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Andrea Winklers literarisches Debüt "Arme Närrchen".

Andrea Winkler gilt als literarische Neuentdeckung. Zumindest hat es ihr Debütband Arme Närrchen gleich nach seinem Erscheinen in die persönlichen Bestenlisten zahlreicher renommierter Literaturkritiker/innen geschafft.

Arme Närrchen ist kein gewöhnliches Buch. Vielmehr handelt es sich hier um 19 Selbstgespräche stark reflexiver Art, die durch ihre zahlreich ausgelegten intertextuellen Fährten eine dichte Mehrdimensionalität erreichen. Es sind durchwegs Texte ohne Plot, die stattdessen von der Verschlungenheit des Denkens und der Gedanken leben.

Verschlungene Gedanken

Ein Ich verkriecht sich in seine persönliche Sicht von Welt, diffundiert osmotisch und vorbehaltlos in sie hinein: "Vielleicht ist alles so geschehen, weil ich will, dass die Welt und ich ineinander verschlungen sind, ja, weil ich will, dass es die Welt in mich verschlägt, es bliebe ja sonst nichts zu leben." In ihrem letzten Text dieses Bandes, "Dich und mich erzählen, die Welt", der zu den interessantesten dieses Buches zählt, offenbaren sich Distanz, Fremdheit und Vages, ja im Prinzip das Bewusstsein, dass wahre Erkenntnis und zugleich auch das Erzählen über die Welt unmöglich sind: "Was mir die Welt ist, dafür habe ich kein ganzes Bild, nichts, was sich gültig vor meinen Augen entblätterte, auf dass ich es beschreibe." Welt als etwas Brüchiges, Sich-Entziehendes, wann immer man sie zu greifen und zu ertasten sucht. "Erkennen hier unmöglich! Habe ich jetzt etwas erzählt?" Gerade diese Reflexion über das sich nahezu immer wiederholende Entgleiten der Welt und des Erzählbaren zeigt den stark philosophischen Duktus, der diese Prosa bestimmt.

Notwendige Abwege

Hier geht es um das Finden von Fährten zwischen Trug und Wahrheit, was dem Ich nicht (so leicht) gelingen will. Abwege tun sich als Notwendigkeit auf und zementieren zugleich Missverständnisse ein. Dazwischengeraten das genaue Sehen des Einbeinigen, der die Dinge bis zur letzten Kontur wahrzunehmen vermag, oder Neurosen, die mit Himmelswanderungen zu tun haben, das Leiden an "chronischer Entgrenzung" und "intime Beziehungen zu allen möglichen Sätzen".

Fundamentale Fremdheit

Wie fundamental diese Fremdheit erlebt wird, zeigt die Stelle, an der es heißt: "Glaubst du, gibt es einen Ort außerhalb aller Orte? - Wie wenig ein Mensch doch bei sich ist!" Das Ich jongliert durch Vergangenheit und Jetzt, ja erlebt die Ambivalenz dieser Dimensionen, wenn es auf der Suche nach "Kanälen und Ventilen" ist, um das Erlebte ableiten zu können, und über andere räsoniert.

Winklers stark metaphorische Sprache bündelt ein Konzentrat an Fragen und möglichen Wirklichkeitsaneignungen, in die Worte und Zitate einfließen. Sie stoßen Denkspiralen an, die mit selbstreflexiven Horizonten verschmelzen. Am Schluss ihres Buches weist Winkler auf jene Autoren und Autorinnen hin, denen sie Anregungen verdankt: Angeführt wird neben Franz Kafka, Paul Celan, Sylvia Plath oder Werner Schwab, um nur einige zu nennen, vor allem Friederike Mayröcker, über die sie auch ihre Dissertation geschrieben hat.

Verhedderte Reflexionen

Immer wieder hängen dem Leser Sätze aus Winklers Selbstgesprächen nach. Aber die Reflexionsspuren verschlingen, ja verheddern sich auch. Denn gerade in der Dichtheit dieser Prosa liegen auch die Gefahren. Es sind dies mitunter Überfrachtung und Dissonanz. Gleichzeitig tun sich in dieser Prosa aber auch poetisch infiltrierte Denkräume auf, unbequeme Irritationen, die die Schwere gewandt vom Tisch fegen. Dann geht es so: "Mein Auftrag ist eine Illusion und als solche hat er den Weg aus dem Fenster genommen. Einmal werde ich seine Teile aufsammeln und zusammensetzen, und was fehlt, puste ich in den Himmel."

Arme Närrchen

Selbstgespräche von Andrea Winkler

Droschl Verlag, Graz 2006

128 Seiten, geb., Euro 16,-

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