6728533-1965_41_15.jpg
Digital In Arbeit

Verharmloste Dämonie

Werbung
Werbung
Werbung

„Wie komisch Nestroy auch zuweilen wird — er kann das Unheimliche nicht verdrängen, welches den Zuschauer beschleicht“, notierte ein zeitgenössischer Bericht. Dieses „Unheimliche“ müßte auch hinter der Posse gegen Dünkel und Vorurteil „ßfer Talisman“ spürbar werden. Denn die roten Haare des Barbiergesellen Titus Feuerfuchs, deret-wegen er ständig mit „Fahrst ab, rote Ruabn“ angesprochen wird, und die des „ihm verwandten Wesen“, der Gänseliesl Salome Pockerl, trüben den Blick der Menschen, welche zu jeder Zeit etwas finden, sei's die Haarfarbe, sei's die Hautfarbe, was sie abschätzig betrachten oder überwerten. Der an sich simple Vorgang des bald eine schwarze, bald eine blande Perücke tragenden Rotschopfs entwickelte Nestroy zu einem Feuerwerk komischer Einfälle, köstlicher Wortballungen und ironischer Lebenserfahrung. Wohl um es dem jugendlichen Publikum annehmbarer zu machen, inszenierte Peter Weihs den „Talisman“ für das „Theater der Jugend“ — auf der Bühne des nämlichen Theater an der Wien, an dem das Stück Mitte Dezember 1840 uraufgeführt wurde — etwas harmloser und gemütlicher, als es dem unbarmherzigen Menschenkenner Nestroy eigentlich zustünde. — Der hochbegabte junge Herbert Kucera spielt den Titus mit viel Verve, und die noch jüngere Kitty Speiser gibt eine naiv-fröhliche, verschüchtert rebellierende Salome. Echte Nestroy-Figuren verkörpern Franz Muxeneder als ungemein komischer Gärtner Plutzerkern und Robert Werner als schlagflüssiger Bierversilberer. Aus der großen Zahl Mitwirkender seien noch die munteren Witwen Cornelia Oberkogler, Hansi Prinz und Lilly Schmuck genannt. Gerhard Hruby stellte seine netten Bühnenbilder auf die eifrig rotierende Drehscheibe. Bei vollbesetztem Haus dürfte der Beifall gewiß zunehmen.

Eine ähnliche Behandlung widerfuhr Molieres Harpagon. „Der Geizige“, aus einem einzigen Wesenszug zu einer das Spiel beherrschenden Bühnengestalt entwickelt, ist ein halb komischer, halb unheimlicher Dämon der Habsucht. Ihm stehen die Ratlosigkeit des Geschwisterpaares Cleanthe und Elise und die Unruhe Marianes, der Braut Cleanthes, gegenüber, die angesichts des habgierigen Alten von echter Besorgnis um ihre Zukunft erfüllt sind. Da ist nichts von Klischee und Sentimentalität, wenn man den Sinn des Textes sprechen und den Sinn der szenischen Situation darstellen läßt. Regisseur Erich Margo wollte nun in der Aufführung des Volks-theaters die so heikle Figur dem noch nicht theatererfahrenen Publikum der Wiener Außenbezirke menschlich verständlich machen und entschärfte darum einiges, ließ eher die Turbulenz der Jugend rings um die Welt geiziger Lebensdürre ausspielen. — Auch wenn Viktor Gschmeidler, ein an sich guter Schauspieler, die Rolle des Harpagon nur zum Teil ausfüllte, gefiel die Aufführung in der neuen Übersetzung von Hans Weigel. Im Team der Jungen sind Gudrun Erfurth, Paola Loew, Susi Peter und Klaus Höring zu loben. Das einheitliche Bühnenbild stammt von Rudolf Schneider-Manns Au.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung