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Visitenkarten der Stadt Wien

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Es ist wohl nicht erforderlich, den Lesern der „Furche“ Wien und seine Bedeutung im internationalen Reiseverkehr besonders vorzustellen. Im Herzen Europas, ist diese Stadt an der Donau — dem einzigen Flußsystem, das unseren Kontinent von West nach Ost durchquert — schon allein durch ihre Lage bestimmt, Mittler und Vermittler zu sein, Treffpunkt für alle, die aus Nord und Süd, aus West und Ost zu uns kommen, als Geschäftsleute und Manager, als Wissenschaftler und Künstler, als Urlauber schlechthin und Kulturbegeisterte, die hier jenes „gewisse Etwas“ suchen, das in anderen Großstädten der alten und neuen Welt schon längst verlorengegangen ist. Ich meine damit jene glückliche Verbindung zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Geschichte und moderner Gegenwart, die — weil organisch und selbstverständlich gewachsen — den spezifischen Zauber dieser Stadt ausmacht, dem sich kaum einer entziehen kann.

Als alte „Reichshaupt- und Residenzstadt“ war Wien bis vor 50 Jahren das Zentrum eines Reiches, das vom Bodensee bis Siebenbürgen, von Galizien bis zur blauen, sonnigen Adria reichte.

Heute ist unsere Heimat Österreich kleiner geworden, aber die Stellung Wiens, das Ansehen unserer Stadt im Ausland wurde davon nur zeitweise geschmälert. Natürlich haben die politischen Ereignisse, die Wirtschaftskrise in der Ersten Republik, die Besetzung Österreichs und der zweite Weltkrieg mit all seinen Folgen Einbußen auch im Fremdenverkehr, einen gewaltigen Rückgang der Besucherzahlen gebracht; aber seit 1955 geht es wieder aufwärts, und wir können heute mit Recht sagen, daß wir auch auf diesem Gebiet unsere alte Stellung wiedergewonnen haben

Selbst der allgemeine Rückgang im europäischen und österreichischen Fremdenverkehr, der sich im Vorjahr bemerkbar machte, kam in Wien nicht zur Auswirkung, ja es konnte sogar eine Steigerung von 1,9 Prozent registriert werden.

An dieser ermutigenden Entwicklung haben nicht nur die zahlreichen Großveranstaltungen in Wien, wie zum Beispiel 1967 die Eishockey-Weltmeisterschaft und das Weltchampionat der Eiskunstläufer, ihren Anteil, sondern auch die vielen Kongresse und internationalen Tagungen, die immer wieder gerne in unserer Stadt abgehalten werden. Nicht durch Zufall ist Wien bereits Sitz zweier Organisationen der Vereinten Nationen geworden, und wir hoffen sehr, daß auch dieser so erfolgreich begonnene Weg fortgesetzt werden kann.

Der Hauptgrund für die positive Entwicklung unseres Fremdenverkehrs ist aber auch darin zu suchen, daß er strukturell etwas anders gelagert ist, als jener der Bundesländer. Während im gesamtösterreichischen Durchschnitt die Besucher aus Westdeutschland rund 77 Prozent aller Reisenden und Urlauber stellen, sind in Wien nur 25 Frozen! unserer Gäste aus der Bundesrepublik. Wir sind damit nicht so eindeutig ausgerichtet und folglich auch etwas krisenfester. 19 Prozent der Besucher Wiens kamen aus den USA, während es auf gesamtösterreichische Verhältnisse bezogen nur 2,5 Prozent waren.

Darüber hinaus erscheint es mir als besonders wichtig und zukunftweisend, daß, trotz der noch immer bestehenden Reise- und Devisenschwierigkeiten, jeder achte Wien- Besucher des Jahres 1967 aus unseren östlichen Nachbarstaaten kam. Wir hoffen zuversichtlich, daß sich dieser Zug weiter vertiefen und verstärken wird. Was an uns liegt, um diese Entwicklung zu fördern, soll gerne und mit Freude geschehen.

Menschen, die guten Willens sind, in unserer Stadt zu begrüßen, sie bei uns zu wissen, ihnen unsere Schönheiten, unsere Schätze, unsere Errungenschaften zu zeigen, ist unsere Aufgabe, unsere Verpflichtung, nicht nur aus kommerziellen, sondern vor allem auch aus rein menschlichen Gründen.

Natürlich ist die Fremdenverkehrswirtschaft mit ihren vielen Betrieben und Beschäftigten ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil unserer Volkswirtschaft, sie hat aber darüber hinaus auch große, ja größte ideelle und moralische Verpflichtungen unseren Gästen gegenüber. Die Hotels und Beherbergungsbetriebe, die Restaurants und Gaststätten, die Dienstleistungs- und Verkehrsgewerbe, die Polizisten und Geschäftsleute sind die Visitenkarten unserer Stadt, mit denen die Besucher erste und enge Kontakte gewinnen. Sie sind die Repräsentanten Wiens, die viel, ja entscheidend dazu beitragen, ob die Erinnerung an unsere Stadt gut oder schlecht, positiv oder negativ ist.

Diesen Weg, den Gegebenheiten und der Entwicklung angepaßt, weiterzugehen und ihn noch besser auszubauen, ist unser Ziel und unsere Verpflichtung einer Stadt gegenüber, die wir als Wiener lieben und für die wir wünschen, daß sie von immer mehr Besuchern aus nah und fern ebenfalls ins Herz geschlossen wird.

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