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Von Liebe, Leben und Tod

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Arthur Schnitzlers Alterswerk „Komödie der Verführung“, 1924 im Burgtheater uraufgeführt, mutet im Titel wie im Dreiklang von der tödlichen Liebe im Spiel zwischen Leben und Tod wie ein Epilog, wie eine melancholische Rückschau auf die Welt seiner Dramen an. Da ist der Freiherr von Falkenir, der von Aurelie, der Schlüsselflgur des Stückes, dem Prinzen und dem Dichter als Bewerber vorgezogen wird, die Entscheidung der schönen Frau aber aus bestem Gefühl ab- lehnt: ein geistiger Bruder des todessüchtigen Herrn von Sala aus dem „Einsamen Weg“. Da ist Max, der geborene Verführer, ein zweiter „Anatol“, da ist Seraphine, ein wenig das süße Mädel aus der „Liebelei“, und deren Vater, der alte Kammersänger Fenz. Da sind die einander gleichgültigen Eheleute: Bankpräsident Westerhaus und seine Frau Julia, an den Fabrikanten Hofreiter und seine Frau Genia aus dem „Weiten Land“ erinnernd. Und da ist schließlich der verschleierte Eros mit seiner Todessehnsucht, der Aurelie und Falkenir am Ende gemeinsam im Meere versinken läßt, wahre „Dämmerseelen zwischen Nachtlust und dem ersten Hahnenschrei der Weltangst“. Denn die Komödie spielt im Mai und Juni und am 1. August 1914, am Vorabend der bevorstehenden Auflösung einer herbstenden Welt und Gesellschaft. Um die Tragödie des Nichtzueinanderfindens und Aneinandervorbeigehens rankt sich ein Reigen der Verführung im primitiveren Sinne.

Ein im Grunde wenig dramatisches aber fesselndes Stück poetischen Theaters, geht es weit über den Umfang eines normalen Schauspiels hinaus und verlangt, schon mit Rücksicht auf Überholtes und weniger Geglücktes darin, nach Kürzungen, die Gustav Manker bei seiner Inszenierung im Volkstheater denn auch ziemlich energisch vorgenommen hat. Aber diese Dichtung gehört, ihrem ganzen Altersstil nach, auf eine Bühne der Unwirklichkeit, und darin versagten Regie wie Darstellung. Das meiste war viel zu vordergründig geraten. Weder strahlte Helga David als Aurelie das Geheimnisvolle dieser seltsamen Gestalt aus noch konnte Joseph Hendrichs als Falkenir eine etwas ! hausbackene Impensonalität überwinden. Schlimmer noch stand es um die adeligen Typen: Willy Pokorny war alles andere als ein ' Prinz von Rodegna und Traute ' Wassler mußte als Fürstin von Degenbach (ganz gegen die Auffas- sung Schnitzlers) nur lautstark ' agieren. Dafür entschädigte die bür- 5 verliehe Seite: Hans Olden als Papa, Hilde Sochor und Erika Mottl als Pöchter mit Herz gewannen alle i Sympathien. Zwei Leistungen des ’ Abends ragten hervor: Eugen Stark i als Max und Paola Loew als illu- ' nonslos verzichtende Judith. Kitty Speiser vermochte in der schwie- n rigen Rolle der „Nixe“ nicht ganz zu 1 überzeugen. Alle übrigen Mitwir- 1 renden boten Mittelmäßiges. Die s Entwürfe für Bühnenbild und i Kostüme stammten von Maxi t fschunko. 1

Welch großartiger Bühnengestal- i ter Arthur Schnitzler gewesen ist, J nerkt man nicht zuletzt auch an den irei Einaktern, die das Theater in 5 der Josefstadt unter dem Titel i ,0 du mein Wien“ als Festwochen- 1 Beitrag einbringt. Am ehesten noch 1 seigte die Komödie „Auferstehung“ 1 von Felix Salten ein wenigat

Schnitzler-Atmosphäre. Denn dei noble Herr, der sich auf dem Totenbett mit einer Geliebten von früher, die ein Kind von ihm hat^ trauen läßt, wider Erwarten genesen aber merken muß, wie sehr er allen im Wege steht — ist eine Gestalt von Schnitzlers Ironie. Hans Hollmann inszenierte mit leichter Hand, Hans Holt als Herr, Helli Servi als Geliebte und Kurt Sowinetz als Klavierlehrer gefielen ganz besonders.

Auch in dem schon etwas untergewichtigeren Schwank „Das ältere Fach“ von Raoul Auernheimer führte Hollmann Regie, spielte Hans Holt einen adeligen Freund, der sich von der langjährigen Freundin abwendet, weil sie, schon reichlich bejahrt, endlich ins „ältere Fach“ hinüberwechseln möchte. Vilma

Degischer läßt ihrem Bühnentemperament freien (manchmal eir wenig übertrieben freien) Lauf Neben ihr gefällt Christian Futterknecht als sympathischer 19jähriger Sohn, der sich in die Freundin seines Vaters verliebt.

Den beiden Einaktern voran ging die Uraufführung der fünf Szenen unter dem Titel „Michaelerplatz“ des Wiener Theaterkritikers Piero Rismondo. Sie kreisen um Franz Grillparzer (der unsichtbar bleibt) und die in Wien seit altersher so beliebten Intrigen. Am Bühnentürl des alten Burgtheaters (am Michaelerplatz) unterhalten sich der Portier und ein Bühnenarbeiter, ein Hofrat und ein Baron, kommen und gehen die Direktoren (erst Schreyvogel, dann Laube). Humorvolle Tragik, die (aufs Theater bezogen) in den ungemein aktuellen Schlußsatz mündet: „Bei uns wird sich noch vieles ändern — aber ändern wird sich nichts!“ Heinrich Schnitzler führte in dem liebenswürdig-klugen, aber nicht sehr bühnenwirksamen Einakter Regie. Rudolf Rösner, Kurt Sowinetz, Erich Nikowitz, Karl Fochler und Franz Messner boten gute Typen.

Ansonst stand der Abend ganz im Zeichen der überaus stimmungsvollen Bühnenbilder von Gottfried Neumann-Spallart. Freundlichen

Beifall für die Josefstadt und ihre Darsteller sowie den Autor der Ur- ifführung. Julius Mader

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