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Vermittlung und Förderung

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Mit der Absicht, einen engeren Kontakt zwischen dem Publikum und der zeitgenössischen Musik herzustellen, hat man in Wien ein „Studio für neue Musik gegründet. An zwei Abenden wurden je zwei Kammermusikwerke der „Moderne vorgeführt, erläutert und diskutiert. Der Besuch des ersten Abends war schwach, der des zweiten bereits besser, die Aussprache beidemal lebhaft, aber wenig ergiebig. Das lag vor allem an der ungeschickten Zusammenstellung der Programme, denn weder Hindemiths Violin- sonate in E und J. N. Davids Streichtrio op. 39 noch Strawinskys Suite aus der „Geschichte vom Soldaten und Alfred Uhls Divertimento für vier Klarinetten ergeben wirkungsvolle oder instruktive Gegensätze, höchstens in bezug auf das Niveau. Entweder man setze Stücke von etwa gleichem Wert, aber gegensätzlichster Richtung aufs Programm oder aber man demonstriere an mehreren Stücken des gleichen Stils eine beson-, dere Eigentümlichkeit der neuen Mußik. Die . Erläuterungen gaben Hans Rutz und R. F.

Brauner. Wie sich an diesen ersten Abenden zeigte und an den folgenden vielleicht noch mehr zeigen wird, erwartet man von den Kommentatoren nicht nur eine allgemeine Kenntnis der neben Musik, sondern eine spezielle und gründliche der vorgeführten Stücke. Denn wer vor ein zum Teil widerspenstiges Publikum tritt, um die Sache der neuen Musik zu vertreten, muß für jede Frage gerüstet sein. Vorzüglich war die Ausführung der' Werke durch junge Künstler, von denen nur — als Stütze am Klavier — Kurt Rapf hervorgehoben sei, der sich als einer der ersten gleich nach 1945 für die neue Musik eingesetzt hat und dem hier vielleicht ein neues Betätigungsfeld erwachsen wird. Die Einrichtung des von Franz Litschauer gegründeten Studiums verdient jede Unterstützung und wird auch Von den beiden Gesellschaften — wenigstens moralisch — ge-

fördert, die sich Aufführungen zeitgenössischer Werke zur Aufgabe gemacht haben.

Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik schlägt in ihren Kon- j zerten einen viel konzilianteren Ton an als in früheren Jahren und widmete ihren zweiten Kammermusikabend zeitgenössischen englischen Komponisten. Von John Ireland hörten wir eine ganz ausgezeichnet klingende, impressionistische Stil- und Klangmittel wirksam einsetzende Fantasy-Sonata für Klarinette und Klavier. Mary Dickenson-Aulers Quintett für Klarinette und Streicher, ein liebenswürdiges, aus der gleichen Schule kommendes Werk, das an dieser Stelle schon besprochen wurde, bildete den Abschluß. Im Mittelpunkt standen zwei Kompositionen von Benjamin Britten: die schwungvollen, ergreifenden und äußerst wirkungsvollen Michelangelo-Sonette, die den Vergleich mit Hugo Wolf kaum zu scheuen brauchen, und eine ziemlich artistische, etwas blutleere Suite für Violine und Klavier. Von den zahlreichen Ausführenden kann nur der Begleiter am Klavier, Herbert Häfner, genannt werden, der wohl auch für das Programm verantwortlich zeichnet.

Das Programm des zweiten Konzerts der österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik war wesentlich bunter. Wenn hier die Pflege neuer, nicht nur zeitgenössischer Musik beabsichtigt ist, so gehören weder die Lieder Urays (unter diesen übrigens ein sehr gelungenes) noch das Bläsersextett von Jetti (eine handwerklich sauber gearbeitete Komposition) aufs Programm. Felix Petyreks Sonatine für Klavier (1947) zeichnet sich durch kluge Beschränkung in den Mitteln, Übersichtliche Form und zeichnerische Klarheit der Melodieführung aus. Die Vier Intermezzi für zwei Klaviere von Josef Dich- ler lassen zwar den absolut originellen melodischen Einfall vermissen, sind aber amüsant, gut gearbeitet und klingen so wirkungsvoll, daß man sie sofort zum zweitenmal hören möchte. Von den Fünf Etüden für Klavier von Raimund Weißensteiner kann man das nicht behaupten, zumindest die drei ersten sind eine Anstrengung nicht nur für den Pianisten, sondern auch für das Publikum. Nr. 4 und 5 haben mehr musikalische Substanz. Aber wenn wir an die Etüden von Chopin denken oder an die von Debussy... Das musikalisch wertvollste und zugleich geistreichste Werk des Abends, Kreneks „Reisebuch aus den österreichischen Alpen", stammt noch aus einer anderen Zeit, aus dem Ende der zwanziger Jahre — und ist das neueste von allen... (Erik Werba begleitet, Julius Patzak sang und Josef und Grete Dichler an zwei Klavieren waren ihre eigenen ausgezeichneten Interpreten.)

Die Existenz und Konkurrenz dieser beiden Gesellschaften kommt in erster Linie der neuen Musik und den zeitgenössischen Komponisten zugute. Nicht genügend genützt wird die gebotene Gelegenheit vom Publikum und vor allem von unseren ausübenden Künstlern. Ihnen sei der Besuch dieser Veranstaltungen dringend empfohlen, denn hier können sie — zur Bereicherung ihrer monotonen Programme — interessante Werke nicht nur im Hinblick auf ihre Substanz, sondern auch auf Klang und Wirkung hin kennenlernen. Freilich bedingt das wiederum eine tadellose Ausführung, die nur bei einigen der angeführten Stücke gegeben war.

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