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Vier kleine Mozart-Bucher

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Wolfgang Amadeus Mozart. Von Fritz H ö g 1 e r. Oesterreichischer Bundesverlag, Wien. SO Seiten.

Dieses Büchlein wurde der österreichischen Jugend vom Bundesministerium für Unterricht zum Mozart-Jahr geschenkt. Der Verfasser, Professor an der Akademie für Musik, hat sich durch seine Geschichte der Musik gut eingeführt. Sein Mozart-Buch ist durchaus dem Zweck entsprechend ausgefallen. Die Zitate aus Briefen und Erinnerungen sind gut gewählt. Das Leben Mozarts ist einfach und klar erzählt, ohne Polemik und mit Vermeidung problematischer Einzelheiten. Der Stil ist schlicht und gut. Ein paar kleine Irrtümer gehen auf andere Autoren zurück. Das Pariser „Concert spirituel“ war, eine Institution: das Wort ist ein Pluraletantum und hat also keine Mehrzahl (S. 45). Die Musik zum „König Thamos“ hat nichts mit Schikaneder zu tun: sie erhielt ihre endgültige Form schon 1779, als die Truppe Böhm das Schauspiel in Salzburg aufführte (S. 46). Mozarts ironische Bemerkung über seinen Jahresgehalt als Kammerkompositeur war keine Steuererklärung: es gab damals keine Einkommensteuer (S. 72). Der angebliche Brief Mozarts an Daponte vom September 1791 ist nicht authentisch (S. 78). Dem Verlag ist die Schreibung „Copyrigth“ anzulasten und wohl auch die Abbildung des dem Sterbehaus Mozarts benachbarten „Marienhauses“ in der Rauhensteingasse. Dieses Aquarell von Emil Hütter, um 1870, also nicht nach der Natur gemalt, ist im Museum der Stadt Wien schon richtig bezeichnet, aber offenbar noch nicht im Bilderarchiv der Nationalbibliothek; es ist auch in drei anderen Wiener Büchern als Mozarts Sterbehaus abgebildet worden, nicht aber sonst in der großen Mozart-Literatur. *

Mozart und Augsburg. Von Ludwig W e g e 1 e. Verlag „Die Brigg“, Augsburg. 110 Seiten.

Dr. Wegele, der Gründer des Augsburger Mozart-Hauses, hat das „Augsburger Mozart-Buch“ von 1943 und E. F. Schmids „Schwäbisches Mozart-Buch“ von 1948 in diesem liebenswürdigen Büchlein popularisiert, das manches seinen eigenen Arbeiten zu danken hat und das mit hübschen Architekturzeichnungen von Hanns Koler geschmückt ist. Wir erfahren hier, daß der älteste nachweisbare Vorfahre Mozarts, der Maurer David Mozart, 1643 aus Pfersee nach Augsburg eingewandert ist, und, da jenes Dorf zur Markgrafschaft Burgau gehörte, ein österreichischer Untertan gewesen ist. Mozarts Urgroßvater Franz hatte einen Sohn Johann Georg, der Buchbinder wurde. Unter dessen Kindern war Leopold, Mozarts Vater, der älteste Sohn; zwei andere, Josef Ignaz, dessen letzte Nachkommin noch in Augsburg lebt, und Franz Alois wurden auch Buchbinder. Die Tochter dieses Franz Alois, Maria Anna Thekla Mozart, war Mozarts „Bäsle“, die ein wenig romantisches Ende nahm. Als Leopold Mozart um 1748 nach Salzburg zog, blieb er Augsburger Bürger, so daß Wolfgrng und Nannerl als Augsburger Bürgerkinder zur Welt kamen. Die Beziehungen der Mozarts zu Augsburg, besonders zum Verleger Johann Jakob Lotter, zum Klavier- und Orgelbauer Johann Andreas Stein und zu Anton Christoph Gignoux, dem Leiter der „Musikübenden Gesellschaft“, wirkten noch bei Wolfgangs wiederholten Besuchen dort nach. Einige der Abbildungen des Buches zeigen, daß das Augsburger Mozart-Haus, Leopolds Geburtsstätte in der Frauentorgasse, seit fast zwanzig Jahren in Wettbewerb mit dem Salzburger Mozart-Museum steht. *

Die unverhoffte Lebensreise der Constanze Mozart.

Von Ludwig B e r g c r. Rainer-Wunderlich-Verlag, Tübingen. 146 Seiten Preis 5.90 DM.

Ludwig Berger, ein Mann des Theaters, ist ein feinsinniger Dichter. Seine Novelle, in Form von Erinnerungen des dänischen Legationsrates Georg Nikolaus v. Nissen, des zweiten Gatten Constanzes, geschrieben, zeichnet sich in der Mozart-Literatur schon dadurch aus, daß sie der oft geschmähten Heldin Gerechtigkeit zuteil werden läßt, ohne ihre Schwächen zu verleugnen. Die Fiktion, daß der junge Nissen schon um 1780 nach Wien gekommen wäre, und 1791 zu Mozarts Ende wieder, mag eine neue Gefahr für leichtfertige Mozart-Biographen heraufbeschwören. Tatsächlich kam Nissen erst 1793 nach Wien und wurde 1797 oder 1798 Constanzes Freund und Berater, auch eine Art Vormund für ihre beiden Söhne. Von 1799 bis 1809 war sie seine Haushälterin am Michaelerplatz und dann heirateten sie, um zehn Jahre in Kopenhagen zu leben und endlich nach Salzburg zu übersiedeln, wo er seine Mozart-Biographie geschrieben hat. Wenn Berger Leopold Mozart Konzertmeister statt Vizekapellmeister am erzbischöflichen Hofe nennt, wenn er Jakob Haibl statt Johann Josef Nouseul den Monostatos in der „Zauberflöte“ singen, wenn er Schikaneder im Hofe des Freihauses aus dem bekannten Salettl eine „Zauberflöten-Klause“ machen, wenn er — entgegen den Sitten der Zeit — Constanze und ihre Schwestern nach der Eröffnung jenes Mozart-Museums in ein Kaffeehaus führen läßt: so seien ihm diese Freiheiten gern vergeben, weil er kein Mozart-Biograph, sondern ein wirklicher Dichter ist. Sein Buch zu lesen bereitet reine Freude.

Mozart und das Fräulein von Paradis. Von Otto B r ü e s. Rainer-Wunderlich-Verlag, Tübingen. 62 Seiten.

Nicht die gleiche dichterische Freiheit könnte dieser Novelle zugebilligt werden. Der Autor nimmt die Tatsache, daß Mozart 1784 ein Klavierkonzert für die blinde Pianistin Maria Theresia von Paradis geschrieben hat (wahrscheinlich das in B, Kochel Nr. 456) zum Vorwand einer kleinen Liebesgeschicbte, die zu nichts geführt habe und auch wirklich zu nichts führt. Bemerkenswert ist, daß diese Novelle, die im selben Verlag wie die von Berger erschien, die Figur der Constanze wesentlich anders darstellt. Obgleich sich der Autor um das Wiener Lokalkolorit sichtlich bemüht hat, ist ihm das Zeitkolorit nicht recht gelungen.

Nur für Leser. Jahre und Bücher. Von Friedrich Sieburg. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1955. 421 Seiten. Preis 14.80 DM.

Ein neues Werk von Sieburg weckt immer besondere Erwartungen — und man wird auch diesmal nicht enttäuscht. Nur für Leser? Gemeint ist: nur für echte leidenschaftliche Leser, denen Literatur zum Erlebnis wird. Der Kulturkritiker Sieburg kommt hier auf einem wichtigen Gebiet der Kultur zu Wort. Diese Sammlung von Aufsätzen und Rezensionen, die er im Laufe der Zeit, vor allem in der „Gegenwart“, veröffentlicht hat, ist nach Jahren geordnet, so daß sich eine ungemein fesselnde, lebendige Uebersicht der Literatur in Deutschland und im Ausland von 1948 bis 1955 ergibt.

Sieburg schreibt, er habe das literaturkritische Amt „aus eitel Menschenfreundlichkeit“ auf sich genommen, denn „je schlechter die Bücher wurden, denen ich begegnete, um so stärker wurde mein Drang, durch Anwendung kritischer Maßstäbe an der Schaffung eines literarischen Raumes mitzuwirken, in dein die schlechten Bücher zwar nicht besser, aber die guten sinnvoller werden“ (S. 22). Er sieht die Literatur immer in engem Zusammenhang mit der Gesellschaft und der „Gesittung“. Der Leser soll erfahren, was im literarischen Bereich vor sich geht, und wird deshalb, wenn auch nicht nur mit den Höhepunkten — die oft gar nicht da sind —, so doch mit dem Typischen bekannt gemacht, denn manches Buch, das weder vollkommen noch erfreulich ist, bezeichnet doch den ..Stand der Dinge“. In die Beurteilung eines Buches fließt immer auch die Atmosphäre der Zeit ein.

Den einzelnen Abschnitten sind zeit- und kulturkritische Betrachtungen, oft in Form von eindrucksvollen Erlebnisberichten, vorangestellt, in denen dieser brillante Stilist Grundsätzliches zum Thema darlegt. Immer spürt man die Wärme starker innerer Teilnahme. Für Sieburg ist Schreiben „nicht Preisgabe des Menschen, sondern seine ständige Errettung“

(Greifen wir aus der Fülle der behandelten Autoren nur einige Namen heraus: Benn, Edschmid, Gide, Graham Greene, Hemingway, Hofmannsthal, Huxley, Jünger, Kasack, Heinrich, Klaus und Thomas Mann, Somerset Maugham, Mauriac, Ina Seidel, Misia Sert, Thieß, Wiechert, Zweig. Von den Essays über ältere Dichter sei nur der hervorragende über Maupassant genannt. Sieburg hat einen klaren Blick für die Schwächen eines Autors, so etwa für die posierte „Einfachheit“ Wiecherts, aber auch Ehrfurcht vor echter Größe und Leistung. Für Hofmannsthal findet er schöne Worte der Verehrung. Was Sieburg vom Kritiker fordert: ..Wachheit *les Urteils, Helligkeit der Anschauung, Kenntnis des Metiers“, ist ihm selbst eigen. Zu den klaren Maßstäben und dem guten Geschmack kommt noch überlegener Humor. Er scheut sich nicht, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen und literarische Modetorheiten und Absonderlichkeiten zu entlarven. Mit Recht kritisiert er häufig den Unfug der rein philosophischen Interpretation von Dichtungen.

Für alle, die zu lesen verstehen — und nur für solche ist das wertvolle Buch ia bestimmt —, wird Sieburgs Werk eine Quelle vielfältiger Erkenntnisse, Anregungen und auch der Freude an kultivierter Kritik. Das ausführliche Reiter leistet gute Dienste.

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