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VON NEUEN BUCHERN

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Zur Neuauflage von Theodor Haeckers Vergil, Vater des Abendlandes

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Zur Neuauflage von Theodor Haeckers Vergil, Vater des Abendlandes

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Nun liegt Haeckers Vergil, sein Vermächtnis an Europa, als Schweizer Ausgabe neu vor uns. (Verlag „Die Arche“, Zürich.) Das Dritte Reich hatte dieses Bekenntnis zu dem in der Einheit von Christentum und Antike wurzelnden Europa verboten. Es ist dies einer jener Akte des Selbstmordes, zu dem die von ihrer eigenen Hybris dem Tode Geweihten zu allen Zeiten und an allen Orten sich getrieben fühlen. Haecker hatte freilich in diesem 1931 erstmalig erschienenen Werk bereits im Vorwort es nicht an Deutlichkeit gegenüber der Anthropologie der neuaufsteigenden Häresien fehle lassen: „Der Mensch, und fände er sich in tausend Typen und tausend Zeiten, ist ewig und unveränderlich Mensch.“ Dies aber ist die wunderbare Grundmelodie dieses geistmächtigen und künstlerisch formvollendeten Werkes, das im Innen- und Außensein Gehalt und Gestalt der romanisch-germanischen Einheit verkörpert: in Arbeit und Gebet, im demütigen Dienst an der Kreatur („Hirten“), an der Erde („Bauern“), am Geist („Klassische Kunst“), an Gott („Fa-tum“) vollendet der Mensch den Kreislauf des Menschlichen. Wohl weiß er: „zwischen Mensch und Fatum liegt ein Meer von Tränen“ — sunt lacrimae rerum —, wie Vergil sagt: die Dinge haben ihre Tränen, die harte Wirklichkeit weint sich aus — ein, wie Haecker erkennt, nicht sentimentaler Satz, sondern ein ontologischer: das Sein dieser Welt ist tragisch. Kein Zaubergesang kann über das Leid der Welt hinwegsingen. Auch Vergil nicht. Auch Goethe, auch Rilke nicht. Was rettet nun den Heiden, den Menschen vor Christus, vor der Überheblichkeit des letzten Trotzes und der letzten Verzweiflung?: die Demut. Um dieser eingeborenen Demut willen feiert Haecker Vergil mit den Worten Tertullians als eine von Natur aus christliche Seele. Und wenn Haecker dies 1930/31 tut, in wahrhaft apokalyptischer Stunde, dann deshalb, weil er diesen Vergil, diesen Sänger der Demut, seinen Deutschen gewidmet hat: Angst und Entsetzen im Herzen, sieht er ei neues Geschlecht der Trotzigen, Wilden, der Machthungrigen, der Barbaren zur Herrschaft aufsteigen über das Volk der Dichter und Denker. Warnen will er dieses Volk vor der Selbstvernichtung. Denn ein Volk, das keine Demut, keine Selbstbescheidung mehr kennt, verliert das Maß, sich selbst und andere zu messen — es wird zuerst geist- und wertblind und dann in fürchterlicher logischer Entwicklung so verblendet, daß es sich selbst für das Maß aller Dinge, für den Mittelpunkt der Erde hält. Auf diesen Augenblick warten aber die Dämonen.

In drohendem Schicksal seines Volkes sieht aber Haecker nur ein Spiegelbild des vom Untergang bedrohten Abendlandes: Es. hat seinen Primat in der Welt verloren, weil es aufgehört hat, in der Demut des Glaubens sich und andere zu verstehen, zu begreifen. „In welcher Krisis wir auch immer in diesem Augenblick stehen mögen, wir müssen sagen, daß der abendländische Mensch seit über 2000 Jahren den Prinzipat gehabt hat über alle anderen Völker und Rassen. Das will, auf die letzte Formel gebracht, sagen, daß er die prinzipielle Möglichkeit, die er faktisch oft genug nicht verwirklichte, gehabt hat, alle anderen Menschen zu verstehen, worin eingeschlossen ist seine tatsächliche und seine mögliche politische Herrschaft. Und diese Möglichkeit und Wirklichkeit hatte er durch seinen ,Glauben'. Verliert er diesen, so wird er auch jene verlieren.“ Europa hat diese Möglichkeit, andere und sich selbst zu verstehen, heute verloren, und deshalb auch die Herrschaft über andere und über sich selbst. Viele preisen sich heute an und wollen den „neuen Weg“ zeigen, den Weg zu Aufstieg und Aufbau eines neuen Lebens. Wenige sind dazu wirklich berufen, so berufen wie der große Schwabe Haecker, der kurz vor Kriegsende 1945 in München an Erschöpfung starb. Dieser Autodidakt wußte um die Kräfte des Bodens, um die Macht des Geistes und um das ■ Geheimnis des Menschlichen, das im Kreuz offenbar worden ist: in diesem Sinn ward ihm Vergil zum Symbol des ewigeri Abendlandes.

Religion und Medizin. Vorlesungen und Vorträge von Baumgartner, Niedermeyer, Somogyi, Kauders. Heßverlag, Basel.

Das Büchlein enthält eine Sammlung von Vortrügen, weldie'namhafte Wissenschaftler wahrend der Salzburger Hochschulwochen 1937 über, Grenzfragen der Medizin, Philosophie und Theologie gehalten haben. Zur raschen Orientierung e, über den Umfang des Fragenkomplexes ist es geeignet. Als notwendige Ergänzung medizinischen Wissens mag es dem Arzte wie dem Medizinstudierenden recht willkommen sein. Die Lektüre lenkt auf die bedauerliche Tatsache des Mangels eines großen wissenschaftlichen Werkes über den Gegenstand hin und ist als Vorbote einer umfassenden Darstellung zu begrüßen.

Rußland unterwegj. Der russische Mensch zwischen Christentum und Kommunismus. Von Fritz Lieb. Band IV der Reihe ..Mensch und Gesellschaft“. A. Francke A.G., Bern 1945. 474 Seiten. Schweizer Franken 14.50.

Die Entscheidung über die Geschicke unserej Zeitalters ist in der richtigen Begegnung zwischen Osten und Westen begründet. Fritz Lieb, evangelischer Theologe, Schweizer, an die Berliner Universität berufen, versucht als Spezialist für ostkirchliche Fragen diese Begegnung mit herbeiführen zu helfen, indem er dem Westen die Kenntnis des russischen Menschen sowohl in der geschichtlichen Wirklichkeit wie in den grandiosen Selbstdarstellungen eines Dostojewski und Solowiew vermittelt.

Ein besonderes Kapitel ist dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Sowjetrußland, den Hintergründen des kommunistischen Atheis. mus, wie einer immer sichtbarer werdenden Annäherung der beiden Fronten gewidmet. Nach Ansicht Liebs wird die Begegnung Rußlands mit dem Westen in jenem Maße gefördert, in dem die Sowjetunion, wie der russische Mensch Verständnis gewinnen für die Elemente des Christentums und einer geoffenbarten Religion. Zum Abschluß interpretiert Lieb die Stellung des europäischen Menschen zu biblischem Evangelium und marxistischem Kommunismus. Ein Nachwort des umfangreichen Werkes ist dem Thema „Rußland und die Zukunft Europas“ gewidmet.

Wege christlichen Lebens. Von Abt Dom Cuthbert Butler. Alte Frömmigkeit in neuer Zeit. Benziger-Verlag, Einsiedeln/Köln.

In dieser deutschen Übersetzung ist uns jetzt das 1931 erschienene letzte Werk des englischen Benediktinerabtes von Downside zugänglich, in dem sich der Autor nach lebenslangen wissenschaftlichen Studien über die Geschichte des Mönchstums nun an weite Kreise christlicher Laien wendet. In auffallend schlichter Sprache skizziert er zunächst die von den vier alten Orden der Benediktiner, Franziskaner, Dominikaner und Karmeliter geprägten Frömmigkeitshaltungen, soweit sie auch Weltleuten den geistigen Weg weisen können. Eine Fülle großer Beter zieht — wohl in allzu rascher Folge — vorüber, meist auch selbst in kurzen Textproben ihrer Schriften sprechend. Vielleicht hätte bei Beschränkung auf wenige, aber eingehender behandelte Gestalten die Wirkung des Buches eine tiefere sein können. Aus der neuzeitlichen Frömmigkeitsgeschichte ist dem heiligen Franz von Sales ein eindrucksvolles Kapitel gewidmet. Die Ausführungen über die liturgische Erneuerung können, wenn auch schon manches überholt ist, doch such noch wertvolle Anregungen .vermitteln; das letzte, dem beschaulichen Gebet gewidmete Kapitel aber bleibt in seiner tiefen Klarheit von größtem Wert auch für den modernen Christen.

Bruder Tod. Ein vermessenes Gespräch. Von .P. DDr. Claus Schedl, C. Ss. R. Verlag Herder, Wien.

Aus der scheinbaren Sinnlosigkeit der jüngsten Vergangenheit erheben Tausende neuerlich die Frage nach dem Sinn des Todes. Dieses „Vermessene Gespräch“ zeigt, wie diese schon in den Büchern des Alten Testaments gestellt, erst im Neuen Testament der einzigen erträglichen Lösung zugeführt werden konnte. Durch die Erfüllung der Verheißungen„ den Tod und die Auferstehung des Herrn, ist auch unser Tod hinaufgenommen in seine Verklärung. Der Tod ist Bruder geworden, der uns heimführt in den neuen Himmel und die neue Erde. Der besondere Vorzug der kleinen Schrift ist die formvollendete Wiedergabe der Schriftstellen und die innige Sprache der verbindenden Worte. Es wäre zu begrüßen, wenn nach diesem Beispiele auch andere brennende Fragen der Gegenwart beleuchtet würden.

Der Weg aus dem Chaos. Von Dr. Karl F r i e d 1. Verlag Franz Reisinger, Wels, Oberösterreich, 1947. 143 Seiten. Broschiert S 1.90-

Das Büchlein im Format und der Art religiöser Kleinschriften paßt auf den kirchlichen Schriftenstand. Es handelt in einfacher Form von verschiedenen religiösen Fragen. Die Aufsätze wären als Artikel für Kirchen- oder Pfarrblätter empfehlenswert.

Kleine Geschichte Österreichs. Von Ludwig Reite r. 54 Seiten. Verlag Julius Lichtner, Wien. .

Dieses wiederholt besprochene Büchlein hat sich durch seine sympathische Haltung und handliche Form in kurzer Zeit so durchgesetzt, daß nun schon die 4. Auflage notwendig wurde, ein bemerkenswerter Rekord.

Wiener Veduten. Gedichte von Irene Stemmer. Gerlach & Wiedling, Wien, 1946.

Klare Form und einfacher Ausdruck, tiefes Einfühlungsvermögen, malerischer Sinn, gereifte Erkenntnis. Mit solchen Vorzügen zur Dichtung bestimmt, erhebt sich ein lyrisches Bekenntnis über den Wiener lokalen Rahmen zu allgemein menschlicher Bedeutung und verspricht ein wertvolles Lebenswerk. — tt —

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