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Von Euratsfeld nach Europa

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Am 10. Juni wird Alois Mock, Bürgermeister a. D. im niederösterreichischen Euratsfeld, 60 Jahre alt. Am 12. Juni stimmen die Österreicher über den EU-Beitritt ab. Kommt ein Ja heraus, hat er den größten Anteil daran.

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Am 10. Juni wird Alois Mock, Bürgermeister a. D. im niederösterreichischen Euratsfeld, 60 Jahre alt. Am 12. Juni stimmen die Österreicher über den EU-Beitritt ab. Kommt ein Ja heraus, hat er den größten Anteil daran.

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Alois Mock, von der jüngsten Bandscheibenoperation kaum gezeichnet, von der Klinik in Innsbruck aus die österreichische Fernsehnation ins Auge fassend: Wenn diese Szene nicht das Ja zur EU endgültig -gesichert hat, dann war es längst zuvor schon und gewaltig verspielt. Jeder zweite Oster-reicher mißt Mocks Urteil über die EU das größte Gewicht bei, nur jeder fünfte Vranitzky. Selbst sechs von zehn Unentschlossenen und jeder dritte unter den Gegnern wollen sich an ihm orientieren.

Mock instrumental, international und total. Das ist nicht immer so gewesen. Als Josef Klaus 1969 seinen damals 35 Jahre alten Kabinettschef zum Unterrichtsminister machte, war er ein „Mock who?” mit Fragezeichen. (Wie der frischbestellte Staatssekretär Heinrich Neisser: zwei bemerkenswerte Entdeckungen des ÖVP-Alleinregierungskanzlers!)

1971 wurde der neue Komet am Polithimmel zum ÖAAB-Obmann gewählt: „Ein Beamter?” verzogen viele die Miene. 1978 schaffte er es knapp als geschäftsführender Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs: gegen den erfahrenen, weltgewandten Robert Graf.

Von 1979 bis 1989 war Mock Bun-desparteiobmann der ÖVP. Das waren seine härtesten Jahre. Eine Schlacht, die lange schon keiner mehr gewinnen kann. Der Diamantentest. Auf seine Weise hat er auch diesen bestanden: mit einer Zähigkeit, die auch schärfste Kritiker kaum mit Sturheit zu bezeichnen wagten, und in einer Bedlichkeit, die auch Zyniker beschämt zum Schweigen brachte. Langsam, aber doch ging es mit der Partei bei den Wahlen wieder aufwärts und zurück in die Regierung.

„Wenn ein Mensch in seiner Dachkammer ein Verlangen hegt, das stark genug ist, dann setzt er von seiner Dachkammer aus die Welt in Brand.” Antoine de Saint-Exupery hat scheinbar auch Alois Mock gekannt. Sein Ansehen im Volk, im Bereich seiner Persönlichkeit immer intakt, in der Funktion eines Obmanns der schwierigsten Partei Österreichs gehörig ramponiert, nahm wieder zu: langsam, stetig und plötzlich unaufhaltsam.

Als er nicht mehr ÖVP-Obmann und damit auch nicht mehr Vizekanzler, aber nun Außenminister im Totaleinsatz war, wandelte sich das sympathisierende Mitgefühl vieler

Österreicherinnen und Österreicher in Respekt und dann in offene Bewunderung. Mock engagierte sich mit Hirn und Herz für die Unabhängigkeit und Freiheit Sloweniens und Kroatiens. Er rackerte sich für alle drei Volksgruppen in Bosnien ab und häufig für die am meisten vom Krieg Betroffenen, die Moslems.

Er betrieb die Anerkennung der jungen Staaten, um ihnen die Bechtsgrundlage für UN-Unterstützung zu verschaffen (der Vorwurf, dies habe den Krieg erst ausgelöst, ist von seltener Borniertheit). Er erfand die Schutzzonen, die die UNO erst viel später einzurichten begann, und er machte sich für jede humanitäre Aktion stark.

Der Visionär

Vor allem aber hat Mock den Beitritt Österreichs zur EU betrieben: visionär in der Zielsetzung, realitätsnah in der Verwirklichung, bis zum Umfallen kämpfend, verhandelnd, mit politischen Freunden der Internationalen Demokratischen Union (deren Präsident er 1983-87 war) und der Europäischen Demokratischen Union (Präsident seit 1979) telefonierend und konferierend, ohne lahm und müde zu werden.

Die übermenschlichen Kraftanstrengungen haben dennoch seinen Körper gezeichnet. „Ermüdung, Streß, Hexenschuß” sagt seine Gattin Edith, die den Unermüdlichen seit 1963 hingebungsvoll begleitet, wenn mitunter Kopf, Hände und Füße sich dem zentralen Hirnbefehl entwinden. Daß seine geistige Leistungskraft nicht im geringsten angeschlagen ist, bestätigen ohne Zögern auch jene, die solche Erklärungen als gutgemeinte Beschönigung empfinden.

Alois Mock, der Bauernsohn aus Euratsfeld, Seitenstettner Gymnasiast, katholische Farbstudent (ÖCV-Verbindung Norica), der glühende Österreicher und überzeugte Europäer, der gläubige Christ, Demokrat, Weltbürger und FURCHE-Leser, wird, wenn ihm sein Herzenswunsch durch ein Mehrheits-Ja zur EU erfüllt wird, trotzdem zurückschalten müssen. Er ist jetzt, wie schon Karl Kraus anmerkte, in den Jahren, in denen man „zwar noch genau so jung” ist wie früher, „aber es strengt schon mehr an”.

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