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Vor dem Ende

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Dl letzt große Premler der Wiener Saison: Richard Billingers neu-altes Werk .Traube in der Kelter“. Nach sieben Jahren Schweigen. — Eine Enttäuschung. Vergilbte Sentenzen wohlfeiler Art, Lyrismen, vielfach verbraucht in früheren Werken und Banalitäten 6ollen diese story aus der Geschichte genießbar machen. Margaretha Maultasch, Gräfin von Tyrol (im Stück will sie einmal .Kaiserin von Österreich“- werden — 13641!!), will sich im letzten Jahr ihrer Regierung mit dem Bergwirt Zwipp vermählen — das Südtyrol vor fremden Herren zu bewahren. Das tolle Weib und der tolle Mann, beide sind Roßnaturen, mehr für Rauhnächte als für den klaren, kühlen Tag geschaffen, verirren und verwirren sich ineinander — bis die hohe Politik (der Bergwirt wird des politischen Mordes an einem Prinzen überführt) den Zauber lößt. Den Zauber... ach, wäre es nur ein Zauberl Das ist die Beobachtung, die dieser neue Billinger erlaubt: geschwunden ist die Bannkraft, das Zwingende, an dämonische „Gründe“ Rührende jenes Heidnisch - Chthonigchen, das früher zu einem „Billinger“ gehörte. Hier ist nur mehr Maskerade, ebenso wie in diesem seinem „Christlichem“, das nur aus „frommen Spruch'“ besteht, und billig und gut erscheint, inen rechten Akt- und Dramenschluß zu geben: „seid's brav, verzichtet auf Rache, versöhnt euch in geduldiger, redlicher Tagesarbeit ...“ — So schön und lobenswert diese Absicht sein kann, wirkt sie doch iiier völlig unglaubwürdig, weil ihr Vortrag hier jede Innere Dimension vermissen läßt. Billinger hat dies wohl selbst gespürt, als er dem „w e 11 g e i 1 e n“ Paar (um in der Sprache der alten Prediger zu sprechen), diesem Paar, das In seiner leeren Lust und schaumhaften Voll-saftigkeit durch Maria Eis und Ewald Baiser gut repräsentiert wird, ein Gegenpaar der Jungen gegenüberstellte: der Sohn des sündalten Zwipp und ein Mädchen aus der Ferne symbolisieren das .neue Geschlecht“ der Sühnenden und Entsühnten. (Annemarie Düringer und Fritz Zecha.) Diesen Jungen aber wird (Symbol für unsere Zeit?) zuwenig anvertraut, an Worten wie an Werken — sie Schaffens nicht, retten das Stück nicht aus seiner manchmal klug umsonnenen Hohlheit. Die undankbare Aufgabe der Regie wurde Leon E p p übertragen, er bemüht sich •ehr um die Aufführung. Schwacher Applaus Ja Gegenwart des Dichters.

Hermann Bahrs „Wienerinnen* in der Josefstadt. Wie fern, wie fremd sind uns diese .Probleme“ einer guten Gesellschaft vor 50 Jahren, in der ein literarischer Salonlöwe und ein .Tischler“, das heißt ein Großindustrieller auf der Stufe des romantischen Owen sehen und Blancschen Sozialismus der 1830er Jahre, beim Fünfuhrtee um die Seelen und Seelchen ihrer Damen kämpfen. Bahrs Bekenntnis — er selbst ist ja der ,alle6zermatmende“ Kritiker und der aufbauwillige, naturverbundene Tischler, enthüllt immerhin, wie sehr er den Schlagworten seiner Zeit erlag (deren Opfer, bestenfalls Dompteur, keinesfalls aber Bändiger) und jene Schlag-Worte der ihm folgenden Zukunft mit heraufführte. — Wenn dieses Stück heute sehenswert gemacht wird, dann nur wegen der .Rollen“: der Edthofer als „Leopold“, der Rudolf als junger Ehemann, Aglaja Schmid und Helly Servi als Wienerinnen, ganz von heute — die .Wienerinnen“ Bahrs haben sie gar nicht mehr gekannt. So tragen sie diese unbekümmert, als Rollen, auf ihren jungen Schultern, und mit ihnen das Stück, in unsere Zeit

Sorgfältig und recht behutsam hat Hans W e i g e 1, assistiert von Alexander Steinbrecher, Nestroys .Zu ebener Erd' und im ersten StSck“ im Akademie-t h e at e r restauriert. Es ist eine Restauration, also eine Verbindung von Halbem mit Halbem, von Halbtotem mit Halblebendigem. Das müssen die Bearbeiter selbst empfunden haben, sonst hätten sie wohl nicht eine Opernparodie ins Stück hineinerfunden. Kann Nestroy nicht mehr ganz auf eigenen Füßen ßtehen, im Heute?

Seien wir doch ehrlich: er selbst, als eine phänomenale Erscheinung seines halben Jahrhunderts, kann es gewiß, seine Stücke aber können es zum allergrößten Teil nicht mehr. Da muß dann eben der Arzt nachhelfen, der Zudichter, der Regisseur (O. F. Schuh), die Schauspieler, geführt von Hans und Hermann Thimig. Sie alle haben hier das Ihre getan, geleistet und ihre gute Absicht, ihr Interesse bezeugt. Vielleicht manchmal zuviel des Interesses, so daß die Atmosphäre zu Schaden kommt und das leise Summen der Apparate den Duft der Stimmung versehrt.

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