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Von Musik und Musikern

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„In dieser, unserer Zeit, in der viel Musik geschrieben und gehört wird, wird auch viel über Musik geschrieben. Befugte und Unbefugte, Wissenschaftler und Literaten bemühen sich eifrigst, eine dem Menschen von Natur aus nahe Kunst noch viel näher zu bringen, und befleißigen sich gleichzeitig, Systeme und Methoden aufzuzeichnen und zu erfinden, die alle dazu dienen sollen, durch das tiefe Meer den Boden des musikalischen Ozeans zu erblicken.“ — Diese Sätze stehen auf Seite 1 des Buches „Wovon lebt die Musik? Die Prinzipien der Musiksozi.ologie“ von Alphons S i 1 b e r m a n n (Gustav-Bosse-Verlag, Regensburg, 234 Seiten), ein Büchlein eigentlich nur, aber prall angefüllt mit klugen Gedanken, die freilich unter einer Reihe abschreckend abstrakter Titel verborgen sind. Aber das gehört eben zur Wissenschaft, besonders zur Soziologie ...

Auf Einfachheit und Gemeinverständlichkeit hat es Walter Abendroth in seiner „Kleinen Geschichte der Musik“ abgesehen (Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main, 174 Seiten). Der Autor hat sich als Pfitzner-Biograph und als Komponist der konservativen Richtung einen Namen gemacht, er besitzt allgemeine Kultur, und so ist man bei diesem Spaziergang durch die Musikgeschichte in bester Gesellschaft. Die Moderne ist nur kurz und sehr zurückhaltend skizziert.

„W. A. Mozart, 1 7 5 6- 1 9 5 6“ ist der Titel eines Bändchens der Fischer-Bücherei (202 Seiten), dessen Hauptteil von dem aus Prag stammenden, in Amerika lebenden Paul N e 111 verfaßt wurde. Seine Mitarbeiter, die jeweils geschlossene Kapitel beigesteuert haben, sind Alfred Orel (Mozart und Wien), Roland Tenschert (Mozart und die Kirche) und Hans Engel (Mozarts Orchesterwerke). Das Büchlein ist nach Lebenskreisen und Werkgattungen gegliedert und bringt auch ein Literatur- sowie ein Langspielplattenverzeichnis.

Person und Werk Bruckners werden immer wieder gleichgestimmte Dichter zur Deutung und Darstellung reizen. In der Suhrkamp-Bibliothek ist die Neuauflage von Oskar L o e r k e s Büchlein „Anton Bruckner — ein Charakterbild“ erschienen, eine zwar die wichtigste Bruckner-Literatur verarbeitende, aber trotzdem eigenwillige, charaktervolle Huldigung eines Dichters „an ein Musikerdasein“. Auch von Bruckners Musik weiß Loerke schön und angemessen zu sprechen.

Ein Büchlein der Verehrung, angefüllt mit kulturgeschichtlichen Kuriositäten, Anekdoten und kleinen, liebenswürdigen Indiskretionen hat Ludwig Kusche (Komponist, ausübender Musiker und Schriftsteller)seinem Idol Richard Strauss gewidmet. Das mit 15 zeitgenössischen Karikaturen ausgestattete Bändchen führt den zutreffenden Titel „Heimliche Aufforderung zu Richard Strauss“ und ist im Süddeutschen Verlag in München erschienen (100 Seiten).

Als Band 638 der Insel-Bücherei, in Querformat, also zum Musizieren geeignet, sind die Schön-bergschen Vertonungen von „Fünfzehn Gedichten von Stefan George“ erschienen. Ein kühnes Unterfangen, zumal es sich bei den 1908 entstandenen Liedern um ein höchst schwieriges, esoterisches Werk handelt, das einen Wendepunkt im Schaffen Schönbergs und der neuen Musik im allgemeinen markiert. Theodor W. Adorno hat ein gehaltvolles Nachwort dazu verfaßt, welches unter anderem die Schönberg-Lieder in die Tradition des deutschen Klavierliedes einzuordnen versucht. Wer als Ausübender vor den Schwierigkeiten zurückscheut, der kann sich dazu die bei der Deutschen Grammophon-Gesellschaft erschienene Langspielplatte anhören und mitlesen.

„Kontrapunkte“ ist der Titel einer Schriftenreihe zur deutschen Musik der Gegenwart, die im P.-J.-Tonger-Musikveriag erschienen ist und von der jeder Band, geschmackvoll-modern broschiert, je nach Umfang, fünf bis sieben D-Mark kostet. Das erste Bändchen, „Deutsche Musik des 2 0. Jahrhunderts im Spiegel des Weltgeschehens (101 Seiten), stammt von Hans Mersmann, dem Autor des seinerzeit anschaulichsten Buches über „Moderne Musik“ im Athe-naion-Verlag (1928). Sehr aufschlußreich in Mersmanns neuem Werk ist der Vergleich zwischen der deutschen Musik um 1930 und um 1950. — „D i e Stimme der Komponisten“ (154 Seiten) vereinigt Aufsätze, Reden und Briefe aus den Jahren 1907 bis 1958 von folgenden Musikern: Strauss, Busoni, Pfitzner, Reger, Schönberg, Webern, Berg, Stürmer, Orff, Hindemith, Eimert, Weill, Reutter, Krenek, Egk, Maler (Wilhelm), Blacher, Schroeder, Zillig, Hartmann, Fortner, Bresgen, Henze und Stockhausen — eine ebenso anregende wie aufschlußreiche und spannende Lektüre. — Die Frage „W ie soll es weitergehen“ schließlich stellt Hermann Erpf (85 Seiten) und behandelt eigenwillig und nüchtern nicht nur theoretische Fragen, wie die nach der Tonalität, sondern auch solche des zeitgenössischen Musiklebens, etwa das „Preisträgerproletariat“. Unterhaltungsmusik, Volks-musizieren, Klangideal, Formgefühl u. a.

Die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen der Musik und den anderen Künsten, der Philosophie und den die Gesellschaft formenden Kräften im 19. und 20. Jahrhundert, erläutert der inzwischen verstorbene Nestor der Wiener Musikkritik, Max Graf, in dem Bändchen „Geschichte und Geist Je: modernen Musik“ (in der Reihe „Die Universität“, Humboldt-Verlag, 214 Seiten). Man bewundert noch einmal die universelle Bildung, die bei Vertretern der jüngeren Generation kaum noch anzutreffen ist, die Selbständigkeit des Urteils und die fortschrittliche Gesinnung eines Mannes, der bis ins hohe Alter jung geblieben ist.

Persönliche Erinnerungen, Begegnungen mit berühmten Zeitgenossen, Reiseeindrücke aus Amerika und dem Süden Europas enthält Max Grafs letztes Buch mit dem bezeichnenden Titel „Jede Stunde war erfüllt“. Ein halbes Jahrhundert Musik-und Theaterleben (Forum-Verlag, 288 Seiten): eine unterhaltsame Lektüre, ein sehr frei komponiertes Buch, im Detail nicht immer ganz zuverlässig und offensichtlich sehr flüchtig revidiert.

Die Autoren des ausgezeichneten Opernführers in der Fischer-Bücherei, Hellmuth S t e g e r und Karl Howe, haben im gleichen Verlag einen O p e r e t-tenführer herausgegeben, von Offenbach bis zum Musical, von Abraham bis Ziehrer, mit kurzen, sachlichen Inhaltsangaben, genauer Bezeichnung des Rollenfaches, der Orchesterbesetzung, den wichtigsten Daten usw.

Unter dem Titel „Das neue Jazzbuch“ hat Joachim Ernst B e r e n d t, Deutschlands bester Jazzspezialist, eine erweiterte Neuauflage seines 1953 erschienenen ersten Büchleins bei S. Fischer erscheinen lassen (jetzt 317 Seiten, nebst einem ziemlich umfangreichen Phototeil; früher 237 Seiten, ohne Abbildungen). Mehr für Jazzfreunde als für solche, die es noch nicht sind . .

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