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Verkitschte Weihnacht

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Die Katholische Aktion des Burgenlandes hat vor kurzem an öffentliche Stellen und Geschäftsleute einen Appell gerichtet, christliche Symbole nicht zu verkitschen oder zu bloßen Reklamezwecken zu verwenden. Es wurde dabei besonders auf das Aufstellen von Christbäumen auf öffentlichen Plätzen und in Bahnhöfen bereits während der Adventzeit oder auf das Anbringen von Adventkränzen an solchen Stellen hingewiesen. Ebenso wurde der Mißbrauch, weihnachtlicher Symbole zu Reklamezwecken in Geschäftsanlagen beanstandet.

Wenngleich man diesen Symbolen auch eine andere Bedeutung unterstellen kann, so ist es richtig, daß sie in unserem Kulturraum bisher eine christliche Bedeutung hatten. Das hier berührte Problem liegt aber tiefer und verdient eine genauere Betrachtung.

Es vollzieht sich heute in umgekehrter Richtung der Prozeß, der sich nach dem Freiwerden der Kirche aus der Verfolgung der ersten Jahrhunderte vollzogen hat. Damals wurden durch das Christentum heidnische Feste und Symbole christlich umgedeutet, zum Beispiel das Fest des Sol invictus zum heutigen Weihnachtsfest. Heute werden christliche Symbole und Feste ins Weltliche und Profane umgedeutet. Das ist der Kern des Problems.

Von diesem Aspekt aus muß auch der moderne Advent- und Weihnachtstrubel betrachtet werden. An Stelle der ernsten Adventstimmung ist ein jährlich sich steigernder hektischer Markttrubel getreten. Symbole, die das Mysterium der Weihnacht ausdrücken sollen, sind zu Symbolen rein weltlicher Feier geworden, ja noch mehr, zu bloßen Mitteln einer billigen Geschäftsreklame, die, anstatt mit sachlichen Argumenten für Güte und Nützlichkeit der Ware zu arbeiten, sentimentale Gefühle weckt, deren Inhalt unbestimmt bleibt. Ja, wir können diesen Prozeß sogar noch weiterverfolgen. Mit Vorliebe schmücktiÄajvv heute Foyers, Empfangsräujne und Wohnräume mit Bildern oind Leuchtern, die eigentlich dem religiösen und sakralen Gebrauch dienen sollen, aber vielleicht um sehr teures Geld von einem Antiquar oder im Dorotheum erworben wurden und nun ästhetischen, rein weltlichen Zwecken zu dienen haben.

Die Christen und der Kitsch

Dürfen Christen diesem Prozeß gleichgültig oder gar zustimmend zusehen? Begeben sie sich nicht selbst in große Gefahr, wenn sie ihn bejahen, oder gefährden sie nicht die Frohbotschaft Christi damit? In Japan wurden von protestantischen Sekten Millionen von Bibeln unter den Heiden verteilt, ohne daß dadurch eine Bekehrung bewirkt worden wäre.

Das verweltlichte Denken, der Indifferentismus, die zunehmende Entleerung und Verwischung religiöser Inhalte greifen auch unter Christen immer mehr um sich. Die Grenzen zwischen christlichen und unchristlichen, heidnischen Werten werden zusehends verwischt. Es wäre vollkommen irrig, zu glauben, die Welt von heute kehre zu einem christlichen Denken zurück, weil sie für christliehe Symbole und Bilder oder für die Sprache der Bibel wieder eine gewisse Vqrlie.be zeige.. Wir.jnüssen die Welt von heute richtig versterien. Eine Ver-christlic|%ng der rein weltlichen Bereiche ist weder zu erwarten noch zu erstreben. Im Mittelalter konnten religiöse Symbole und Worte in alle Bereiche des Alltags eingefügt werden. Die Apotheke „Zur heiligen Anna“, das „Heilig-Geist-Spital“, das Gasthaus „Zum Ochsen“ (der an der Krippe stand) und so fort — alles wurde in Beziehung gesetzt zu den heiligen Geheimnissen des Glaubens, denn der mittelalterliche Mensch sah die Welt noch mit dem naiven Auge des Naturunkundigen, aber mit dem gläubigen Auge des Christen. Heute ist das anders. Die Bereiche des Weltlichen sind viel umfangreicher geworden, sie werden als etwas in sich selbst Stehendes betrachtet und sind es auch tatsächlich, sie haben keinen religiösen Bezug mehr.

In einem christlichen Haus, ob Geschäft, Gasthaus oder Fabrik, haben weihnachtliche Symbole als Ausdruck christlichen Glaubens einen Sinn. Wo man aber diese Symbole, ohne sich damit zu ihrem Inhalt zu bekennen, nur als Reklame, als kulturelle, humanitäre Verbrämung verwendet, werden sie zu Kitsch und Mißbrauch. Es ist auch ein solcher Mißbrauch, wollten wir den

Christbaum mit lauter Sowjetsternen behängen, denn dieses Symbol will „etwas .ganz anderes bedeuten. Dahoi; ist diese fortschreitende Sinnentleerung christlicher Symbole zu Mißbrauch und Kitsch geworden.

Die Tiefe des christlichen Mysteriums der Weihnachtsliturgie wurde schon im Mittelalter verdrängt durch die Darstellung der Krippe, die bloß auf das Schauen abgestellt ist, später dann durch die familiäre Feier unter dem Weihnachtsbaum, die gegenüber der liturgischen Feier einen immer breiteren Raum einnahm. Schließlich und endlich wurde das Mysterium der

Weihnacht in den Geschäftsrummel der Straße gezogen und zur bloßen Dekoration oder Reklame herabgewürdigt. Das bedeutet aber auch, daß das Weihnachtsfest, mehr und mehr seines tiefen Sinnes entleert, zu einem rein weltlichen Fest der sentimentalen Stimmung, einer schnell vorübergehenden Anwandlung der Liebe, die sich im Schenken und noch mehr im Sich-beschenken-Lassen ausdrückt, herabgesunken ist. Dagegen ist heute eine Rückholung der Weihnachtsfeier in den sakralen Raum und in die Geborgenheit der christlichen Gemeinschaft dringlich geworden. So wie die Kirche die Osterliturgie in ihrer alten Form erneuert hat, um die lebendige Mitfeier der großen'Glaubensgeheimnisse allen Gläubigen wieder zugänglich zu machen, so sollten heute auch Bemühungen unternommen werden, die Weihnachtsliturgie in ähnlicher Weise zu verlebendigen. Die rein folkloristischen Weihnachtsbräuche lassen so wenig vom tiefen Sinn des Festes ahnen, daß sie nicht mehr ausreichen, christliches Denken und christliche Gesinnung in dieser Welt neu zu beleben. Deshalb ist eine Besinnung auf das Echte und Unechte, auf die gefährlichen Akzentverschiebungen in den Formen der Weihnachtsfeier heute dringlich geworden. Christbaum und Reklame

Der moderne Mensch hat auch ein völlig anderes Verhältnis zur Welt. Für ihn ist die Welt machbar geworden. Sie ist nicht mehr von geheimnisvollen Mächten durchwaltet, sondern in ihren Kräften und Geheimnissen erforscht und den Menschen dienstbar. In diesem rein sachlichen Bereich ist daher auch das rein sachliche Denken vorherrschend geworden. Deshalb haben religiöse Symbole in diesem Bereich wenig Sinn. Ihre Verwendung in dieser versachlichten Welt bedeutet darum heute Verkitschung dieser Symbole, das heißt, sie ist unecht und ohne inneren Sinn und Bezug. In der Vorstellung und im Denken des modernen Menschen besteht eben keine innere Beziehung zwischen dem Symbol und dem Ort, zum Beispiel der Bahnhofshalle, die eben rein sachlichen Zwecken zu dienen hatJDa- Symbol wird hier also gegen 'seine1“Bedeutung nur als Dekoration oder Reklameschild verwendet, besonders wenn es auch nicht in der rechten Beziehung zur Festzeit steht, wie der Christbaum, der schon vom ersten Adventsonntag an da und dort aufleuchtet. Wo immer Symbole so verwendet werden, entsteht Kitsch, und alle vernünftigen Menschen, vor allem jene, denen das Symbol etwas Bestimmtes bedeutet müssen sich gegen das Unechte in dieser Verwendung wehren.

Profanierung der Religion

Wir Christen haben dazu noch einen besonderen Grund: Uns geht es um die Religion schlechthin. Verwendung religiöser Symbole zu vollkommen profanen Zwecken kommt der Profanierung der Religion gleich. Wir können also entweder nur künftig auf diese bereits profanierten Symbole verzichten und andere Symbole für unseren Weihnachtsglauben suchen, oder wir müssen gegen den Mißbrauch, der nun einmal zu religiösen, ja zu christlichen Symbolen gewordenen Zeichen so lange protestieren, bis man aufhört, sie mißbräuchlich zu verwenden. Tun wir das nicht, dann machen wir uns selbst daran schuld, daß unsere Reli gion mißdeutet, das religiöse Denken mehr und mehr profaniert und damit die Religion dem Verfall preisgegeben wird.

Eine unmittelbare Wiederverchrist lichung oder Klerikalisierung aller weltlichen Bereiche hieße heute nicht Fortschritt, sondern Rückschritt. Die Entwicklung, die das christliche Weltverständnis genommen hat, weist in die entgegengesetzte Richtung. Die verschiedenen weltlichen Bereiche sind heute auch von der Kirche in ihrer Selbständigkeit anerkannt, und die Kirche erhebt nicht mehr Anspruch darauf, sie zu beherrschen. Sie erhebt nur darauf Anspruch, die Gewissen der Gläubigen nach dem christlichen Sittengesetz zu bilden, damit sie sich diesen weltlichen Bereichen gegenüber richtig verhalten. Die Beherrschung der innerweltlichen Bereiche ist Aufgabe der Laien. Das kann natürlich nicht heißen, daß Klerus und Bischöfe, die ja als Bürger eines Staates auch der Welt angehören, nicht stellvertretend in diese Aufgabe eintreten können, wo Laien sie aus einem bestimmten Grund nicht zu erfüllen vermögen. Dies ist ja vor allem am Ende des Altertums und bis tief in das Mittelalter hinein geschehen, mußte aber auch später noch vielfach praktiziert werden.

Wenn aber die innerweltlichen Bereiche nicht unmittelbar zur eigentlichen Aufgabe der Religion gehören, dann sind sie eben weltlich und haben auch keinen unmittelbaren inneren Bezug zur Religion. Sie brauchen keine religiösen Symbole, sie brauchen keine religiöse Symbolik.

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