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Von Magiern und Musikern

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Große Dirigenten. Von Kurt B 1 a u k o p f. Bücher der Weltmusik. Arthur Niggli und Willy Verkauf. Teuffen, St. Gallen—Bregenz, Wien. 202 Seiten. Preis 65 S.

22 Porträts lebender Dirigenten, von Andreae bis Zecchi, ausgewählt nach dem Maß ihrer Berühmtheit. Wenn unter diesen trotzdem einige der allerberühmtesten vermißt werden, so begründet der Autor dies damit, daß er nur schildern wollte, was er persönlich näher kennt. Also keine historische Darstellung oder allgemeingültige ästhetische Würdigung, auch keine „on dits" (oder noch nur, „wo es zum Verständnis nötig erschien"), sondern knappe, flott und geistvoll entworfene Skizzen vor bedeutungsvollem Hintergrund. Die Darstellung ist zwischen dem Prinzip: „Ich verurteile nicht und ich lobe nicht, ich untersuche nur" und der Einschränkung, daß die hier mitgeteilten Meinungen „nirgends Anspruch auf mehr als subjektive Gültigkeit" haben, gut ausgependelt. Immerhin haben wir für verschiedene Details der Interpretation Hilfsmittel zu ihrer genauen Bestimmung, ja exakte Maßstäbe zur Hand (Schallplatte, Tonband, Zeitmessungen). So kann der Autor auch mit Zahlen und Vergleichen argumentieren. Daß er es mit Vorsicht tut, sei ihm besonders hoch angerechnet. Das Einführungskapitel („Dirigent, Gesellschaft und Kritik") enthält manchen frischen Gedanken, ist aber für ein Buch etwas zu feuilletonistisch geraten. Die bescheiden ausgestattete Broschüre enthält 16 gute Photos und ein nach Interpreten geordnetes Schallplattenverzeichnis.

Magie des Taktstocks. Die Welt der großen Dirigenten, Konzerte und Orchester. Von Friedrich Herzfeld. Im Verlag Ullstein. 207 Seiten. Preis 87 S.

„Der magische Augenblick" ist das erste Kapitel dieses repräsentativen, als Geschenkband aufgemachten Buches überschrieben, und von Magie, Bezauberung, Faszination und Hexerei ist viel, wie uns scheinen will: allzuviel, die Rede. Gewiß, der Autor zeichnet hier, unfreiwillig, einen Teil der Krankengeschichte unseres Konzertlebens auf. Aber da er es nicht als kühler Diagnostiker, sondern eher als Apologet tut, hilft er, die Zahl der Unkritischen, Faszinierten und Entrückten vermehren. Die 64 Tafeln kann man so und so ansehen. Jedenfalls gewähren sie manchen Einblick. Bis etwa zur Mitte reicht der historische Teil (hieraus ein Detail: bis 1911 wird der Name des Dirigenten oft noch nicht auf den Plakaten und Programmen gedruckt!), dann wird munter geplaudert, über Wesentliches und Unwesentliches. Interessant, daß noch im 19. Jahrhundert die großen Dirigenten im Gefolge der großen Schöpfer zu finden waren (daher ein entschiedenes Uebergewicht der Deutschen.) Seit dem 2. Weltkrieg treten immer mehr Ausländer auch in Deutschland in den Vordergrund (Solti, Fricsay, Celibidache u. a.). Bei der Lektüre dieses Buches findet man sich bald in der Situation des Illustrierten-Lesers: Bericht und Indiskretion sind nicht mehr zu trennen. Wir wollen nicht prüde sein und gestehen, daß uns einiges recht sehr amüsiert hat, was Herzfeld über seine Halbgötter zum besten gibt. Schade, daß die Sprache nicht jenen Schliff hat, der dem Thema angemessen wäre — was der ziemlich unkritischen Einstellung des Autors zu seinen Idolen irgendwie entspricht.

Hector Berlioz. Von Hans Ku h n e r. Charakter und Schöpfertum. Verlag Otto Walter AG., Olten. 262 Seiten. Preis 11.60 sfr.

Dieser ausführliche biographische Essay, der in der bekannten Musikerreihe erschienen ist, liest sich spannender als jeder Roman. Berlioz, nach einem Wort Grillparzers, ein „Genie ohne Talent", ist der Prototyp des romantischen Künstlers: in der Maßlosigkeit seines künstlerischen Strebens und privaten Lebens. „Seine Geistesrichtung ist das Phantastische, nicht verbunden mit Gemüt, sondern mit Sentimentalität", schrieb Heine aus

Paris und verglich ihn mit E. T. A. Hoffmann und Callot. Berlioz Liebe zu der englischen Shakespeare-Darstellerin Harriet Smithson und die Leidenschaft für Estelle, die „Stella montis", die der Greis noch zu sich herbeizuzwingen versucht, stellen alle romanhaften Erfindungen in den Schatten. — Zwar gibt es große und empfindliche Lük- ken in der Korrespondenz von Berlioz (die 1936 abgebrochene Veröffentlichung der Briefe durch J. Tiersot reicht nur bis zum Jahre 1855), aber es gelingt dem Autor trotzdem, durch Erschließung neuer Quellen, ein höchst eindrucksvolles Bild des Menschen, des Künstlers und seines Werkes zu zeichnen. Wie alle Bände dieser Reihe enthält auch der vorliegende ein ausführliches Verzeichnis der Kompositionen und der Fachliteratur.

Lache Bajazzo. Ernstes und Heiteres aus meinem Leben. Von Helge Rosvaenge. Wilhelm- Andcrmann-Verlag, München-Wien. 287 Seiten. Preis 68 S.

Rosvaenge bietet seinen Lesern genau das, was sie sich von einem erfolgreichen Heldentenor und Sonntagskind des Lebens erwarten. Schon bei der Taufe wird den Eltern prophezeit: „Ihr Junge wird ganz sicher mit der Zeit ein großartiger Sänger werden". Und so kam es dann auch, wie man weiß. Von Kunst ist wenig die Rede, dafür um so mehr von der werten Person des Herrn Kammersängers, seinen Erfolgen und kleinen und größeren Sorgen. Ueber einige heikle Kapitel (ein allzu erfolgreiches Konzert in Graz im Jahr 1934 und den unentwegten Einsatz in Berlin während der letzten Kriegsmonate) wird geschickt hinweggeplaudert. Der Herr bleibt überall und in allen Lebenslagen — nur ein Tenor. Das ist uns, offen gesagt, ein bißchen zu wenig.

Erinnerungen an Igor Strawinsky. Von C. F. R a m u z. Suhrkamp-Verlag, Berlin und Frankfurt. 131 Seiten. Preis 4 DM.

Das Beste zum Schluß. Wer vom Geist der zeitgenössischen Kunst, vom Arbeitsernst und der Heiterkeit, von der Bescheidenheit und dem Verantwortungsgefühl ihrer Träger etwas erfahren, ja miterleben will, dem sei dieses Büchlein warm empfohlen. Diese sehr persönlichen Erinnerungen an die Zeit der Zusammenarbeit zwischen dem Textautor der „Geschichte vom Soldaten", dem seit Generationen in seiner Heimat ansässigen Waadtländer Ramuz, und dem emigrierten Russen und Weltmann Strawinsky stellen in ihrer klassischen Ausgewogenheit zwischen menschlicher Nähe, verbunden mit intimstem künstlerischen Verständnis und taktvoller Distanz einen seltenen Glücksfall in der umfangreichen neueren Memoirenliteratur dar. Einige Privatphotos und ein Bild vom Genfer See, jener typischen Kulturlandschaft, atmen den gleichen Geist.

Prof. Dr. H. A Fiechtner

Petschorin. Ein Held unserer Zeit. Von M. J. Lermontov. Hattingen-Ruhr. Hundt-Verlag. 303 Seiten. Preis 7.80 DM.

Der weltberühmte Roman Lermontovs wurde hier in einer sauber gedruckten und elegant gebundenen Neuausgabe in der Uebersetzung von Erich Müller-Kamp aufgelegt. Das interessante Werk steht neben Constants „Adolphe" und Mussets „Enfant du siede" als die literarische Ausformung des jungen Egoisten und Zynikers der Byron-Zeit hoch im Kurs. Als Gleichnis des Menschen vor dem Nichts gilt das Werk Lermontovs heute noch. Ein kurzes Nachwort des Ueber- setzers über das Leben des russischen Dichters und eine längere Ausführung von Univ.-Prof. Dr. Heinrich Lützeler über die literarhistorische Stellung des Romans im Zusammenhang der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts runden den vorliegenden Band zu einer begrüßenswerten Neuerscheinung auf dem Gebiete der Uebersetzungen aus dem Russischen ab.

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