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VON NEUEN BUCHERN

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In seiner Untersuchung über das Wesen der Dichtkunst sagt Grillparzer: „Was die Lebendigkeit der Natur erreicht und doch durch die begleitenden Ideen sich über die Natur hinaus erhebt, das und auch das nur ist Poesie.“ — Paula von Preradovic tritt jetzt nach längerem nicht freiwilligen Schweigen wieder mit einem Gedichtband hervor, in dem sprühende, sdaöp-ferische Durchgeistigung der Natur, der Umwelt, des persönlichen Erlebens so stark sich offenbart und zum Kunstwerk wird, daß das Wort Grillparzers in dem Schaffen dieser österreichischen Dichterin beispielhaft zur Wahrheit wird. In so vielen rausdien-den Bächen hat sich die Lyrik seit Jahrzehnten nicht in unsere Literatur ergossen, wie nun, da das welterschütternde Geschehen unzählige Quellen dichterischer Empfindung aufgesprengt hat. Zu dem Bleibenden wird das Werk dieser Dichterin gehören, die, ganz Österreicherin, in ihren Werken jene eigenartig schöne Synthese darstellt, die einmal Konstantin Hörmann als ideale Verschmelzung verschiedenartiger Begabungen, der des Deutschösterreichers und des Kroaten, bezeichnete. Noch immer glaubt man in den Balladen von Paula Preradovic,„DerKnezvon Sembrien“, „Diocletians Tochter“, „Das Sterben im Wald“ und anderen von ferne die Guzla tönen, irgendwo vor einsamer Hütte des kroatischen Karstes, die schwermütigen Kadenzen alter Heldenlieder zu hören. Zuweilen wird die Enkelin des großen - kroatischen Nationaldichters von der Sehnsucht nach der einstigen Heimat gepackt, nach der „Stadt zwischen M-acchia und Meer“, sie vernimmt dann aus den Buchten das Schwellen der Brandung und meint die „wehenden Düfte von Thymian, Ginster und blauem Salbeikraut“ zu verspüren. Und dann entringt sich ihr die Klage:

„Verschwunden und versunken ist uns die

Heimat lang,

Es ist im Meer ertrunken, was leicht in Lüften

schwang.

Das himmliche Geflimmer verlosch im Nebelgrund,

Und, Bruder, ach, auf immer ist mir verstummt

Dein Mund!“

Ein wilder Vogel ist ihr Herz, gewohnt sonnenwärts zu steigen, die Dichterin spricht ihn an, warum er nun mit mattem Auge traure:

„Die Falle ahnst Du, die Dir droht?

Den Mörder siehst Du spähen?

Dir bangt vor bösen Bolzens Not,

Vor weher Wunde, jähem Tod

Und moderndem Vergehen?

O Herz, mein wilder Vogel du,

Sollst nicht im Schatten zagen!

Wer glühend stürmend naöcht' wie Du

Der Sonne zu, dem Himmel zu,

Den wird kein Jäger jagen.“

Schon diese kurzen Stellen vermitteln eine Vorstellung von der farbigen Bildpracht dieser Dichtkunst, lassen ihre in Alliterationen schwingende Musikalität erspüren. In vielen Gedichten zittern die seelischen Erregungen jüngster Vergangenheit, so in der „Wiener Reimchronik“ der mutige Zuruf an die Schicksalsgenossinnen im Frauengefängnis der Gestapo, in der Schilderung des Luftangriffs und des brennenden Domes, oder auch in dem demütigen „Stoßgebet eines Christen in diesen Tagen“, der in einer Welt „von Gram und Grauen, von Haß und Rachsucht, staubenden Trümmern, Krücken und Massengräbern“ nur fleht:

„Uns Ängstlichen, im Pfuhle der Zerstreuung Anfangenden und Stümpern, zeig uns Du Von Deiner Weisheit nur das Vorderste, Das Leichreste, daß wir's begreifen Das erste Zeichen Deines Alphabets!“

Zur erhabenen Vollendung erhebt sich die Kirnst der Dichterin, wenn sie an g oße seelische Probleme herangeht, etwa in ihrem wahrhaft klassischen Trostpsalm für den Menschen der Unrast, „der die Trägheit aufscheucht aus den langsamen Seelen“, der deshalb als Friedenstöter angeklagt wird von allen, denen „die jahrealte Stickluft der Stuben lieber ist, als wieder herrlich wehender Wind“.

Die Anthologie schließt mit vier Elegien ab, psychologisch so ergreifend schön durchgeführt, daß man sie als die Krönung dieser Sammlung bezeichnen kann. Hier donnern Hexameter mit der rhythmischen Kraft einer dahinsprengenden Koppel junger Pferde. Da sind die Elegien vom Mitleid, an den Einsamen, von der Ferne und der verlorenen Zeit. Da redet die Dichterin zu dem Schlaflosen, der sich ruhelos auf dem Bette wälzt, verfolgt von den schreckhaften Bildern nutzlos vertändelter Zeit, verratener Liebe, wartenden Türen, die er nicht öffnete, auf ihn hoffender Augen der Alten, die er vergaß. Und weiter:

„Jammervoll liegst du, o Mensch, doch die schlimmste der Ängste, sie kauert

Stumm noch im Winkel der Stube und jetzt erst erhebt sie sich zögernd,

Wächst bis zur Decke empor und steht als ein dräuender Riese,

Bannt dich mit forderndem Blick, daß dir's eisig das Rückgrat hinabläuft,

Fragt dich in ehernem Ton, wie weit du im ratterndem Leben

Ließest aufsprossen in dir das verborgene Angesicht Gottes....

Wie? Nicht begonnen bis heut ward in dir das Erspüren der Linien?

Wie? Denn du hattest nicht Zeil, und die Vielfalt der Lichter zergrellte

Täglich in dir den Beginn vor Gottes gewaltigem Grundriß?

Nie mehr hebt dir das Dasein an, diese Spanne

nur ward dir, Diese und nimmermehr eine, zu bilden das Auge

der Seele.... Aber indessen du stöhnest und salzige Tränen

dir sickern

Nieder aus brennendem Auge, was darfst du aufseufzend gewahren?

Siehe, was naht dort? Was klettert gelinde empor an den Fenstern?

Siehe, was dämmert ganz schwach? Was zertreut dort allmählich die Schwärze?

Aufreiß die Läden und lasse die nächsten Nöte entweichen,

Spring aus den Kissen und tauche ins Wasser

des frischenden Mutes! Mensch du, ein Tag liegt vor dir, ein neuer,

daß du ihn nützest. Daß du ans Werk, ans verlass'ne, dich machest

mit treuem Gewissen, Daß du verratne Liebe versöhnest und pflegest

aufs neue,

Daß du den göttlichen Umriß noch einmal mit

Zittern beginnest. Mensch, der du lagst in der Nacht und littest

unsägliche Leiden: Mensch du, du hast ja noch Zeit, da du lebest

und bist nidit gestorben!

Es sind beglückende Stunden, die uns in der Lektüre dieses Buches geschenkt werden, dem Werke einer wahren Dichterin, einer unsrer Besten. f.

„Die christliche Lebenshaltung des Klemens von Alexandrien.“ Von Friedrich Q u a t t m-b e r S. J. Verlag Herder, Wien.

Die Arbeit ist ein wertvolles Hilfsmittel für die weitere Klemensforschung. Eine eingehende Monographie wäre ja heute bereits notwendig. Aus den Darlegungen sieht man deutlich, wie auch die Fachleute sich über das Maß der Einwirkungen, die Klemens von christlicher und heidnischer, das heißt stoischer und platonischer Seite erfahren hat, nicht einig sind. Der Verfasser berührt die Frage, ob und inwiefern Klemens von den Gedanken Philons und von den sogenannten Neupythagoräern beeinflußt wurde, nicht, obwohl ein solcher Einfluß meines Erachtens in den Stromateis siditbar ist.- Bereits die vom Verfasser ausführlich behandelte Frage, ob Klemens gebürtiger Athener oder Alexandriner war, spielt hier herein. Der Verfasset rückt in den Mittelpunkt seiner Arbeit den Pädagogus und untersucht diese Schrift gründlich hinsichtlich seines Themas, das die .bisherigen Arbeiten über Klemens nur aus den Stromateis schöpften.

„Wertphilosophie und Ethik.“ Von Robert R e i n i n g er. Verlag Braumüller, Wien, IX., Servitengasse 5. Gebunden S 9.—, broschiert S 7.50.

„österreichische Tagessprüche.“ Von Hans Widhofner, Markt Piesting, Niederösterreich. Im Selbstverlag des Verfassers. 29 Seiten.

„Zwischen Mars und Apoll.“ Unveröffentlichte Briefe des Cosimo dei Medici. Übertragung von Richard Hoffmann. Verlag Wilhelm Andermann, Wien. 270 Seiten.

„Todesstrafe und Schwurgericht.“ Von Dr. Hans Gürtler. Manzsche Verlagsbuchhandlung, Wien, I., Kohlmarkt 16. 32 Seiten. S 2.—.

„Ein Ministrant.“ Von Dr. Franz L o i d I. Salzkammergut-Druckerei, Gmunden. 32 Seiten.

„Die Stimmen der Kirche zur sozialen Frage.“ Von Dr. Theodor Kardinal I n n i t z e r. Schriftenreihe der Wiener Katholischen Akademie Verlag Herder, Wien, I., Wollzeile 33. 24 Seiten. S —.40.

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