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VON NEUEN BÜCHERN

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Horaz, Ausgewählte Werke. Obersetzt von Heinrich G a ß n e r, Amandus-Edition.

Gaßner schlägt bewußt einen neuen Weg ein.

Es ist ihm nidit um die Wiedergabe des gesamten Oeuvre des Horaz zu tun, in der Reihenfolge, in der uns die Gedichte überliefert sind. Er will sie nicht der Reihe nach, womöglich im Versmaß des Originals, übersetzen, sondern den Menschen unserer Zeit im Werk den Dichter und Menschen zeigen und durch diesen wiederum das Werk erhellen und näherbringen. Vorausgeschickt wird die antike Horaz-Biographie des Sucton. Der Zweck des Buches ist kein literarästheti^cher, kein alter oder neuer Humanismus steht im Blickpunkt, kein klassizistisches Ideal wird beschworen, sondern das Bild des Diditers selbst, des Menschen Horaz soll sichtbar werden. Und dieser Mensch, der einer der größten Dichter der Römer war und zu den bedeutendsten aller Zeiten gehört, vermag auch unser Herz noch zu bewegen. Die dargebotenen Gedichte werden nach großen Gesichtspunkten zusammengefaßt, wie: Werden und Sein (Die Jugend, Der Freund, Die Gesell. Schaft, Lyrisdies Intermezzo), Wesen und Wirken (Natur, Lebensweisheit, Philosophisches Intermezzo, Kunst, Ästhetisches Intermezzo), Welt und Ruhm (Rom, Augustus, Vollendung), Ausklang. Bei einem „modernen“ Dichter ist es uns selbstverständlich, daß wir sein Werk und sein Leben in engsten Zusammenhang bringen, nur die „Alten“ lassen wir immer auf Kothurnen wandeln. Es erscheint uns heute unbegreiflich, daß bisher auch der uns menschlich so nahekommende Horaz diesem Schicksal nicht entgangen ist. Mit diesem Brauch, oder besser Mißbrauch, hat Gaßner Schluß gemacht. Bei der Beurteilung seiner Übersetzung wäre daran zu erinnern, daß schon Wilamowitz von einer guten Übersetzung verlangt hat, daß sie um den fremden Gedanken, um die Seele der anderen Sprache einen Wortleib aus dem Fleisch und Blut der eigenen Spradie legen müsse. In seinen eigenen Übersetzungen (zum Beispiel in der Orestie des Aischylos) hat e r diese hohe Forderung nidit erreicht. Seine Umdiditungen ins Deutsdie sind doch mehr für den Kenner, den Philologen geeignet als für den Liebhaber, den Laien. Die vorliegende Horazübersetzung setzt sich zum Ziel, auf den modernen Leser ungefähr so zu wirken, wie das Original auf einen Römer der Augusteischen Zeit gewirkt haben mochte. Dabei spielt die Wahl des Versmaßes eine große Rolle, Bei den Satiren und Episteln wurde der Hexameter beibehalten. Und das mit Redit. Ist doch dieser Vers auch in unserer Sprache durch große Dichter wie Goethe oder Wildgans so eingebürgert worden, daß er wie natürlich gewachsen wirkt. Daß freilich die Hexameter der Gaßnersdien Übersetzung nicht feierlich einherschreiten, sondern mehr eine versifizierte Umgangssprache sind, entspricht der Eigenart der als ..Gespräche“, „Plaudereien“ bezeidineten Dichtungsart, wie sie Horaz selbst aufgefaßt hat. Ganz anders steht es mit den lyrischen Maßen der Oden und' Epoden. Hier hat Horaz bewußt die Formen, der griechischen Lyrik nachgeahmt und mit unerhörter Kunst auf die lateinische Sprache übertragen. Die Verwendung dieser so überaus komplizierten Maße im Deutschen, mag sie auch von Spraehkünst-lern wie Klopstook, Platen, Geibel und anderen mit Erfolg versucht worden sein, hat doch nicht Heimatrecht erlangen können. Unsere Sprache und Verskunst ist eben ganz anders geartet. Es wäre höchst reizvoll, die neueren deutschen Übersetzungen des Horaz mit der Gaßnersdien zu vergleichen. Nur dann ließe sich auch dem Laien die Meisterschaft dieser wirklichen Eindeutschung recht deutlich machen. Zum Schlüsse sei die Bitte ausgesprochen, Gaßner möge seine Meisterschaft auch am andern großen römischen Lyriker erproben, an Catull.

Landessohulinspektor Dr. G. R o t t e r Existenzanalyse und die Probleme der Zeit. Von Viktor E. F r a n k 1. Schriftenreihe „Symposion“. Amandus-Edition, Wien.

Das Budi ist die Wiedergabe eines Vortrages, den der Verfasser auf dem französisch-österreichischen Hochschultreffen in St. Christoph am Arlberg gehalten hat. Audi hier werden die Ergänzungen und Weiterführungen der Psychoanalyse eingehend besprodien, dje Frankl damit gibt, daß in den Mittelpunkt seiner „Logotherapie“ die Verantwortlichkeit und Freiheit des Menschen rückt. Die oft diskutierte Frage einer Kollektivschuld und -Verantwortung wird berührt. Frankl lehnt eine solche Schuld durchaus nicht ab und kommt von da zur Idee einer „planetarischen Verantwortung“. Er stellt den Menschen als vom Geiste her bestimmt dar. doch ist er nicht unbedingt diesem Geiste, sondern dem Leben einfachhin, seinem Leben verantwortlich. Dabei meidet er bewußt die Bindung an eine bestimmte religiöse Anschauung und betont, daß es die Existenzanalyse allein mit „dem Räume der Immanenz“ zu tun habe. Dodi er wähnt er den absoluten Hintergrund des menschlichen Daseins. Uns fällt auf, daß er öfter ein religiöses Beispiel verwendet und mit einem religiösen, einem Bekchrungserlebnis einer Patientin, schließt. Audi in diesem Vortrag zieht sich das religiöse Problem, freilich als Problem, wie ein roter Faden durch das Ganze. Die christlichen Phänomene sind von einem Außenstehenden nicht immer ganz richtig gewertet. Dodi werden Menschen, die bisher über den Lebenshintergrund vielleicht noch niemals nachgedacht haben, durch diese glänzend und anziehend formulierten Ausführungen sicher gewonnen, die Frage nach dem Sinn des Lebens überhaupt oder tiefer zu stellen. Wenn auch viel von der Entscheidung gesprodien, diese aber niemals ganz gefordert wird, ist zu bedenken, ob Suchende einen im konkreten Leben wirklich gangbaren Weg finden werden Denn gerade die für jeden brennendsten . ragen der Lebensgeswltung werden wie mit einer Meereswoge an den Strand gespült und dieselbe Woge holt sie wieder ins Meer der Diskussion zurück, weil es offen bleibt, ob sich der Mensch dem Geiste, den er als den absoluten erkannt hat, unterwerfen müsse und ob er überhaupt eine persönlidie Bindung zu diesem herstellen könne. Der Moment der Entscheidung, der uns freilich sehr, sehr wichtig erscheint, kommt uns wie mit einer dauernd wirkenden Zeitlupe ins Unendliche verlängert vor. Möge der Leser nicht nur in dieser Situation verharren, sondern aus der Lektüre einen für sein Leben gangbaren Weg finden. Dr. Eva Firkel Zeit und Verantwortung. Von Viktor E. Frankl. Verlag Deutidke, Wien 1947.

In diesem Vortrag hat der Verfasser di wesentlichen Gedanken seiner „Existenzanalyse* zusammengefaßt. Das Neuartige dieser Psychotherapie besteht darin, nicht nur Ursache und Sinnzusammenehänge der vorliegenden Neurose aufzudecken, sondern den Sinn des Daseins überhaupt zu erforschen. Die entscheidende Feststellung ist die, daß der Mensch ein Verantwortlicher und nicht ein blind Getriebener sei. Der Mensch ist ein geistiges Wesen, seine Verantwortlichkeit besteht dem Leben, dem Geist gegenüber. Er äußert sie in den Werten, die er verwirklicht. In der Wertwahl ist er frei. Alles kommt darauf an, daß er diese Freiheit richtig benutze. Das hängt davon ab, ob er sich seiner Stellung in der Welt bewußt ist oder nicht.

Kunstdenkmäler: Die Kirche vom Stift Melk. Von Friederike K 1 a u n e r. Verlag Franz Deu-ticke, Wien. 36 Textseiten und 40 Bildtafeln.

Nicht nur, weil sie die letzte Basilika mit einer Tambourkuppel in Österreich ist, lenkt die Melker Kirche auf ihre Besonderheit die Aufmerksamkeit: Die Verfasserin analysiert die Architektur dieses Beispiels edelsten österreichischen Barocks in feinfühligem Wohlbedacht. Warum ihr die Frage nach dem Architekten, der dieses Kunstwerk schuf, kompliziert erscheint bis zur Undurdisichtigkeit. Es gibt auf Grund der Bauakten sowohl wie des strahlenden Ergebnisses doch nur die eine Antwort: Prandtauer war nidn nur Baumeister der Kirche, sondern auch ihr Architekt. Die Monographie stellt eine wertvolle dritte Fortsetzung der von Ernst Garger begonnenen Kunstbüdier-reihe: „Kulturdenkmäler“ dar.

Gesammelte Gedichte. Von Georg H e y m. Mit einer Darstellung seines Lebens und Sterbens. Herausgegeben vom Seelig-Verlag, Die Arche, Zürich.

Was P. Lippert von Nietzsche sagt, daß dieser eigentlich ein überaus feinfühliger, fast demütiger Mensch war, läßt sich ähnlich auch auf Heym anwenden. Wenn auch die Themen seiner Dichtung einem expressionistischen Sturm und Drang entspringen, so klingt doch ziemlich intensiv im Grunde eine feinfühligschwermütige Saite immer und immer mit. Daraus her gestaltet seine Anschauungskraft in oft grellen Farben die Bilder von Schrecken und Grauen, Qual und Elend, Not und Tod-Seine Sensibilität und Sehnsucht nach Schönheit reizt und reibt sich wund am Widerspruch des Lebens der Großstadt, die wie Fieber und Krankheit ist, voll vom tollen Treiben der Menschen, in das sich auch der Spuk der Gespenster und Toten mischt. Dahinter klingt es manchmal wie eine Prophetie vom kommenden Weltkrieg auf. Und trotz allem, oft unausgesprochen der dunkle Klang seiner Wehmut, die sich in die Fernen des Friedens und der Erlösung sehnt. Die Biographie, die die Auswahl der Gedichte sicher sehr wertvoll ergänzt, wird diesem charakteristisch durchgehenden Zug, der manchmal von all der jugendlichen Kraft des Frühvollendeten verdeckt erscheint (Die Freundschaft mit dem scheinbar gegensätzlichen Balcke, die dem Dichter das Leben kostete!), vielleidit nicht gan? “erecht. Dr. A. Pocke

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