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Anna Kim bringt in "Die Bilderspur" die deutsche Sprache zum Klingen.

Suchen - Finden - Verlieren; oder: Annäherung - Gemeinsamkeit - Entfremdung; in dieser Dreiteilung bewegt sich Anna Kims außergewöhnliches Erstlingswerk "Die Bilderspur". Der Text ist ebenso ein Künstlerporträt wie das schonungslose Sezieren einer Vater-Tochter-Beziehung im Wechselspiel von Nähe und Fremdheit. Die Erzählerin fällt aus dem Nest, aus der Familie in eine andere Kultur. Und sie versucht sich ihre "Heimat" zu erschreiben.

Dieses Unterfangen ist nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Selbst der Vater verschwindet immer wieder im Nebel der Distanz.

Verlorene Vertrautheit

K. wie Kind in der Erinnerung, heute eine junge Erwachsene, die Erzählerin unternimmt etliche Versuche zu verstehen, die verlorene Vertrautheit zurückzugewinnen. Aber es klappt nicht so recht. Die Verhältnisse haben sich geändert. Der Vater, Künstler, Maler, der einst in Bildern sprach, ist verstummt, ein Pflegefall im Rollstuhl und im Krankenhaus. Noch schlimmer, sie haben einander nichts zu sagen und die Tochter weiß nicht, wie sie sich ihm wieder nähern könnte, und versucht es deshalb aus der Ferne. Unternimmt einen Fluchtversuch vom Sterbebett, um sich ihm in verschiedenen kulturellen Kontexten wieder anzunähern.

Urlaub vom Abschied

Anna Kim schildert hier ebenso einen Abschied vom Vater wie einen Neubeginn der Tochter, die "Urlaub nimmt vom Abschiednehmen". Sie sucht den Vater ihrer Kindheit und findet ihn in seinen Bildern, das ist die "Bilderspur", die er ihr legte. Sie greift sie auf, indem sie nun ihrerseits in Bildern spricht. Nur eben in Metaphern, ihr Ausdrucksmittel ist der Text und nicht die Malerei.

Die Nachwuchsautorin Anna Kim, Jahrgang 1977, stammt ursprünglich aus Südkorea, studierte in Wien und veröffentlicht seit mehreren Jahren in Literaturzeitschriften, etwa den manuskripten. Wie viele andere vor ihr (man denke nur an Vladimir Vertlib, Dimitri Dinev oder Wladimir Kaminer) hat sie statt ihrer Muttersprache das Deutsche zur Sprache ihrer Literatur erkoren.

Auch hier kostet sie die Fremdheit aus, erhebt sie zur Kunst und zum Thema: die Fremdheit in einer Kultur wird in Anna Kims "Bilderspur" zu einem poetischen Zusammenspiel von Inhalt und Form.

In der Sprache zu Hause

Dabei ist die Autorin in der Sprache so sehr zu Hause, dass sie sich schon wieder leisten kann, sich an ihren Umbau zu machen, sich nach ihren Vorstellungen darin einzurichten - und sie gerade dadurch zu verfremden. In freizügigem Umgang mit grammatikalischen Regeln, einer Fülle von Wortschöpfungen, überraschenden Vergleichen und neuen Bildern bringt Anna Kim die deutsche Sprache zum Klingen wie ein exotisches Instrument.

DIE BILDERSPUR

Roman von Anna Kim

Droschl Verlag, Graz 2004

87 Seiten, geb., e 15,20

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