Wir erfahren, ungarische Staatsrechtler hätten aus der Pragmatischen Sanktion gewisse Ansprüche der Erzherzogin Elisabeth auf den Thron abgeleitet. .Der Kaiser hat das Problem bewußt unterdrückt: man hat die Erzherzogin, ebenso wie die Öffentlichkeit, über den ganzen Fragenkomplex in die Irre geführt. Die Erherzogin wurde so bald wie möglich verheiratet..'. Die Frage hätte sich noch dazu ganz einfach lösen lassen, indem man die Erzherzögin einem Erzherzog vermählte. Der Kaiser wollte nicht. Er hat die Tochter für den Selbstmord des Kronprinzen büßen lassen. Es wäre ein leichtes, viele andere Geschichtsfälschungen dieser Sorte zu bringen, doch dürften die angeführten Stellen jedem vernünftig Denkenden zur Charakterisierung dieses Buches genügen.

Jean de Bourgoing

Andreas Freiherr von Baumgartner als Vorbild und Wegweiser Adalbert Stifters. — Andreas Freiherr von Baumgartner als Risach in Adalbert Stifters „Nachsommer“. Beide: Karl Bardachzi. In: Anzeiger der phil-hist. Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jahrgang 1950, Nr. 23, und 1951, Nr. 11.

Karl Bardachzi behandelt in seinen beiden Aufsätzen die Bedeutung des Freiherrn von Baumgartner für Adalbert Stifter. Die feststellbaren Daten und Charaktere von Baumgartners Leben und Wirken sind in einfach klarer Sprache dargestellt. Der gar nicht hoch genug anzuschlagende Einfluß dieses älteren Landsmannes Stifters auf seinen jüngeren Schüler ist durchaus überzeugend belegt. Stifters physikalische und naturwissenschaftliche Anschauungen gehen auf die Vorlesungen und den Einfluß Baumgartners zurück. Welchen nachhaltigen Eindrude der Dichter von diesem empfangen hat, beweist der Verfasser in dem zweiten Aufsatz, der in der Hauptgestalt des .Nachsommers , Risach, das Vorbild Baumgartners an einer reichen Fülle glänzend belegter Einzelheiten darstellt. Die beiden Aufsätze bedeuten eine hochwillkommene Bereicherung der Stifter-Literatur.

Dr. Robert Müh liier

Rilkes letzte Landschaft. Zehn Versuche. Von Wolfgang Schneditz. Pallas-Verlag, Salzburg. 176 Seiten, 6 Abbildungen.

Der Verfasser hatte 1947 em kleines Buch .Rilke und die bildende Kunst“ (Kienrich, Graz) veiöffentlieht. Sieben von den zehn Essays dieses neuen Bandes sind dem gleichen Thema gewidmet. Der Einfluß der Florentiner Kunst, Grecos, Cezannes, Picassos, der ägyptischen Kunst, auf das Schaffen Rilkes wird überzeugend nachgewiesen. Interessant für jeden Rilke-Liebhaber ist di« Bedeutung, die der Verfasser einerseits der Malerei Grecos für Rilkes Engelerlebnis zu mißt, andererseits Picassos Salimbeque- Gemälde für die Entstehung der fünften Duineser Elegie. Das Buch enthält noch eine Abhandlung über den „Ur-Cornet“, über Rilkes Beziehung zum Okkultismus und über das Wallis, jenes Tal, in dem der Dichter seine letzten Lebensjahre verbrachte. Leider ist das vorliegende Buch sprachlich nicht sehr auf der Höhe. Eine Kürzung urtd nochmalige Feilung hätte ihm gut getan, wie auch ein Abstimmen der verschiedenen Kapitel aufeinander.

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