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Veränderer? Visionär? Ideologe: Der neue Macher

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Die „Macher” liegen im Trend. Ist der Aufstieg dieser neuen politischen Ikone ein Zeichen für eine grundlegende Veränderung der politischen Kultur? Oder handelt es sich nur um eine Inszenierung, ein geschickt lanciertes Vexierbild, um „Politik der Gefühle”, wie der Schriftsteller Josef I Iaslinger in der furche kürzlich meinte. Bewirkt der Durchmarsch der Macher eine Änderung der Inhalte der Politik? Und wenn ja, in welche Richtung? Als Befreiung von lähmender Immobiliät? Als Rettung einer pragmatischen „Politik der Mitte” vor linken und rechten Radikalismen? Oder als Treibsatz und Dopingspritze für ein wahnwitzig gewordenes System der Beschleunigung, der Rationalisierung und der Vergötzung von Markt und Technik?

Meinungsumfragen und Stammtische, mithin die Bildschirme, die den politischen Machtzentralen eine Life-Übertragung der Vorgänge draußen in der Welt vorgaukeln, legen es den Spitzenpolitikern nahe, Machereigenschaften wie Durchschlagskraft, Effizienz, Tempo und Härte zu forcieren. Qualitatszeitungen berichten anerkennend, die Regierung fege jede Woche ein Problem vom Tisch.

Lobend spricht man von einem perfekten „Take-Over”, wenn innerhalb weniger Stunden Personen in und aus der Regierung wie Schachfiguren hin-und hergeschoben werden. Härte ist Trumpf, trotz all der zähnefletschenden Herzlichkeit, und man lobt die neue, leistungsfördernde Gnadenlo-sigkeit in der Politik: „Jeder hat einen (!) Fehler gut”. Immerhin.Wer an die Rationalitätskriterien der Moderne gewöhnt ist, dem fällt es schwer, Politik aus der Perspektive der Seitenblicke, der Symbole, Bilder, Gesten und Wortwahl, zu beobachten und zu bewerten. Man wird dabei das unsympathische Gefühl nicht los, einen Beitrag zur Verlagerung von Politik auf eine von der Bealität und damit den Problemen, Bedürfnissen und Entscheidungen entkoppelten virtuellen (also künstlich erzeugten) Welt zu leisten. Doch die Flucht der Politik aus der Realität ist längst Realität. Mehr noch: Aufweiche Weise die Stoffe, die irgendwie doch aus der Realität stammen, also Befunde, Entscheidungen und Probleme, medial, symbolisch und visuell in Szene gesetzt, rekombiniert und präsentiert werden, ist längst hochkonzentrierte, hochwirksame Politik geworden. Wir müssen erst begreifen lernen, was der Megatrend „Virtualisierung der Politik” wirklich bedeutet: Probleme werden als solche definiert oder . wegdefmiert. Ängste erzeugt oder abgebaut. Personen ins Rampenlicht geschoben oder demontiert. Informationen gefiltert oder verstärkt. Wertmaßstäbe eingehämmert oder abgekanzelt. Zukünfte als wünschbare verklärt oder in die 'Tiefen politischen Vergessens oder Verdrängens versenkt. Selbst wenn also Macherturn, Effizienzkult, Härte und telegene Herzlichkeit nur ein symbolischer Trend wäen, es handelte sich jedenfalls um „wirk”-same, wenn auch nicht „wirkliche” Politik. Sie ist Teil einer Konstruktion der Welt, die von den Köpfen ausgehend die Welt auch verändert.

Ist es nicht paradox, daß ausgerechnet die als kühl geltenden Macher von den Möglichkeiten industrieller Produktion künstlicher Welten so unwiderstehlich angezogen werden? Um zu verstehen, warum das ganz und gar nicht paradox ist, muß der Begriff des Machers seiner gefühlsorientierten „werbenden” Komponente entkleidet und sein politisches Programm definiert werden:

Der Macher ist einer pragmatischen und technokratischen Politik verpflichtet. Er ist kein „Veränderer”, kein „Visionär”, kein „Ideologe”. Er reiht eine Entscheidung an die andere, eingepaßt in die bestehende Kräftepolygone. Er besitzt einen unfehlbaren Blick für das jeweils Mögliche. Er ist sicher, wohin die Reise gehen soll, und die Vorfreude auf das gestellte Ziel motiviert ihn zu einem unermüdlich fröhlichen Optimismus. Er liebt die Signalbegriffe „Aufbruch” und „Offensive” ebenso wie den Hinweis auf das offenbar besonders rosig vorherempfundene 21. Jahrhundert. Er akzeptiert die restriktiven Bedingungen heutiger Politik und sucht seine Chancen zur Problemlösung innerhalb dieses Kontexts.

Nun kommen wir der Sache schon näher: Macher verstehen Politik als Technik: als Technik der Problemlösung und als Technik der Machtausübung. Zusammengefaßt: „Machertum” ist der offensive Versuch, die deutlich knapper gewordenen Res-sourcen verwaltender Politik zu konzentrieren, besser zu bündeln, entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen und dem allgemeinen Verfall der für Politik aktuell verfügbaren Ressorcen gegenzusteuern.

Daraus ergeben sich einige Fragen: Auf welche Mittel und Methoden ist das Machertum dabei konzeptionell angewiesen? Kann es mit diesen Mitteln die der Politik heute gestellten Aufgaben lösen? Ergeben sich aus den naheliegenen Methoden der Macher und ihrem Poltikverständnis inhaltliche Konsequenzen? Welche Kosten verursacht das Machertum, beispielsweise an Verlusten demokratischer Qualität und politischer Kultur?

Der Macher tritt in einer denkbar schwierigen Situation an: Problemberge, Niedergang der Lebensqualität bei der Mehrheit der Menschen, wachsende Widerstände, zunehmende Desintegration der Gesellschaft, eine enttäuschte Abwendung vieler von der Politik, und das alles wird begleitet von einem Ausrinnen nahezu aller klassischen Grundlagen erfolgreicher Politik, ob Geld, Gesetz, Akzeptanz oder Solidarität.

In dieser Situation die pragmatische Linie möglichst geringer Veränderungen zu halten, ist sicher eine extreme Herausforderung. Möglicherweise re-suliert daraus das ausgeprägte Selbstbewußtsein der Macher. Ich meine nun, daß das Spannungsverhältnis zwischen den enormen Problemen und der pragmatischen Generallinie der Macher ziemlich folgerichtig zu bestimmten technizistischen Konsequenzen führt, die uns eine zweite, sehr dunkle Seite der Macher offenbaren. Es sind dies: Eine hochentwickelte Nutzung symbolisch-virtueller Politik, eine Konzentration des politischen Machtapparats, eine stärkere Formierung des politischen Systems, ein gezielter Gebrauch des Populismus als Machtinstrument, eine Entkoppelung der Politik von wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen und Denkweisen - und letztlich eine weitreichende Reformunfähigkeit.

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