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Verdurstende Erde

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In meinem Aufsatz in der „Furche vom 10. Nov. 1951 „Raum für alle.. / vertrat ich die Anschauung, daß nach menschlichem Ermessen die Ernährung der Bevölkerung der Erde auch dann nicht in Frage gestellt sein wird, wenn sie sich in der Weise weiter vermehrt wie in den letzten hundert Jahren, wenn, ja wenn die Versorgung aller Geschöpfe mit Wasser stets sichergestellt sein wird.

Es mag manchem überflüssig erscheinen, diese Bedingung zu stellen, denn Wasser — so sagen sie — haben wir doch — man denke nur an die letzten Überschwemmungen in Italien und in Südfrankreich und an die Lawinenkatastrophen des vergangenen Winters — in mehr als reichlichem Umfang, so daß ein Mangel als ganz undenkbar erscheint.

Diese Ansicht ist aber — leider unrichtig! Denn wenn wir auch in Österreich zumeist noch immer über genügend viel Wasser verfügen, wir damit einen überaus kostbaren Schatz besitzen, ein Glück, das eben nur den wenigsten zum Bewußtsein kommt, so können wir doch, besonders bei Auslandsreisen, immer wieder feststellen, daß die Verteilung des Wassers allenthalben ständig schlechter wird, es immer seltener zur richtigen Zeit zur Verfügung steht und däß wir daher einer Katastrophe unabsehbaren Umfanges entgegengehen, wenn wir mit der Gottesgabe Wasser weiter so sorglos umgehen wie bisher.

Daß die Wüsten- und Steppengebiete in der ganzen Welt an Ausbreitung gewinnen, ist bekannt. Wir wissen auch, daß sich die Sahara jährlich in einer Breite von mehreren tausend Kilometern um ein großes Stück nach Süden vorschiebt und daß in Amerika, in Asien und auch in Europa immer mehr Land durch Austrocknung unfruchtbar wird und daher von seiner Bevölkerung verlassen werden muß.

Man dtirf aber ja nicht glauben, daß sich diese Veränderungen „nur weit drunten in der Türkei“ vollziehen: sie finden auch in Österreich, ja selbst im Weichbilde Wiens statt, deutlich für jeden, der sich nur die Mühe nimmt, die Natur zu beobachten. Denn, und das ist ja besonders besorgniserregend, diese Veränderungen in der Natur vollziehen sich nicht im Verlaufe langer Geschlechterfolgen, sondern, nachdem das Unheil bereits seinen Lauf genommen hat, wesentlich rascher, so daß es recht gut möglich ist, daß sie von einem Men -.dien während seines Erdenwallens beobachtet werden.

Einige Beispiele: Die Feststellung der mittleren Wasserstände der Donau ergab bei einem Vergleich der Aufzeichnungen der Jahre 1901 bis 1910 und der Zeit von 1941 bis 1950 ein Absinken derselben von 27 Zentimeter in Stein, von 56 Zenti- neter in Zwentendorf und v6n 52 Zentimeter in Tulln. Da sich in derselben Zeit die Ufer durch Anlandung, das beifit durch Ablagerung von Schlamm und Sand, etwas erhöhten, vergrößerte sich der Abstand der Oberfläche des Wassers — und damit auch des Grundwassers — von der des Bodens in weiten Gebieten Niederösterreichs um ein drittel bis einen halben Meter,- ein Umstand, der ein deutliches Zurückbleiben der Entwicklung der Bäume im Prater und, noch viel mehr in die Augen springend, in der Lobau zur unmittelbaren Folge hat. Auf den Bildern aus dem Marchfeld im Kronprinzenwerk .Die österreichische Monarchie in Wort und Bild 6ehen wir Bäume und Wasser, die heute fehlen. Jene Böden, die zur Zeit der Jahrhundertwende als die besten galten und demgemäß auch in eine hohe Steuerklasse gereiht wurden, sind heute trocken und .brennen daher alljährlich aus. Die damals — weil versumpft — als die schlechtesten galten, sind heute die besten und ertragreichsten, weil das im Überfluß vorhanden gewesene und daher den Pflanzen abträgliche Wasser abgesenkt wurde. Dieselben Beobachtungen können wir aber auch in allen Bundesländern, oft in erschreckendem Umfange, machen: überall sinkt das Grundwasser versiegen die Brunnen und Quellen und stehen der Versorgung der Städte mit Wasser immer größere Schwierigkeiten entgegen, die stets nur mit steigenden Kosten mühsam überwunden werden können. Vorläufig noch!

Zugleich verursachen immer häufiger Wolkenbrüche und lang anhaltende Regen das Entstehen von Katastrophen.. In Unmengen stürzt das Wasser ins Tal, Häuser, Dörfer und ganze Landschaften binnen weniger Stunden verwüstend, um dann wieder so plötzlich, wie es gekommen ist, zu verschwinden, ein ödes, mit Geröll und Schlamm verheertes, für den Anbau auf Jahre hinaus unbrauchbares Land zurücklassend.

Die Ursachen all dieser Erscheinungen, über die man bestenfalls nach einer Woche des Bedauerns mit Achselzucken ZUT Tagesordnung übergeht, liegen in erster Linie in den fortgesetzten Eingriffen des Menschen in den harmonischen Kreislauf des Wassers, in der rücksichtslosen und unverständigen Zerstörung der Wälder, die als die Mutter der Quellen und des Grundwassers anzusehen sind: Nach den Angaben des österreichischen Produktivitätszentrums sollten in Österreich planmäßig 63.000 Hektar Waldland geschlägert sein und noch der Wiederaufforstung harren. Tatsächlich sind aber schätzungsweise 22 9.520 Hektar nicht bestanden! 853.760 Hektar gelten zahlenmäßig wohl als ein- bis zwanzigjähriger Jungwald, gegen planmäßig 615.200 Hektar, sind also aufgeforstete, aber — wie man nur zu oft feststellen muß — nicht in einer den Grundsätzen der Forstwirtschaft entsprechenden Weise. Jedenfalls wurde viel zu viel Wald — dem Forstgesetz widersprechend — geschlägert und nicht oder doch nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß wieder aufgeforstet, leider nicht selten auch an steilen Hängen, an welchen der ohnedies nur karge Boden besonders des Schutzes der Bäume bedürfen würde. Sonne und Wind trocknen nun die freiliegende Erde aus und Stürme und Regen blasen und verschwemmen sie rasch hinweg. (Auch Schneeberg und Rax trugen noch vor 150 Jahren dichte Wälder.)

Das nun bloßliegende Gesteip vermag nunmehr das Wasser des Regens nicht mehr festzuhalten, das ehedem, als noch Wald den Boden bedeckte, in der Erde zu Grundwasser wurde urjd Brunnen und Quellen speiste. So aber stürzt es unaufhaltsam ins Tal und verursacht dort Katastrophen. wie wir eine soeben schau dernd miterlebt haben, in einem Lande,- dessen Flüsse aus Bergen kommen, die schon vor Jahrhunderten entwaldet wurden. Aber nicht genug damit! Wenn sich die Fluten verlaufen haben, trocknen Bäche und Flüße aus. Die Quellen und Brunnen versiegen, und die Pflanzen, deren Wurzeln nicht mehr das Grundwasser erreichen, müssen vertrocknen oder liefern bestenfalls geringe Ernten.

Im Hügelland und in der Ebene liegen die Verhältnisse wohl einigermaßen günstiger. Aber auch hier gibt es große Zerstörungen und Schäden durch abgewehte Erde und Schnee, eine Folge der Entfernung der schützenden Baumredhen und der Freilegung des losen Bodens.

Der Zerstörung der Wälder und der Unterbrechung des ewigen Kreislaufes des Wassers und damit auch der Grundlagen des menschlichen Lebens kann — in letzter Stunde — noch Einhalt geboten werden, wenn alles getan wird, um unsere Wälder und in der Ebene die Baumbestände zu erhalten und sie dort, wo sie voreilig vernichtet wurden, wieder zu be gründen. Da es sich hiebei fast durchwegs immer nur um landwirtschaftlich nicht nutzbares Land handelt, besteht keine Gefahr, wie befürchtet werden könnte, daß durch diese Maßnahmen die Ackerfläche vermindert wird. Der geringe Verlust an Land, der gelegentlich doch entstehen wird, wird aber, wie die Erfahrungen an unseren Windschutzanlagen zeigen, durch erheblich höhere Emten der Feldfrüchte und den Ertrag an Holz mehr als wettgemacht .

Ein bitteres, leider nur zu richtiges Wort sagt: Gott schuf die Welt — der Mensch die Wüste. An uns liegt es, daß der zweite Teil dieses Satzes nicht auch in Österreich zur Wirklichkeit werde und daß das Werk Gottes in seiner Harmonie und Schönheit zum Wohle des Menschen erhalten bleibe. Darum: Schützet den Wald! Er ist des Wohlstands sichere Quelle. Schnell verheert ihn die Axt. Langsam nur wächst er heran. Unser Tun und Schaffen, die Enkel werden es richten. Sorgen zur Zeit wir mit Fleiß, daß sie uns rühmen dereinst!

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