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Von Byzanz zu Hitler

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ZWISCHEN ROM UND BYZANZ. Leben und Wirken der Sklavenapostel Kyrillos und Methodios nach den Pannonischen Legenden und der Klemens- vita. Bericht von der Taufe Rußlands nach der Laurentiuschronik, übersetzt, eingeleitet und erklärt von Josef B u j n o c h. Slawische Geschichtsschreiber, herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Günther Stökl. Verlag Styria, Graz. 197 Seiten. Preis 5 5 S.

Der Styria-Verlag, der sich durch die Herausgabe der Byzantinischen Geschichtsschreiber so verdient macht, beginnt nun mit einer neuen Reihe, die dem österreichischen Leser eigentlich noch näher stehen müßte: mit der Herausgabe der Slawischen Geschichtsschreiber. Um die Sympathie des Publikums für dieses Unternehmen zuverlässig zu gewinnen, steht auf/ dem Umschlag das Programm der geplanten Bände. Wir können nichts besseres tun, als auf dieses zu verweisen: die Zeit des Alexander Nevskij; die altserbischen Herrscher; die Glanzzeit der Kosaken; die Moskauer Thronwirren vor der Wahl des Hauses Romanov; das Moskauer Hausbuch „domostroj” — wahrhaftig, ein verführerisches Versprechen! Möge es bald eingelöst werden können!

Die Texte des vorliegenden Bandes gehören zu den Uranfängen des slawischen Schrifttums oder zu den ältesten Quellen über slawische Geschichte. Das bedeutet, daß sie aus sich selbst schwer verständlich sind — und daß von der neueren slawischen Forschung sozusagen jedes Wort gepreßt und umstritten worden ist, um jene ältesten Zeiten doch nach Möglichkeit aufzuhellen. (Aehnlich steht es zum Beispiel um die völkerkundlichen Angaben von Tacitus „Germania”.) Unter diesen Umständen ist der Kommentar sozusagen der wichtigere Teil eines Bandes wie dieser. Der Bearbeiter hat es daran nicht fehlen lassen. Aeltere und neuere Literatur der betreffenden Völker wird zur Erklärung herbeigezogen, so daß der Leser reichliches Wissen über den Eintritt der slawischen Völker in die Christenheit erwerben kann.

Wir hätten etwa noch mehr Eingehen auf die jüngsten mährischen Ausgrabungen erwartet, welche gerade auf das Verhältnis fränkischer und byzantinischer Mission so viel Licht werfen. Auch hätte man bei der Person des Kocel, Fürsten in Moosburg, verweilen dürfen, dessen Geschichte noch manches Rätsel aufgibt.

Eine Kleinigkeit aus dem Programm: Die Ausgabe verwendet für slawische Namen sonst philologische Transkription — die ja mit slawischer Orthographie eigentlich identisch ist. Wozu dann „Halytsch” mit „sch”? Als Altösterreicher sind wir übrigens an den Namen „Galizien” gewöhnt (nach der russischen Aussprache mit diesen bekannten Namen könnte man wohl verwenden. Wir sagen doch hoffentlich auch „Lemberg” und nicht „Lwdw” oder gar „Lviv”.

Wir müssen den Wunsch wiederholen: möge der Erfolg dieses Erstlings den Herausgeber in die Lage versetzen, bald die nächsten Bände folgen und mit Bilderschmuck versehen zu lassen. Für diesen Band war er noch entbehrlich: die Biographien der serbischen und russischen Herrscher aber ohne die vorhandenen authentischen Bildnisse herausgeben zu müssen, wäre traurig.

ROBESPIERRE. Von Friedrich Sieburg. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 380 Seifen, 24 Tafeln. Preis 16.80 DM.

In seiner „Vorbemerkung” lehnt Friedrich Sieburg die Anführung der „ausnahmslos zeitgenössischen Quellen entnommenen Angaben des Ortes, der Zeit und der Umstände, auch der geringsten”, ab. „Da das Werk aber nicht zum wissenschaftlichen Gebrauch dienen soll, sondern eine Darstellung und Deutung sein will, wurde mit Rücksicht auf den Leser jede Quellenangabe weggelassen.” Der Autor, welcher bisher nur auf ein einziges, recht lückenhaftes und ungenaues Geschichtswerk über Napoleon hinweisen konnte, beansprucht somit, wie es bewährte Historiker bloß bei wenig umfangreichen Schriften sich erlauben, von seinen Lesern einen „Vertrauenskredit”. Zugegeben muß sicherlich werden, aber auch nicht mehr, daß der Autor, welcher Memoiren samt und sonders ablehnt, sich zahlreicher — wie es richtig heißen sollte —, nur auf iGrund zeitgenössischer Dokumente verfaßter Druckwerke bedient haben mag. Nachdem Forschungsergebnisse, auf die F. Sieburg gewiß hin- gewiesen hätte, nicht feststellbar sind, ferner in Ditchingham (England), wo er nach seinen Angaben 1935 die erste Fassung seines „Robespierre” schrieb, von über die Französische Revolution aufscbluß- fbicfien”‘Dokümenfefl- ! und Bücherbestä’nden Bisher nichts verlautet ist, erweist es sich, daß er auch diesmal nicht über eine Kompilation von Material aus zweiter oder gar dritter Hand hinausgekommen ist. Die frühesten für ihn in Betracht kommenden Geschichtswerke sind fast gleichzeitig erschienen: Thiers (1823), Mignet (1824) und LaCreteile (1824/1826). Die erste seriöse Biographie Robespierues, das dreibändige Werk E. Hamels, ist gar erst 1865 bis 1867 veröffentlicht worden. Alle diese seinerzeit geschätzten, heute mehr oder weniger überholten Werke können doch nicht als zeitgenössische Quellen angesehen werden, wenn auch die drei erstgenannten Historiker sich in vielen Fällen auf Mitteilungen von Ueberlebenden der Jahre 1789 bis 1815 berufen konnten.

Friedrich Sieburg zeigt sich mit seiner literarischen Leistung — als etwas anderes kann das vorliegende Buch nicht gewertet werden — derart zufrieden, daß er das Verantwortungsgefühl nicht aufbringt, um den, wenn auch mancherseits bestrittenen Ergebnissen der Versuche, Robespierre irgendwie zu rehabilitieren, Rechnung zu tragen. „Die Beurteilung Robespierres hat sich seitdem, wenigstens in Frankreich, etwas vertieft und damit gemildert, jedoch nicht so grundsätzlich, daß im Texte dieses Neudruckes darauf hätte Rücksicht genommen werden müssen.” Eine recht bequeme Auffassung, jedoch keine Empfehlung für das in Frage stehende Buch.

DIE NEUESTE ZEIT. Weltgeschichte von 1850 bis 1914. Von Joseph Boesch. 208 Seiten, 14 Abbildungen und 13 Karten. Preis 9.50 DM. — WELTGESCHICHTE DES 20. JAHRHUNDERTS. Von Erich Grüner und Eduard Sieber. 332 Seiten, 35 Abbildungen und 8 Karten. 2. Auflage. Beide im Verlag Eugen Rentsch, Erlenbach-Zürich.

Der Schweiz verdanken wir bereits eine Weltgeschichte der neuesten Zeit aus der Feder J. R. von Šalis, eines Historikers von Rang. Die vorliegende ähnelt im Konzept aber mehr jener, ebenfalls in der Schweiz erschienenen, dreibändigen Weltgeschichte Benzigers. Dies nur, um zu zeigen, daß die Eidgenossen sich schon mehrfach an die noch heißumstrittene jüngste Vergangenheit herangewagt haben. Der Band IV, die Weltgeschichte von 1850 bis 1914 umfassend, eine Epoche also, die schon bis in die letzten Winkel ausgeleuchtet worden ist, verbindet sorgfältige historische Fundierung mit knapper, übersichtlicher Darstellung. Die Behandlung des weitschichtigen Stoffes, in dem noch die europäische Geschichte dominiert (hier steht die Bildung der europäischen Nationalstaaten, die zur Epoche des Imperialismus und den großen wirtschaftlichen Aus-einanders’etzungen geführt hat, im Vordergrund), bietet durch die Beigabe von zahlreichen Bildern und Tabellen tatsächlich weit mehr, als man von einem Werk dieses Umfangs hätte erwarten können. Besonders geglückt erscheint uns die Vorgeschichte des Weltkrieges. GeViß, mit manchen Feststellungen ließe sich rechten, und ein Satz wie der, „der großdeutsche-antisemitische Dr. Karl Lueger wurde zum Bürgermeister der Stadt Wien gewählt” (S. 118), ist allerdings unrichtig. Großdeutsch-antisemitisch war Georg v. Schönerer.

Der zweite Band (Band V der Reihe), den ersten Weltkrieg, die Zwischenkriegszeit, den zweiten Krieg und die Nachkriegszeit umfassend, ist von starker Dynamik erfüllt. Die Weltgeschichte wird nun global gesehen, Amerika und Rußland treten auf, laut und polternd, aber auch die anderen Mächte und Kräfte: Kommunismus, Faschismus, die farbigen Völker und die atomare Energie. Den Flistorikern ist die oft einander überschneidende Darstellung innerhalb dieses Rahmens vollauf gelungen: besonders hervorzuheben wäre das treffende Kapitel über den Nationalsozialismus. Die präzisen Formulierungen, ein zwingendes Gebot dieses Vorhabens, und die Raffung sind freilich Vor- und Nachteil zugleich. Mancher komplexe Sachverhalt wirkt dadurch zu einseitig. So mag etwa der Satz „Schuschnigg söhnte sich 1936 mit Hitler aus” (S. 158) für den mit der neuesten Geschichte unvertrauten Leser irreführend sein, er könnte dann fragen: Warum ist Hitler dann 1938 einmarschiert?

Hofmannsthal hat uns Oesterreichern einmal bescheinigt, wir seien fähig, uns in andere bis zur Charakterlosigkeit hineinzudenken. Wir müssen hier aber, selbst wenn wir charakterlich dem Dichterwort entsprächen und den Platzmangel für die beiden Historiker ins Treffen führten, feststellen, daß sie zwar den Philippinen nach 1945 gebührend Raum gaben, die Wiedergeburt des nachbarlichen Oesterreichs unter den Tisch fallen ließen, dabei aber die Nachkriegsentwicklung der westlichen Demokratien würdigten. Für Zwischeneuropa, das ebenfalls nicht Erwähnung fand, wollen wir stellvertretend sagen, daß dem tragischen Geschick der CSR, Polens, Ungarns, Rumäniens und Bulgariens wohl einige Seiten gebührt hätten. Wir wollen jedoch gerne hoffen, daß dieser bedauerliche Mangel in einer dritten Auflage behoben werden wird.

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